Zwangsvollstreckungsverfahren gegen Julian Reichelt: Ein Beschluss soll den „Nius“-Chef dazu bringen, dass er nach falscher Berichterstattung eine Gerichtsentscheidung tatsächlich befolgt.
Mit Zwangsgeld oder Zwangshaft soll der frühere „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt dazu gebracht werden, nach einem fehlerhaften Bericht auch die Konsequenzen umzusetzen. Das Landgericht Berlin II hat festgestellt, dass er eine vorherige Gerichtsentscheidung dazu missachtet hat. Jetzt sind 5.000 Euro Zwangsgeld oder zehn Tage Zwangshaft verhängt, damit die Betroffenen zu ihrem Recht kommen. Es geht dabei auch um die grundsätzliche Frage, wie eine Gegendarstellung bei YouTube-Videos auszusehen hat.
Auslöser war ein Video im YouTube-Kanal „Achtung Reichelt“ und auf „Nius“, dem Portal, das der Gesundheitsdaten-Milliardär Frank Gotthart maßgeblich finanziert. Dort schießt Reichelt gegen alles, was ihm irgendwie „grün“ oder „woke“ erscheint. Am 2. Oktober 2023 hatte er sich Seenotretter vorgenommen, griff die Dresdner Organisation Mission Lifeline International e.V. um ihren Gründer Axel Steier an.
Reichelt stellte dabei die falsche Behauptung auf, Mission Lifeline werde von einem Verein finanziert, an dessen Spitze der Lebensgefährte von Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt steht. Das stimmt nicht. Die Vereinsvorsitzende Hermine Poschmann fürchtete deshalb etwa, dass Spender abspringen könnten. Sie forderte Unterlassung und Gegendarstellung.
Im Video Musik statt Reichelt-Worten
Mit einer einstweiligen Verfügung am 7. November setzten sie und ihr Anwalt Jonas Kahl sich durch. „Seenotretter bringt Reichelt ins Schwimmen“, titelte t-online. Wo damals der Beitrag stand, sieht man heute auf „nius.de“ eine leere weiße Seite. Auf YouTube gibt es das Video noch, aber mit zehn Sekunden Musik als Tonspur an der Stelle, an der Reichelt vorher die falsche Tatsachenbehauptung verbreitet hatte.
Nur: Die Gegendarstellung veröffentlichte Reichelt dort zunächst mit einem abgeänderten Text und lediglich in der Beschreibung unter dem Video. Zuschauer mussten auf „mehr“ klicken, um sie zu finden. Das war nicht das, was das Gericht von Reichelt und seiner Firma Rome Medien GmbH verlangt hatte. „Die Gegendarstellung genügt den Anforderungen des Beschlusses nicht“, entschied es jetzt im Zwangsvollstreckungsverfahren am 21. Februar (Az. 27 O 452/23).
Gegendarstellungen müssen die gleiche Aufmachung wie die angegriffene ursprüngliche Äußerung haben, sagt Jonas Kahl, der Anwalt von Mission Lifeline. Er hat den Eindruck, dass „die Gegenseite auszuloten versucht, wie weit sie im Hinblick auf das Thema Gegendarstellungen bei YouTube-Videos gehen kann und muss“.
Damit Reichelt die Vorgabe doch umsetzt, verhängte das Gericht auf Antrag von Poschmann das Zwangsgeld von 5.000 Euro, ersatzweise einen Tag Haft pro 500 Euro, also bis zu zehn Tage.
Die 5.000 Euro sind für Reichelt damit noch nicht verloren: Bringt er die Gegendarstellung wie vom Gericht verlangt, hat schließlich schon die Verhängung des Zwangsgeldes ihren Zweck erfüllt – unabhängig davon, ob der Beschluss aufgehoben werden sollte. Vereinsanwalt Kahl dazu: „Das Gericht hat die Zahlung unter den Vorbehalt gestellt, dass in dem Zeitraum noch keine Abhilfe geschaffen wurde, in dem das Zwangsgeld beigetrieben wird.“
Nachgebessert wurde bereits. Der Text der Gegendarstellung ist seit einigen Tagen zumindest mit dem vorgegebenen Wortlaut korrekt wiedergegeben und auch nicht mehr versteckt, sondern direkt unter dem Video und in einem angepinnten Kommentar. Reichelts Anwalt Joachim Steinhöfel vertritt die Ansicht, dass sich das Thema nach den Änderungen erledigt habe – die Gegendarstellung sei jetzt „entsprechend den Vorgaben veröffentlicht“, teilte er t-online mit.
Weiteres Zwangsgeld gegen Reichelt möglich
Gegen den Beschluss seien Rechtsmittel eingelegt worden und man habe keinen Zweifel, dass der Beschluss wegen der Erfüllung der Vorgaben aufgehoben werde. Er beantwortet die Frage nicht, ob es sich bei der vorherigen unzureichenden Umsetzung der Vorgaben um einen groben Fehler oder um einen dreisten Versuch handelte, damit durchzukommen. Solche Fragen zeigten ein „voreingenommenes, aktivistisches Eifern“.