New York Hat sich Russlands Herrscher Wladimir Putin verzockt oder zieht er seine Kräfte für den großen Sturm auf Kiew zusammen? Das ist die große Frage, während in Charkiw und anderen Städten an diesem Vormittag weitere Raketen einschlagen, hunderttausende Menschen weitere aus den Kriegszentren fliehen und die internationale Diplomatie sich für einen weiteren Tag hochtouriger Verhandlungen wappnet.
Und die Antwort auf diese Frage scheint angesichts eines 64 Kilometer langen russischen Militärkonvois, der sich laut Satellitenbildern des US-Unternehmens Maxar aus der Nacht vor Kiew aufbaut, auf schaurige Artwork schon gegeben.
So gibt die Lage auch am siebten Tag nach Russlands Angriff auf die Ukraine und nach dem ergebnislosen Gespräch zwischen Verhandlern und Russland und Ukraine in Belarus am Montag wenig Anlass zur Hoffnung. Auch in der Nacht meldeten Medien und Ohrenzeugen in Charkiw und Kiew weiter Explosionen.
Außerdem seien weitere Bodentruppen und Kampfhubschraubereinheiten im südlichen Belarus gesichtet worden – weniger als 32 Kilometer nördlich der ukrainischen Grenze.
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Trotzdem scheint das russische Militär weiterhin Schwierigkeiten zu haben, Boden in der Ukraine intestine zu machen. Laut dem deutschen Generalinspekteur Eberhard Zorn habe Putin die Schlagkraft der ukrainischen Soldaten und Zivilisten unterschätzt.
Putins Truppen für die zweite und dritte Welle
„Was wir erleben, ist ein sehr tapfer kämpfendes Heer der ukrainischen Streitkräfte, unterstützt durch die Zivilbevölkerung und durch eine kluge Aufstellung“, erklärte Zorn am Montagabend im ZDF-„heute journal“. „Insofern stockt im Second das Vordringen der russischen Streitkräfte“.
Bisher sei allerdings erst etwa ein Drittel der an der ukrainischen Grenze aufmarschierten russischen Soldaten im Einsatz. „Das heißt, es sind noch Kräfte, wir nennen das zweite und dritte Welle, verfügbar“, sagte Zorn. Man gehe davon aus, dass diese mit Unterstützung durch Artillerie und durch Luftwaffe eingesetzt würden. Erwartet würden dann auch entsprechend mehr Opfer unter der Zivilbevölkerung.
Bilder, die das US-Satellitenunternehmen Black Sky am Morgen veröffentlichte, zeigen zudem das Ausmaß der Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur durch die Russen.
Der Krater rechts im Bild zeigt die Folgen eines russischen Angriffs.
Die Frage nach dem weiteren Vorgehen Russlands entfacht auch eine Diskussion über den Luftraum der Ukraine. Ukraines Präsident Wolodimir Selenski forderte bei einer Videoansprache in der Nacht die Einrichtung einer Flugverbotszone für russischen Raketen, Flugzeug und Hubschrauber.
Dieser Schritt ist umstritten. Die USA halten sich zu dem Thema aktuell bedeckt. Die amerikanische Regierungssprecherin Jen Psaki ließ dazu am Abend (Ortszeit) in Washington mitteilen, dass eine solche Flugverbotszone, „die Entsendung von US-Militär erfordern, um sie durchzusetzen, was einen direkten Konflikt, einen potenziell direkten Konflikt und einen potenziellen Krieg mit Russland bedeuten würde, an dem wir uns nicht beteiligen wollen“, sagte Psaki.
UN-Sicherheitsrat tritt erneut zusammen
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat sich in New York unterdessen erneut zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen gefunden. Einig warfare sich das Gremium darin, dass man weitere humanitäre Hilfen zu Verfügung stellen wolle. Dafür bräuchte es aber nach Einschätzung von UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths deutlich mehr Sicherheits-Garantien und Geld.
Die Ukraine beschuldigt Russland, zivile Ziele anzugreifen. Russland widerspricht.
(Foto: Agencja Wyborcza.pl by way of REUTERS)
Die USA wollen der Ukraine unterdessen rund 6,4 Milliarden Greenback zu Verfügung stellen. Präsident Joe Biden will dem US-Senat ein Hilfspaket vorschlagen, das neben humanitären auch wirtschaftliche Hilfen umfasst, sowie Mittel zur militärischen Selbstverteidigung der Ukraine.
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Der US-Sicherheitsrat beschäftigte sich darüber hinaus mit der Frage, ob Russland in der Ukraine Kriegsverbrechen begangen hat. Der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kyslyzja sagte am Montag in Information York: „Russland greift immer wieder Kindergärten und Waisenhäuser an. Russland greift Krankenhäuser an. Russland greift cell medizinische Hilfsbrigaden mit Granatfeuer und Sabotagegruppen an.“
Dies seien nicht die Akte eines Staates mit Sicherheitsbedenken. „Dies sind die Akte eines Staates, der entschlossen ist, Zivilisten zu töten. Es gibt keine Debatte: Das sind Kriegsverbrechen.“ Russland weist den Vorwurf, zivile Einrichtungen anzugreifen, zurück.
Das soll auch Thema des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag werden. Chefankläger Karim Khan kündigt am Montagabend an, man wolle „so schnell wie möglich“ mit einer Untersuchung beginnen.
Meta sperrt RT und Sputnik
Der Westen geht weiter gegen die Informationskanäle des Kremls vor. Meta und andere Techkonzerne des Silicon Valley schränken den Zugang der Nachrichtenorganisationen RT und Sputnik ein. In der Europäischen Union sollen die Staatsmedien keinen Zugang mehr zu den Meta-Plattformen haben. Das kündigte der Cheflobbyist und Leiter der Abteilung für globale Angelegenheiten des Konzerns, Nick Clegg, am späten Montagabend an.
Zuvor hat die EU das Unternehmen zu dem Schritt aufgefordert. Clegg erklärt auf Twitter: „Angesichts der Ausnahmesituation werden wir den Zugang zu RT und Sputnik in der EU derzeit einschränken“, sagte Clegg. Einen Zeitraum für die Blockade des Anbieters nannte er nicht.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte: „Das staatliche Russia Right this moment und Sputnik sowie ihre Tochtergesellschaften werden nicht länger in der Lage sein, ihre Lügen zu verbreiten, um Putins Krieg zu rechtfertigen und die Spaltung unserer Union zu säen.“ Weiter sagte sie: „Deshalb entwickeln wir Instrumente, um ihre giftigen und schädlichen Desinformationen in Europa zu verbieten.“
Märkte überraschend resilient
An der Wall Avenue schließen die wichtigsten Indizes nur leicht unter ihrem Niveau vom Vortag – der technologielastige Nasdaq schließt sogar im Plus. Die Verschnaufpause nutzen die asiatischen Anleger, um sich mit Tech-Titeln einzudecken. Der japanische Nikkei notiert am Morgen rund ein Prozent im Plus.
Ökonomen warnen dennoch vor den Auswirkungen des harten Sanktionskurs der EU auf die wirtschaftliche Erholung nach der Coronakrise. Die deutsche Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnte: „Infolge der Krise wird sich kurzfristig die Konjunktur eintrüben, beispielsweise aufgrund einer Verschärfung der Lieferkettenproblematik, weiterhin hohen Energiepreisen oder auch Reaktionen der Finanzmärkte auf die Sanktionen,“ sagt die Ökonomin gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Die potentiell steigenden Energie- und Rohstoffpreise infolge der Ukrainekrise könnten sich außerdem insbesondere auf die Inflation in der Euro-Zone auswirken. Deutsche-Financial institution-Chef Christian Stitching sagte der „Bild“, sein Haus rechne für 2022 mit einer Teuerungsrate von fünf Prozent.
Was heute wichtig wird
In Brüssel tagt das Europa-Parlament in einer außerordentlichen Plenartagung zu Ukraine. Gegen Mittag werden Bundeskanzler Olaf Scholz und der Premierminister Luxemburgs, Xavier Bettel vor die Presse treten. Mit Spannung wird außerdem die Rede von US-Präsident Biden zur Lage der Nation erwartet – diese wird von Washington aus um 21 Uhr Ortszeit im US-Fernsehen aus übertragen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock reist nach New York um bei der Dringlichkeitssitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) eine Rede zum Ukrainekrieg zu halten.
Mehr: Faux-Information oder Dummheit? Russische Nachrichtenagentur veröffentlicht Kommentar zum Sieg Russlands
Mit Material von dpa und Reuters