Frau Smith, die Bundesregierung hat die Ostseepipeline Nord Stream 2 gestoppt. Ein aus Sicht der USA längst überfälliger Beschluss?
Washington begrüßt die Berliner Entscheidung. Wir haben eng mit unseren Verbündeten, inklusive Deutschland, an einer Reihe von Schritten gearbeitet, die wir unternehmen könnten, wenn Russland weiter in die Ukraine einmarschiert. Nach Russlands Anerkennung der sogenannten Republiken von Donezk und Luhansk sowie Berichten über die Verlegung von Truppen in die Regionen ist die Zeit gekommen, zu der Liste der Konsequenzen zu greifen. Nord Stream 2 befand sich darauf. Deutschland hat das Richtige getan.
Ihr eigentliches Ziel haben die Sanktionsdrohungen aber verfehlt – Russland vor Aggressionen abzuschrecken.
Russland ist noch nicht voll in die Ukraine einmarschiert. Warten wir ab, was Präsident Putin als Nächstes tut. Was wir bisher gesehen haben, battle nur der Auftakt. Das Weiße Haus wird noch weitere Entscheidungen treffen.
Ist eine diplomatische Lösung des Konflikts noch realistisch?
Wir haben Vorschläge gemacht, uns auf allen möglichen Kanälen um Verhandlungen bemüht. Aber Putin scheint derzeit kein Interesse an Dialog und Deeskalation zu haben.
Wie wird die Nato reagieren?
Alle 30 Alliierten haben Russlands Vorgehen verurteilt – als Verletzung des Völkerrechts und der territorialen Unversehrtheit der Ukraine. Und wir haben begonnen, darüber zu sprechen, welche zusätzlichen Maßnahmen wir treffen müssen, um die Ostflanke der Nato zu befestigen.
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Was genau schwebt Ihnen vor – weitere Truppenverlagerungen?
Genau. Die Vereinigten Staaten haben schon einige Tausend zusätzliche Soldaten nach Zentral- und Osteuropa geschickt. Viele andere europäische Länder haben das Gleiche getan. Die Niederlande, Dänemark, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Deutschland haben schon Schritte zur Stärkung der Ostflanke unternommen. Aber wir prüfen zusätzliche Schritte, um noch mehr Präsenz an der gesamten Ost‧flanke zu zeigen. Ist die Nato-Grundakte hinfällig geworden? Der Vertrag begrenzt einerseits die Truppenstationierungen der Nato in Osteuropa und andererseits verpflichtet er Russland zur friedlichen Kooperation. Ich habe keine endgültige Antwort darauf. Aber angesichts der aktuellen ‧Lage müssen wir uns fragen, ob wir uns weiter an einen Vertrag halten sollen, den die Russen brechen.
Fürchten Sie, dass sich der Konflikt auf das Gebiet der Nato ausweitet?
Wir können nicht genau vorhersagen, was Putin plant. Aber wir alle sehen die Stationierung russischer Truppen in Belarus mit erheblicher Beunruhigung. Belarus grenzt an drei Nato-Staaten. Ebenso besorgt uns die Möglichkeit eines vollen Einmarsches in die Ukraine. Wir stellen uns auf alle denkbaren Szenarien ein, ob es russische Truppen sind, die auf Nato-Gebiete vorstoßen oder hybride Maßnahmen der Russen wie Cyberangriffe.
Was erwarten die USA von ihren Alliierten, vor allem von Berlin?
Es gibt drei Leitfragen für uns: Erstens, was brauchen die Ukrainer jetzt, wie können wir ihnen helfen? Zweitens: Wie können wir unsere Sicherheitszusagen für alle 30 Nato-Associate einlösen? Drittens müssen wir darüber nachdenken, wie die jüngsten Geschehnisse die grundlegenden Prinzipien untergraben, auf denen die transatlantische Sicherheitsarchitektur beruht. Die Frage lautet: Was müssen wir als Allianz zusätzlich unternehmen, um die Fähigkeit der Nato zu verbessern, auf Herausforderungen wie hybride taktische Maßnahmen und die Verlegung russischer Truppen in das Grenzgebiet zur Nato zu reagieren? Wir stehen an einem Wendepunkt.
Die Nato-Associate haben sich verständigt, die Verteidigungsausgaben „in Richtung“ zwei Prozent des BIP zu erhöhen. Berlin ist davon weit entfernt. Fordern Sie mehr?
Ja, der Lastenausgleich in der Allianz bleibt eine Toppriorität der USA. Viele Bündnispartner haben Pläne vorgelegt, um 2024 das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. Auch Deutschland hat schon einiges getan. Aber wir wollen, dass es die Zwei-Prozent-Marke erreicht.
Die USA haben zuletzt darauf gedrungen, dass die Nato auch China in den Fokus nimmt. Ist diese Neuausrichtung nun passé?
Absolut nicht. Für die USA ist klar: Natürlich müssen wir Russland im Blick behalten. Aber zugleich muss die Allianz darauf achten, was China im und um den euro-atlantischen Raum herum betreibt. Chinas Investitionen in Europa könnten sicherheitsrelevante Schwachstellen schaffen. China setzt außerdem auf böswillige Einflusskampagnen, um politische Einstellungen zu formen – und damit auch die politischen Entscheidungen von Regierungen zu beeinflussen. Das besorgt uns.
Russland und China sind zuletzt aufeinander zugegangen. Bildet sich eine Gegenallianz zum Westen?
Wir betrachten die gemeinsame Erklärung von China und Russland als besorgniserregend. Was wir sehen, ist, dass beide Mächte voneinander lernen, etwa wie man Desinformation einsetzt. Zudem wendet sich das Dokument gegen die Erweiterung der Nato – China und Russland stellen additionally eine direkte Herausforderung für die Nato dar. Wir müssen im Blick behalten, wie sich diese Beziehung entwickelt.
Mehr: Die falsche Hoffnung auf den Nord-Stream-2-Stopp: Warum die Strafdrohungen ihr Ziel verfehlen