Die Innenminister der SPD-geführten Bundesländer diskutieren am Freitag über Rechtsextremismus – und über ein Verbotsverfahren gegen die AfD. Das ist nicht nur politisch hoch umstritten.
Es ist ein Treffen im kleinen Kreis, über das vorab kaum gesprochen wird: Die Innenminister der SPD-geführten Bundesländer diskutieren an diesem Freitag mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach Informationen von t-online über Maßnahmen gegen Rechtsextremismus. Offiziell nicht auf der Tagesordnung, aber laut Teilnehmern ein sicherer Diskussionspunkt beim Treffen im Bundesinnenministerium: ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD.
Das dürfte ein Grund sein, warum Inhalte des Treffens kaum kommuniziert wurden. Nicht nur in den drei Bundesländern im Osten, in denen im Herbst gewählt wird, ist die Sorge groß, dass falsche Hoffnungen genährt werden und schon die Diskussion über ein Verbotsverfahren die AfD stärken könnte. In mancher Landesregierung schüttelt man den Kopf über Berliner Kollegen, die in der Öffentlichkeit gerade mit viel Verve die Trommel für ein solches Verfahren rühren.
Ein heißes Eisen also – und das nicht nur politisch. Rechtlich ist ein solches Verbotsverfahren mit großen Unsicherheiten verbunden. Auch deswegen sind die Mehrheiten für einen Vorstoß gegen die AfD in der Politik derzeit unklar. Die Fragen, die im Raum stehen, lauten: Geht das überhaupt? Und wenn ja: Wie am besten?
Klatsche gegen die NPD
Beantragen kann ein Parteiverbotsverfahren nur der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung, entscheiden muss darüber das Bundesverfassungsgericht. Bisher hat das Gericht erst zwei Mal ein Parteiverbot ausgesprochen – 1952 gegen die nationalsozialistisch orientierte Sozialistische Reichspartei (SRP), 1956 gegen die stalinistische Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).
Zwei Verfahren gegen die NPD, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands, scheiterten 2003 und 2017. Den Innenministern am Tisch dürfte diese Klatsche noch genau in Erinnerung sein.
Ein Problem: Damit eine Partei verboten werden kann, muss sie nicht nur eine verfassungsfeindliche Haltung vertreten, sondern diese Haltung auch in „aktiv-kämpferischer, aggressiver Weise umsetzen“ wollen. Im Fall der AfD ist umstritten, ob das tatsächlich für die gesamte Bundespartei gilt. Landesverbände wie Nordrhein-Westfalen sind im Vergleich weniger radikal als Landesverbände wie Thüringen, Sachsen oder Sachsen-Anhalt, die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft werden.
Es wäre ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik
Eine Idee gewinnt deswegen in jüngerer Zeit immer mehr Fürsprecher: Ein Verbotsverfahren nicht gegen die gesamte AfD zu eröffnen, sondern gezielt gegen ihre radikalsten Landesverbände. Es sind zugleich Bundesländer, in denen die AfD sehr stark abschneidet.
Rechtlich ist das allerdings ein Novum: Wie das Bundesverfassungsgericht auf Anfrage von t-online mitteilt, wurde „soweit nachvollziehbar“ in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie ein Verbotsverfahren geführt, „das sich nur gegen einzelne Landesverbände oder einen einzelnen Landesverband einer bundesweit aktiven politischen Partei richtete“.
Manch Verfassungsrechtler jedoch ist sich sicher: Das ist möglich. „Nach dem Paragrafen 46 Absatz 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz können einzelne Landesverbände verboten werden“, sagte Staatsrechtler Ulrich Battis t-online. „Dann kann man das auch gleich beim Antrag machen.“
Verfechter dieser Position ist auch der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD): Durch die Einstufung der Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt als „gesichert rechtsextrem“ durch den Verfassungsschutz seien die Verfassungsschutzämter in den ostdeutschen Ländern dort „mit ihren Erkenntnissen schon recht weit und haben viele Indizien gesammelt“, sagte er Ende Januar t-online. „Die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren auf Landesebene könnten dort geprüft werden.“
Nicht einmal in den Innenressorts aber denken alle so wie Mäurer und Battis. Wer sich zu der Frage umhört, vernimmt immer wieder andere Ansichten – oder zumindest den Hinweis: Das sei auch unter Experten umstritten. Viele glauben, dass der Antrag sich eben doch gegen die bundesweite Partei richten muss. Erst in seinem Urteil könne das Bundesverfassungsgericht sich dann auf ein Verbot einzelner, besonders extremer Landesverbände beschränken.