Würde Donald Trump als US-Präsident Europa und die Ukraine im Stich lassen? Auf der Münchner Sicherheitskonferenz kam es darüber zu einem bemerkenswerten Schlagabtausch zwischen Grünen-Chefin Lang und einem US-Republikaner.
Eigentlich war die Münchner Sicherheitskonferenz schon fast vorbei. Doch am Sonntag, dem letzten Tag des dreitägigen internationalen Treffens, gab es zum Abschluss einen kleinen Knall: Auf der Podiumsdiskussion „Figuring Out Relationship Goals: The EU and Its Partners“ lieferte sich Grünen-Chefin Ricarda Lang einen Schlagabtausch mit dem angereisten Trump-Vertrauten J.D. Vance.
Der republikanische Senator des US-Bundesstaats Ohio war einer der wenigen Trump-Verbündeten, die überhaupt nach München gekommen waren. Viele Augen waren daher auf ihn gerichtet, um vorzufühlen, was von einem möglichen US-Präsidenten Trump zu erwarten ist. Vor einer Woche hatte Trump, der wahrscheinliche Präsidentschaftskandidat der Republikaner, bei einer Rede Russland dazu ermutigt, Nato-Länder anzugreifen, sollten diese nicht genug für ihre Verteidigung ausgeben. Die Äußerung hatte Entsetzen ausgelöst – und die Bündnistreue der Amerikaner infrage gestellt.
Bei dem Panel am Sonntag versuchte Vance nun rhetorisch abzurüsten und Vertrauen bei den Europäern zurückzugewinnen. Das klappte nur bedingt, denn beim Thema Ukraine fuhr er 1:1 die Trump-Linie. Grünen-Chefin Ricarda Lang, die neben Vance auf dem Podium saß, gab Kontra – und macht dem Trump-Verbündeten im Nachgespräch mit t-online schwere Vorwürfe.
t-online: Frau Lang, Sie haben sich gerade mit einem Verbündeten von Donald Trump, dem Republikaner J.D. Vance, auf offener Bühne angelegt. Wie haben Sie diese Diskussion empfunden?
Ricarda Lang: Ich fand es gut, dass der Austausch überhaupt stattgefunden hat. J.D. Vance ist einer der wenigen Trump-Verbündeten, die nach München gereist sind und sich einer offenen Diskussion gestellt haben. Auf der anderen Seite war das, was er gesagt hat, schon ziemlich skandalös.
Woran haben Sie sich am meisten gestoßen?
J.D. Vance hat versucht, die Trump-Äußerung von vor einer Woche bewusst herunterzuspielen. Er hat so getan, als habe der ehemalige US-Präsident nur allgemein über europäische Verteidigungsausgaben gesprochen. Aber Donald Trump hat Europa nicht aufgefordert, endlich mehr für seine Sicherheit zu tun. Er hat Putin signalisiert, dass er im Zweifel nicht hinter der Ukraine steht.
Sie haben in der Debatte mit J.D. Vance ordentlich dagegengehalten. Hatten Sie den Eindruck, dass der Republikaner feindselig gegenüber den europäischen Partnern der USA ist?
Nein. Er hat vielmehr versucht, um Verständnis für die Position der Republikaner zu werben und zugleich klarzumachen, was er von Europa erwartet.
Er sagte, auch die USA unter Trump würden Europa nicht im Stich lassen. Glauben Sie ihm?
Ich glaube, dass das seine Position ist. Ob er sie unter Trump durchsetzen könnte, sollte er noch einmal gewählt werden, ist aber eine andere Frage. Trump ist da viel widersprüchlicher. Er hätte die Nato in seiner letzten Amtszeit fast verlassen, insofern müssen wir auf alle Szenarien vorbereitet sein.
Beim Thema Ukraine war Vance recht klar: Ein Präsident Trump würde einen Deal mit Putin anstreben, sagte er sinngemäß, die Ukraine würde in der Folge in einen Diktatfrieden gezwungen. Was dachten Sie, als Sie das gehört haben?
Auch wenn die Position bekannt ist, war für mich schockierend, wie klar er es formuliert hat. Bei den Republikanern verrutscht da etwas, und das ist nicht erst seit gestern so. Es gibt nur noch wenige Stimmen bei den Republikanern, die es wagen, Trump öffentlich zu widersprechen. Vor zehn Jahren wäre das undenkbar gewesen: Dass ein möglicher Präsidentschaftskandidat dieser Partei sich hinstellt und Russland sagt: „Greif‘ ein Nato-Land an, ich werde nichts tun.“
Aber hatten Sie den Eindruck, dass Vance das Ukraine-Szenario zu Ende gedacht hat?
Nein. Was bei Vance und Trump offenbar noch nicht angekommen ist: Selbst wenn sie ihre Unterstützung für die Ukraine einstellen und auf einen Deal mit Putin hoffen würden, führt das nicht zu einem stabilen Frieden. Im Gegenteil: Die Gefahr ist, dass Putin den Krieg zu seinen Bedingungen fortsetzt, bis er die gesamte Ukraine erobert hat. Damit würde Trump die Ukraine aufgeben. Das ist das Gegenteil von verantwortungsvoller Politik.