Eine Regierung mit Beteiligung der Grünen stimmte die Biobauern zuversichtlich. Doch zwei Jahre später ist wenig passiert. Bioland-Präsident Plagge über seine Enttäuschung.
Auf den Bauerndemos in ganz Deutschland wurde in den vergangenen Wochen der Frust der Landwirte deutlich. Dabei geht es um mehr als die geplante Rücknahme des Agrardieselprivilegs. Die Wut reicht von wachsenden Bürokratiebergen, über Regelungen der Europäischen Union bis hin zu Vorgaben für mehr Umwelt- und Tierschutz.
Den Biobauern kommen manche dieser Vorgaben eigentlich gelegen, denn sie erfüllen sie bereits und haben somit einen Wettbewerbsvorteil. Doch auch der Anbauverband Bioland ist mit dem Handeln der Bundesregierung unzufrieden.
Im Interview mit t-online erklärt Verbandschef Jan Plagge, warum er Finanzminister Christian Lindner zuletzt nur schwer zuhören konnte, wie eine Tierwohlabgabe das schlechte Gewissen der Deutschen beruhigen könnte und weshalb er bei aktuellen EU-Diskussionen einen Aufschrei der Kunden vermisst.
t-online: Herr Plagge, wie wütend sind Sie?
Jan Plagge: Ich bin sehr enttäuscht. Als die Ampelregierung vor zwei Jahren übernommen hat, lag der Ball auf dem Elfmeterpunkt. Doch sie haben ihn verschossen.
Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat damals ihre Ergebnisse präsentiert und damit einen konsensfähigen Vorschlag unterbreitet, was im Agrarsektor geändert werden muss. Wenn sich die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann dann in dieser Woche hinstellt und sagt, es gebe kein Ideen-, sondern ein Umsetzungsproblem, kann ich nur zustimmen. Aber dass die Bauern erst auf die Straße gehen müssen, damit Bewegung in die Sache kommt, das ärgert mich.
Bei den Bauernprotesten haben die meisten Reden und auch die Aufschriften auf den Traktoren die Situation in der konventionellen Landwirtschaft kritisiert. War trotzdem Platz für die Belange der Biobauern?
Ja, es waren auch viele Biobauern vor Ort. Die Kürzungspläne der Regierung, etwa die Abschaffung der Agrardieselbeihilfe, trifft uns genauso. Vor allem ging es bei den Protesten auch darum, den Reformstillstand anzuprangern.
Bei den Protesten gab es auch eine Reihe von rechten Plakaten, einige Demonstranten hängten eine Ampel an einen mitgebrachten Galgen, Autos waren teils mit Reichsfahnen behängt. Werden die Bauerndemos instrumentalisiert?
Diese Demos finden nicht im luftleeren Raum statt, sondern in einer gesamtgesellschaftlichen Situation, in der Rechte mit ihrem widerlichen Gedankengut versuchen, legitime Proteste zu kapern. Viele Teilnehmer und auch die Organisatoren haben sich klar davon abgegrenzt. Um es ganz klar zu sagen: Bauern sind für rechtsextreme und menschenfeindliche Gedanken nicht anfälliger als andere Gruppen. Wir müssen als gesamte Gesellschaft lauter werden und Antidemokraten widersprechen.
Sie haben für Samstag auch eine eigene Demo angekündigt. Warum?
Das machen wir, gemeinsam mit den anderen Trägern, jedes Jahr zur Grünen Woche. „Wir haben es satt!“, lautet der Slogan, denn wir sind unzufrieden mit der deutschen und europäischen Agrarpolitik. Höfe sterben, der Trend geht zur Agrarindustrie. Bauern befinden sich in immer strikteren Abhängigkeiten. Es herrscht eine einseitige Marktmacht des Handels. Viele Bauern fühlen sich ohnmächtig. Darauf wollen wir aufmerksam machen und erhoffen uns gerade in diesem Jahr eine breite, bunte Unterstützung.
Zur Person
Jan Plagge hat in München Agrar- und Gartenbauwissenschaften studiert. Danach arbeitete als Berater für ökologischen Land- und Gartenbau. Seit 2021 ist er Präsident des Anbauverbandes Bioland. Zuvor hatte er bereits seit 2011 den Verband als Geschäftsführer geleitet. Zudem ist er Vorstand im Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) sowie der IFOAM Organics Europe.
Inwiefern sind die Bauern vom Handel abhängig?
Es ist derzeit gang und gäbe, dass die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse von oben nach unten gebildet werden. Das heißt, der Handel und die verarbeitenden Firmen handeln Preise aus und was übrig bleibt, landet beim Landwirt. Das ist mal mehr und mal weniger, aber so können Landwirte schlecht planen.
Was müsste sich ändern?
Das europäische Kartellrecht ermöglicht mittlerweile, dass sich Landwirte, verarbeitende Industrie und Handel gemeinsam auf auskömmliche Preise einigen können, wenn entsprechende Auflagen für Klima- und Tierschutz erfüllt werden. Das umzusetzen, daran arbeiten wir aktuell, aber brauchen noch mehr Rückenwind aus dem Handel. Von der Politik brauchen wir vor allem feste Finanzierungszusagen.
Über welche finanziellen Dimensionen sprechen wir da?
Die sogenannte Borchert-Kommission hat berechnet, dass der Umbau auf artgerechte Tierhaltung zwischen drei und vier Milliarden Euro jährlich kosten würde. Das könnte aber über eine Umlage finanziert werden. Das ist jahrelang bekannt, aber es fehlt am Handlungswillen in der Koalition.