Düsseldorf Die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung im Ukraine-Krieg treibt den deutschen Aktienmarkt an: Der Dax steigt am Nachmittag um mehr als 500 Punkte oder vier Prozent auf bis zu 14.553 Zählern. Zu den größten Gewinnern gehören der Onlinehändler Zalando, die Essenslieferdienste Delivery Hero und Hellofresh sowie Autowerte. Am Dienstag hatte das Frankfurter Börsenbarometer nahezu unverändert bei 13.917 Punkten geschlossen.
Erneut sind es Nachrichten über Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland, die die Kurse antreiben. So berichtet die Zeitung „FT“, dass beide Seiten „signifikante Fortschritte“ erzielt hätten. Demnach sähe ein 15-Punkte-Entwurf vor, dass die Ukraine im Gegenzug für Sicherheitsgarantien auf Nato-Beitrittsambitionen verzichte.
An den Börsen wiege die Hoffnung auf Frieden in der Ukraine momentan schwerer als die Angst vor einer weiteren Eskalation, sagt Thomas Altmann, Portfoliomanager vom Vermögensverwalter QC Companions. „Auch der Dax profitiert von diesem Rückenwind. In der Hoffnung auf weitere Fortschritte bei den Verhandlungen werden Aktien wieder gekauft.“
Zuvor hatte bereits der russischen Außenministers Sergej Lawrow dem Nachrichtenportal RBC gesagt, man sei kurz davor, sich über einige Formulierungen für eine Vereinbarung zu einigen. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski nannte die russischen Forderungen nun „realistischer“.
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Schon in der Vergangenheit hatte der deutsche Aktienmarkt mit deutlichen Gewinnen auf solche Äußerungen reagiert: Seit dem vergangen Dienstag hat der Dax in der Spitze mehr als 1600 Punkte oder zwölf Prozent zugelegt.
Unterstützend wirkt am Mittwoch zudem der wieder tiefere Ölpreis. Rückenwind kommt auch aus China: Dort stiegen die Kurse deutlich, nachdem die Regierung in Peking weitere wirtschaftliche Anreize angekündigt hatte.
Neben der Entwicklung im Ukrainekrieg werden Anlegerinnen und Anleger nach Börsenschluss in die USA schauen, wo die US-Notenbank ihren Zinsentscheid verkündet. Als ausgemacht gilt eine Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte (25 Basispunkte). Dabei wird es wohl bleiben. „Die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt um 50 Basispunkte veranschlagt der Markt mit gerade einmal 3,7 Prozent“, sagt Jochen Stanzl, Analyst beim Dealer CMC Markets.
Wichtig ist zudem der neue Dot Plot. Dieser zeigt, mit wie vielen Zinserhöhungen die Notenbanker in diesem Jahr und auch in den kommenden Jahren rechnen. „Aktuell liegt die Konsenserwartung für dieses Jahr bei sieben Zinsschritten und damit bei einer Zinserhöhung auf jeder Zinssitzung“, sagt Altmann. Von daher könnten die Notenbanker quick nur positiv überraschen.
>> Lesen Sie dazu: Die US-Notenbank tagt: Warum Fed-Chef Powell die Zinsen anheben wird.
Warum die Marke von 14.000 Punkte wichtig ist
An der Marke von 14.000 Punkten arbeitet sich der Dax seit dem vergangenen Mittwoch ab. Stets setzten rund um dieses Niveau Gewinnmitnahmen ein, sodass es dem Frankfurter Börsenbarometer nie gelang, die 14.000 Punkte nachhaltig zu knacken. Nachhaltig bedeutet zum Tagesschluss und am darauffolgenden Handelstag.
Die 14.000er-Marke ist dadurch zu einem Widerstand geworden. Dass solche Widerstände erst nach mehreren Anläufen überwunden werden, ist nicht ungewöhnlich. Gelingt dies, gilt es aber als positives Sign und wirkt trendbestätigend.
Allerdings warten auf den Dax noch weitere Hürden, bevor er seinen langfristigen Abwärtstrend beendet hätte. Nächster Anlaufpunkt ist die noch offene Abwärtslücke aus dem Februar zwischen 14.568 und 14.586 Punkten. Abwärtslücken entstehen, wenn der höchste Kurs des Handelstags unter dem niedrigsten des Vortags liegt. Werden diese Lücken nicht geschlossen, gilt das als Zeichen von Schwäche und für weiter fallende Kurse.
Offene Lücken entwickeln sich aus charttechnischer Sicht zu einem Widerstand. Im konkreten Fall müsste der Dax additionally bis auf 14.586 Punkte steigen, um diesen Widerstand zu durchbrechen. Das wäre ein weiteres Sign für eine Stabilisierung. „Für eine spürbare Entlastung müssten es aber die 14.980 Punkte sein“, erklärt Martin Utschneider, Leiter Technische Analyse bei Donner & Reuschel.
Ölpreis stabilisiert sich
Die Ölpreise steigen am Mittwoch wieder etwas, nachdem sie an den Tagen zuvor deutlich gefallen waren. Rohöl der Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich gegen Mittag 0,3 Prozent auf 100,18 Greenback professional Barrel. Der Preis für US-Öl WTI stieg um 0,7 Prozent auf 97,11 Greenback professional Barrel.
Damit notieren die Ölpreise nur wenig höher als vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Nach der Invasion waren sie stark gestiegen und hatten den höchsten Stand seit dem Jahr 2008 erreicht. Ein Fass Brent hatte in der Spitze quick 139 Greenback gekostet, ein Fass WTI wurde mit mehr als 130 Greenback gehandelt. Russland ist eines der größten Förderländer der Welt.
>> Lesen Sie dazu: „Dreifaches Defizit am Markt“ – Ukrainekrieg lässt Ölpreis extrem schwanken.
„Nach dem zweitägigen Ausverkauf an den Ölmärkten warten die Händler auf weitere Hinweise aus den Waffenstillstandsgesprächen“, sagte Tina Teng, Analystin beim Onlinebroker CMC Markets mit Blick auf die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Da sich die hohe Inflation letztlich auf das Wirtschaftswachstum auswirken und die Nachfrage schwächen werde, könnten die Rohölpreise aber erneut unter Druck geraten.
Erleichterungsrally bei China-Aktien
Nach drei Handelstagen mit deutlichen Verlusten geht es für China-Aktien am Mittwoch wieder aufwärts. Der Index „Cling Seng Enterprises“, der die wichtigsten in Hongkong gelisteten chinesischen Werte abbildet, stieg am Mittwoch um bis zu 13 Prozent. Das ist der größte Intraday-Gewinn seit der Finanzkrise 2008. Für Tech-Aktien wie Alibaba und Tencent ging es zum Teil sogar um mehr als 20 Prozent aufwärts.
Ausgelöst wurde die Rally durch einen Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, die sich auf eine Sitzung mit Vizepremier Liu He beruft. Demnach will China den Aktienmarkt stabil halten, die Pleite von Unternehmen aus dem Hypothekensektor verhindern und heimischen Technologieunternehmen mit einem Itemizing in Übersee helfen. Damit wurden etliche der jüngsten Belastungsfaktoren adressiert.
>> Lesen Sie dazu: Erholung bei China-Aktien in Hongkong und den USA – aber kein Grund zur Entwarnung.
Russland droht die Staatspleite
In Kürze könnte ein Zahlungsausfall Russlands drohen. Im Tagesverlauf werden Zinsen für zwei Greenback-Bonds im Volumen von insgesamt 117 Millionen Greenback fällig. Wegen der westlichen Sanktionen als Reaktion auf den Einmarsch in die Ukraine ist unklar, ob Russland die Zahlungen leistet und ob dies in Greenback oder Rubel geschieht.
„Die Fähigkeit oder Unfähigkeit, unsere Verpflichtungen in Fremdwährungsäquivalent zu erfüllen, hängt nicht von uns ab“, sagte der russische Finanzminister Anton Siluanow am Mittwoch in einem Interview mit RT Arabic. Die internationalen Bargeldreserven von Russland in Fremdwährungen sind im Zuge westlicher Sanktionen eingefroren worden.
Sollte Russland die zwei Greenback-Anleihen in der stark abgewerteten heimischen Währung Rubel bedienen, würde das die Ratingagentur Fitch nach eigenen Angaben nach dem Ablauf einer 30-tägigen Gnadenfrist als Staatspleite werten.
Mehrere Ratingagenturen hatten ihre Bewertung für die Kreditwürdigkeit Russlands zuletzt tief in den Ramschbereich gedrückt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält gravierende Folgen für das weltweite Finanzsystem im Fall einer Staatspleite Russlands jedoch für wenig wahrscheinlich.
>> Lesen Sie dazu: Warum ein Staatsbankrott Russlands kaum zu vermeiden ist.
Blick auf die Einzelwerte
Im MDax profitierten die Aktien des Medizintechnikkonzerns Carl Zeiss Meditec-von einer Kaufempfehlung der Schweizer UBS mit acht Prozent Aufschlag. Im SDax bescherten überraschend starke Jahreszahlen dem im IT-Dienstleister Nagarro ein Kursplus von quick neun Prozent. Für den Labordienstleister Synlab ging es nach unerwartet guten Zahlen und einer angehobenen Umsatzprognose um zwei Prozent nach oben.
BWM: Der Autobauer rechnet mit deutlichen Belastungen durch den Ukrainekrieg. In diesem Jahr geht der Konzern wegen der Auswirkungen auf die eigene Produktion bei der Gewinnmarge vor Zinsen und Steuern im Autogeschäft von sieben bis neun Prozent aus, wie die Münchener am Mittwoch mitteilten. Zuvor waren es acht bis zehn Prozent gewesen. Die Aktie steigt um mehr als drei Prozent.
Eon: Die Aktie des Energiekonzerns profitiert als einer der wenigen Titel nicht von der guten Stimmung. Eon hat im Geschäftsjahr 2021 seinen Gewinn gesteigert. Das bereinigte Ebitda sei um eine Milliarde Euro auf 7,9 Milliarden Euro gestiegen, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. Die Dividende steigt von 47 auf 49 Cent je Aktie. Zu den Risiken zählt Eon seine Beteiligung an der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 1.
Morphosys: Constructive Nachrichten aus den USA haben die Titel der Biotechfirma angetrieben, ehe es zu Gewinnmitnahmen kam. Die Aktien stiegen zunächst mehr als drei Prozent, nachdem der Verband der US-Krebszentren NCCN das Krebsmittel Monjuvi unter bestimmten Voraussetzungen bei B-Zell-Lymphomen als bevorzugte Therapie eingestuft hat. Aktuell notieren die Papiere unverändert. Am Mittwochabend legt Morphosys seine Jahreszahlen vor.
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