Düsseldorf Egal ob im Kino, im Restaurant oder im Fußballstadion: Quick überall müssen Bürger ihren Immunstatus darlegen. Für viele ist das Vorzeigen des QR-Codes auf dem Smartphone so regular wie der Griff zur Maske geworden. Doch nicht alle Menschen haben ein Smartphone – und ist der Akku leer, steht man ohne Impfausweis da. Auch ältere Menschen wünschen sich häufig einen handfesten Ausweis.
Genau für dieses Downside hat Tamim Al-Marie eine Lösung parat. Mit seinem Begin-up Apo Pharma Immun aus Leipzig druckt er die individuellen QR-Codes auf scheckkartengroße Plastikkarten. Diese hat er „Immunkarte“ getauft.
Was so simpel aussieht, hat sich in kürzester Zeit zum Millionengeschäft entwickelt. Allein im ersten Geschäftsjahr hat der 26-Jährige mit 20 Mitarbeitenden rund vier Millionen Kunden mit Karten versorgt und dabei einen Umsatz von 32 Millionen Euro erzielt. „Das macht natürlich stolz und warfare so nicht vorauszusehen“, sagt Al-Marie.
Al-Marie ist jung, eloquent und hat das Begin-up-Vokabular längst verinnerlicht. Doch der Gründer mit syrischen Wurzeln lebt nicht in der Begin-up-Metropole Berlin, sondern in Leipzig. Er hat nicht Wirtschaft, sondern Pharmazie in Halle studiert. Erst im Januar hat er die Zulassung zum Apotheker erhalten. Seine erste Firma Apo Pharma Immun, die auch die Immunkarte vertreibt, hat er direkt nach seinem Studium gegründet.
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Sein Unternehmen ist jetzt schon eine Erfolgsgeschichte. In mehr als jeder zweiten Apotheke können Kunden die Ausweise kaufen, alternativ sind die Karten auch auf der Web site des Begin-ups erhältlich. 9,90 Euro beträgt die erstmalige Ausstellung des Ausweises. Aktualisierungen für spätere Auffrischungsimpfungen („Booster“) gegen Corona kosten weitere 7,40 Euro. Nutzer können den Cross als analoge Different zum Useful an Eingängen vorzeigen und scannen lassen.
Ursprünglich hatte der Wahl-Leipziger eine andere Idee. Mit seinem Crew baute er im Frühjahr 2021 an einer App, die so ähnlich funktioniert wie die Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts (RKI). Er wollte die App zunächst über die Apotheken in der Area bekannt machen. Bis zu 3000 Kunden dieser Apotheken haben sich die App heruntergeladen. Für ein Begin-up in der Anfangsphase ist das viel.
Bis zu 100.000 Bestellungen am Tag
Dennoch waren viele Apotheken zu Beginn skeptisch, weil eine Zertifizierung der App fehlte. „Dabei gab es zu diesem Zeitpunkt nicht einmal eine Rechtsgrundlage für etwaige Zertifizierungen“, berichtet der Gründer. Neben der App ließ die junge Firma die QR-Codes auf kleine Plastikkarten drucken. „Die haben wir als Service einfach so dazugemacht“, erinnert sich Al-Marie.
Schnell merkte er, dass das Interesse an den Karten deutlich höher warfare als an der App. Als das RKI es schließlich auch ermöglichte, die Impfzertifikate in der Warn-App zu speichern und anzuzeigen, beschloss das junge Unternehmen, den QR-Code des RKI auf die Karten zu drucken. „Im Nachhinein die richtige Entscheidung“, sagt Al-Marie.
Innerhalb weniger Tage verkauft die junge Firma 20.000 Karten täglich. Als im Dezember an vielen Orten die 2G-Regel gilt und das gelbe Impfbuch nicht mehr ausreicht, explodiert die Nachfrage: Bis zu 100.000 Bestellungen trudeln täglich in Leipzig ein. Sieben Druckereien im gesamten Bundesgebiet produzieren in dieser Zeit die Immunkarte.
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Zeitweise kommen Al-Marie und seine Kollegen den Bestellungen nicht mehr hinterher. Einige Apotheken klagen, dass Lieferungen nicht eintreffen, und beenden die Zusammenarbeit. Auch deshalb schickt Al-Marie mittlerweile Rohlinge an die Partnerapotheken, damit diese sie selbst bedrucken können. Die allermeisten Apotheken halten dem Begin-up jedoch die Treue.
Mit rund 10.000 von insgesamt 18.000 Apotheken arbeitet die Firma inzwischen zusammen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor, weiß Al-Marie. „Vor allem ältere Menschen kaufen lieber in der lokalen Apotheke als in Onlineshops“, berichtet er.
Diese Beobachtung kann Maria Elvenich bestätigen. Sie arbeitet als Verkäuferin in einer Kölner Apotheke und hat schon zig Karten ausgegeben. Reich werde die Apotheke durch das Angebot zwar nicht. Dennoch sei die Karte ein guter Zusatzservice, berichtet die pharmazeutisch-kaufmännisch Angestellte: „Vor allem Senioren nehmen das Angebot dankend an.“
Wer will, kann die Karte auch selbst herstellen
Deshalb blickt Al-Marie entspannt auf die stark wachsende Konkurrenz, die meist ausschließlich on-line verkauft. Gegen einige unseriöse Anbieter sei seine Firma jedoch vorgegangen. Ansonsten nehme er die zahlreichen Nachahmer sportlich: „Solange nicht ‚Immunkarte‘ draufsteht, soll jeder die Karten verkaufen, der will.“ Den Begriff hat er sich markenrechtlich schützen lassen.
Eine Erlaubnis des Staates muss sich seine Firma nicht einholen, weil es ein privates Angebot ist. Deshalb will sich das Bundesministerium für Gesundheit zu dem Angebot auch nicht äußern. Doch immerhin: „Der digitale Impfnachweis ist kryptografisch vor Veränderungen gesichert“, bestätigt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums dem Handelsblatt. „Insofern ist auch das Vorzeigen eines Ausdrucks mit dem entsprechenden QR-Code möglich.“
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Wer sich die 9,90 Euro für die Immunkarte sparen möchte oder nicht bis zu sieben Tage auf die Karte warten will, kann sich den QR-Code des RKI deshalb auch einfach selbst ausdrucken und laminieren. Al-Marie ist sich bewusst, dass sein Produkt sehr leicht nachzuahmen ist. Die meisten Leute gehen jedoch den bequemen Weg und kaufen die Immunkarte trotzdem von ihm.
Wie viel genau er an einer Karte verdient, will er nicht verraten. Von den 9,90 Euro Verkaufspreis gehen 3,57 Euro an die Apotheke. Dazu muss er die Druckereien, Advertising und sogar ein Callcenter bezahlen, weil zwischenzeitlich bis zu 6000 Anrufe am Tag eingehen.
Die Karten an sich kann er jedoch sehr günstig einkaufen. Im Web sind bereits kleine Mengen für zwölf Cent das Stück zu haben. Nach Abzug aller Kosten dürfte die Marge schätzungsweise bei ungefähr zwei Euro liegen. Al-Marie verrät nur so viel: „Im sechsten Monat waren wir profitabel.“
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Auf die Frage, warum das RKI als Herausgeber der App kein ähnliches analoges Angebot zur Verfügung stellt, will sich das Institut nicht äußern. „Ehrlich gesagt hat mich das auch ein bisschen gewundert, dass man dieses Thema vergessen hat“, sagt Al-Marie. Ein Lächeln kann er sich im Videointerview dabei nicht verkneifen.
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