Jetzt sollen die Schutzlücken schnellstmöglich geschlossen werden. „Wir sehen den Bedarf zur Stärkung des Zivil- und Bevölkerungsschutzes“, sagte der SPD-Innenexperte Sebastian Hartmann dem Handelsblatt.
Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, betonte: „Den Zivilschutz nicht bedeutend zu stärken wäre extrem fahrlässig.“ Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hält eine „sicherheitspolitische Zeitenwende“ für notwendig, die auch die zivile Verteidigung und einen vorausschauenden Bevölkerungsschutz umfasse.
Konkret fordert Kiesewetter zum geplanten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zusätzlich zehn Milliarden Euro für den Ausbau des Zivil- und Katastrophenschutzes. „Deutschland muss sich für Krisen und Herausforderungen wie Hochwasser, Dürren, Pandemien, Cyberbedrohungen, aber auch Katastrophenereignisse und die Auswirkungen des Krieges in Europa wappnen und insgesamt resilienter werden“, sagte er.
High-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Der CDU-Abgeordnete unterstützt damit einen Vorstoß des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius (SPD). Der SPD-Politiker hatte kürzlich am Rande einer Sonderkonferenz der deutschen Innenminister einen „Bund-Länder-Pakt für den Zivil- und Katastrophenschutz“ vorgeschlagen und dabei die Summe von zehn Milliarden Euro ins Spiel gebracht.
Dass die neue sicherheitspolitische Lage in Europa für Deutschland auch jenseits der angekündigten Bundeswehr-Investitionen immense Folgekosten verursachen wird, wurde kürzlich auch in der Bundestagsdebatte zum Etat des Innenministeriums deutlich. „Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist eine Zäsur“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD). „Das wird auch zusätzliche finanzielle Belastungen nach sich ziehen, die in diesem Haushalt noch nicht berücksichtigt sind.“
Bundesamt arbeitet an neuem Bunker-Konzept
Im Haushalt 2022 sind für das Bundesamt für Bevölkerungshilfe und Katastrophenschutz (BBK) derzeit knapp 20 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen. Insgesamt wären dies rund 271 Millionen Euro – etwa die Hälfte davon für Private- und Verwaltungsausgaben.
Die Bonner Behörde ist auf den Schutz der Bevölkerung im Spannungs- und Verteidigungsfall ausgerichtet. Außerdem kann das BBK die für den Katastrophenschutz in Friedenszeiten zuständigen Länder unterstützen.
Kiesewetter sagte, um seiner Aufgabe gerecht zu werden brauche das Bundesamt eine angemessene Personalausstattung. Auch eine schnelle Erweiterung des Sirenenprogramms für die Kommunen und der beschleunigte Auf- und Ausbau strategischer Reserven etwa für Trinkwasser, Notstrom und Schutzräume zur Krisenprävention seien notwendig.
>> Lesen Sie auch: Kein Brot, Menschen in Notunterkünften, überlastete Kliniken – Was passiert, wenn das Erdgas ausgeht
BBK-Präsident Armin Schuster hatte zuletzt im ZDF deutlich mehr Geld für seine Behörde gefordert. Zwischen fünf und zehn Milliarden Euro seien notwendig, um den Zivilschutz zu ertüchtigen. Zunächst hatte der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete rund 135 Millionen Euro für Mehrinvestitionen beantragt. Dabei gehe es aber nicht um die Finanzierung einer Behörde, sondern um Investitionen in nationale Reserven, sagte Schuster der Nachrichtenagentur dpa.
Konkret nannte der oberste Katastrophenschützer die Trinkwassersicherstellung, Sirenen sowie den CBRN-Schutz, additionally den Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Gefahren. „Da geht es zum Beispiel auch um moderne Zivil- und Katastrophenschutz-Fahrzeuge und um unsere Zivilschutzhubschrauber“, erläuterte Schuster.
Handlungsbedarf sieht Schuster auch bei Bunkern. 2007 hätten Bund und Länder entschieden, das Schutzraumkonzept aufzugeben, sagte er. Seine Behörde entwickle derzeit Konzepte, wie künftig ein effektiver baulicher Bevölkerungsschutz aussehen könne. „Eine Umsetzung wird jedoch Zeit und viel Geld kosten.“
Grüne warnen vor „akademischen Debatten“
Der CDU-Politiker Kiesewetter forderte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf, den Haushaltsentwurf nachzubessern. „Allein um den Kernauftrag des BBK einer starken Zivilverteidigung zu erfüllen, muss die Ampel zwingend zugunsten des Bevölkerungsschutzes umpriorisieren und weitere zusätzliche Private- und Haushaltsmittel bereitstellen“, mahnte der CDU-Politiker.
>> Lesen Sie auch: „Schnellstmöglich der neuen Lage anpassen“: Deutschland ist auf den Ernstfall nur bedingt vorbereitet
Der SPD-Politiker Hartmann sieht zwar bereits eine „deutliche Stärkung“ des Katastrophenschutzes. Er rechnete allerdings die eingeplanten Mittel für die Katastrophenschutz-Behörde und das Technische Hilfswerk zusammen. Damit stünden intestine 790 Millionen Euro zur Verfügung. Eine Aufstockung schloss Hartmann aber nicht aus. „Weiteres ist Gegenstand der derzeitigen parlamentarischen Beratungen“, sagte er.
Der Bund habe selbstverständlich auch ein Interesse an einer funktionierenden Warninfrastruktur, betonte der SPD-Politiker. Grundsätzlich seien aber die Länder für die Warnung der Bevölkerung im Katastrophenfall zuständig und damit in der Pflicht, diese Infrastruktur zu finanzieren. Für das Sonderprogramm des Bundes zur Sirenenförderung seien bereits Konjunkturmittel eingesetzt worden, sagte Hartmann. „Ob und inwiefern erneut Bundesmittel zum Ausbau der Sireneninfrastruktur bereitgestellt werden, ist ebenfalls Gegenstand der parlamentarischen Beratungen.“
Die Grünen-Politikerin Mihalic warnte indes, jetzt „keine akademischen Debatten“ zu führen. Vielmehr sei „entschlossenes Handeln aller verantwortlichen Akteure“ gefragt. Daher sei es unabhängig vom finanzpolitischen Rahmen „sicherheitspolitisch dringend geboten“, den Zivilschutz strukturell und finanziell deutlich zu stärken. „Schließlich geht es um die Sicherheit der Menschen in unserem Land.“
Die FDP will sich hingegen bei der Stärkung des Zivilschutzes nicht allein auf die Finanzierung fokussieren. „Es geht auch darum, die Strukturen sehr genau zu überprüfen und mit einem schlagkräftigen Bevölkerungsschutz unser Land resilienter zu machen“, sagte der Innenexperte der Fraktion, Manuel Höferlin. „Dafür müssen einerseits auch die Länder und die Kommunen reformfreudiger werden und andererseits Investitionen maximale Wirkung entfalten.“
Mehr: Kosten für Geflüchtete: Länder fordern vom Bund 1000 Euro professional Particular person.