Berlin Der Vorschlag von Finanzminister Christian Lindner (FDP) für ein neues Handelsabkommen zwischen der EU und den USA stößt auf Zustimmung. Die Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenhandel, Lisandra Flach, hielte ein Neuauflage von TTIP für „ökonomisch äußerst hilfreich“. Sollte sich etwa China an die Seite Russlands stellen und womöglich als Wirtschaftspartner in Europa ausfallen, seien die Folgen kurzfristig zwar drastisch. Aber: „Ein neues TTIP könnte eine Abkopplung Chinas abfedern.“
Allerdings hält die Ökonomin eine Neuauflage für politisch unwahrscheinlich, nicht nur wegen der protektionistischen Haltung der USA. Die deutsche Ampelkoalition will neue Handelsabkommen nur noch in Kombination mit hohen Umwelt- und Sozialstandards schließen. „Legt sie stets so hohe Requirements an, dass gar keine Abkommen mehr zustande kommen, ist nichts erreicht. Dann wird aus der Strategie ebenfalls Protektionismus.“
Lesen Sie hier das Interview:
Frau Flach, was würde ein europäisch-amerikanisches Handelsabkommen bringen?
Ein Handelsabkommen wäre ökonomisch äußerst hilfreich. Die USA sind der wichtigste Handelspartner für die EU und andersherum. Eine Neuauflage von TTIP wäre additionally eine Win-win-State of affairs. Und es wäre ein deutliches Sign der Stärke und Entschlossenheit der westlichen Welt. China hat 2020 mit dem Asien-Pazifik-Abkommen den größten Freihandelspakt aller Zeiten abgeschlossen, während in der EU beim Thema Handel seit Jahren nichts vorangeht.
Mit der Abkopplung von Russland stellt sich auch die Frage, ob wir langfristig auf China als Handelspartner setzen können. Könnte ein verstärkter Handel mit den USA ein Ende der Wirtschaftsbeziehungen mit China kompensieren?
Kurzfristig nicht. Eine Abkapselung von China wäre für Europa ein schwerer Schlag, weil reihenweise Lieferketten zusammenbrechen würden. Aber nach einiger Zeit könnte ein Handelsabkommen mit den USA die Folgen deutlich abmildern. Natürlich nicht alle, aber viele Handelsströme könnten umgelenkt werden. Ein neues TTIP könnte eine Abkopplung Chinas abfedern.
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Aber ist Europa nicht abhängig von chinesischen Importen?
Die Verflechtungen zwischen China und Europa sind sehr eng, und deswegen hätte eine abrupte Abkopplung stark destructive Folgen. Aber insbesondere, wenn wir uns kritische Güter anschauen, sind wir weniger abhängig, als viele denken.
Drei Viertel der kritischen Güter, die Deutschland importiert, kommen direkt aus Europa. Dazu gehören Metalle wie Kupfer oder Nickel, chemische Produkte, Elektronik oder Motoren. Aus China kommen nur drei Prozent der kritischen Güter, aus den USA hingegen sieben Prozent. Ein Abbau der Handelsbarrieren durch ein neues Abkommen könnte es für Europa verkraftbar machen, auch auf die drei Prozent aus China zu verzichten.
Halten Sie eine Neuauflage von TTIP für realistisch?
Nein, das halte ich aus politischen Gründen für unwahrscheinlich. US-Präsident Joe Biden magazine bei seinem Amtsantritt als große Hoffnung wahrgenommen worden sein. Aber in der Handelspolitik agiert er ähnlich protektionistisch wie sein Vorgänger Donald Trump.
Die Vorkommnisse in der Ukraine dürften auch Bidens Sicht auf die Welt verändert haben.
Der Krieg steigert sicherlich die Chancen für ein neues TTIP. Es müsste vermutlich aber noch mehr passieren, dass die USA in der Handelspolitik eine solche Kehrtwende hinlegen würden.
Könnte eine abgespeckte Model von TTIP die Chancen erhöhen?
Grundsätzlich schon. Die Frage ist aber, wie so etwas funktionieren soll. Trump hatte vorgeschlagen, das Abkommen nur für gewisse Wirtschaftsbereiche einzuführen. Das aber wäre nicht mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar.
Im Übrigen müsste auch die EU ihre Agrarzölle herunterfahren – was auf massiven Widerstand der Bauern-Foyer treffen dürfte. Mehr als der vor ein paar Monaten gestartete Handels- und Technologie-Rat (TTC) zwischen den USA und der EU ist wohl aktuell nicht drin.
Hinzu kommt, dass die deutsche Regierung ein neues Abkommen wohl noch ausweiten würde. Die Ampelkoalition will neue Handelsabkommen nur noch in Kombination mit hohen Umwelt- und Sozialstandards schließen.
Das ist grundsätzlich eine lobenswerte Idee. Bloß muss die Regierung aufpassen, dass sie es nicht übertreibt. Legt sie stets so hohe Requirements an, dass gar keine Abkommen mehr zustande kommen, ist nichts erreicht. Dann wird aus der Strategie ebenfalls Protektionismus. Daher scheint mir eine Neuauflage von TTIP nicht nur wegen der USA unwahrscheinlich.
Ungeklärt ist auch die Zukunft des Abkommens mit Kanada, das bislang nur vorläufig in Kraft getreten ist. Das Bundesverfassungsgericht hat nun die letzten Klagen gegen Ceta abgewiesen. Sollte die Regierung das Abkommen jetzt ratifizieren?
Das wäre wünschenswert. Zwar hat sich der Handel zwischen der EU und Kanada schon jetzt deutlich verstärkt. Aber eine Ratifizierung würde vor allem rechtlich noch offene Fragen klären. Das würde insbesondere Investitionen deutlich erleichtern.
Mehr: TTIP-Neuauflage: Lindner fordert neues Freihandelsabkommen mit den USA