Für Tui ist der russische Anteilsbesitz aus mehreren Gründen heikel.
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Düsseldorf Mit dem Verkauf seines Aktienpakets an Ehefrau Marina sichert sich Tui-Großaktionär Alexej Mordaschow seinen Einfluss bei Europas größtem Reisekonzern. Und das, obwohl die EU den russischen Oligarch am 28. Februar wegen des Ukrainekriegs auf die Sanktionsliste setzte.
Lothar Harings, Vorsitzender des Europäischen Boards für Außenwirtschaft, bestätigte dem Handelsblatt: „Die Ehefrau unterfällt nicht automatisch den Beschränkungen, da es nach deutschem und europäischem Rechtsverständnis keine Sippenhaft gibt.“
Damit dürfte die von Marina Mordaschowa kontrollierte und auf Zypern registrierte Firma Unifirm, die aktuell 29,9 Prozent der Anteile an Tui hält, weiterhin Aufsichtsräte stellen, auf Hauptversammlungen mitbestimmen und Dividenden kassieren, sollten diese wieder gezahlt werden.
Nur wenige Stunden vor Inkrafttreten der EU-Sanktionen hatte Alexej Mordaschow, Chef des russischen Stahlkonzerns Serverstal, den Tui-Anteil von Unifirm von 34 auf 29,9 Prozent reduziert, wobei er 4,01 Prozent dem eigenen Stahlkonglomerat übergab.
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Im zweiten Schritt tauschte er die Gesellschafter hinter Unifirm aus. In einer Pflichtmitteilung nannte er die Briefkastenfirma Ondero auf den britischen Jungferninseln, deren Eigentümer bis Freitag anonym blieben. Weil der Weiterverkauf unterhalb der Anteilsschwelle von 30 Prozent erfolgte, konnte sich Ondero ein Pflichtofferte gegenüber den übrigen Tui-Aktionären sparen.
Reisebüros kündigen Tui-Boykott an
In einer Presseerklärung schrieb Tui, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz werde „hinsichtlich der Wirksamkeit der gemeldeten Transaktion ein Prüfverfahren nach dem Außenwirtschaftsgesetz gegenüber der Ondero Restricted“ einleiten. Das Ministerium habe Tui mitgeteilt, dass bis zum Abschluss dieses Verfahrens die Transaktion „schwebend unwirksam“ sei und die Stimmrechte der Unifirm Restricted nicht ausgeübt werden dürfen.
„Die Behörden werden sehr genau prüfen, ob hier nicht nur vordergründig ein Wechsel erfolgt ist und Frau Mordaschowa nur als Strohfrau fungiert, während die Kontrolle tatsächlich noch bei der gelisteten Particular person liegt“, erläutert Sanktionsexperte Harings. Er ist als Rechtsanwalt in der Wirtschaftskanzlei GvW Graf von Westphalen tätig. „Wenn jedoch die tatsächlichen Umstände für diese Vermutung nichts hergeben, ist das rechtlich hinzunehmen“, fürchtet er.
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Tatsächlich scheint die Prüfung heikel. Die Bundesfinanzaufsicht BaFin, die in Deutschland den Wertpapierhandel kontrolliert, erklärte sich auf Handelsblatt-Anfrage für nicht zuständig. Die Sanktionsüberwachung sei Angelegenheit einer Taskforce bei der Bundesbank in Frankfurt. Doch das dort eingerichtete „Servicezentrum Finanzsanktionen“ ließ mehrere Anfragen des Handelsblatts in dieser Causa unbeantwortet.
Für Tui ist der russische Anteilsbesitz aus mehreren Gründen heikel. Zum einen wird das Unternehmen ausgerechnet vom deutschen Staat – und damit vom Steuerzahler – mit insgesamt 4,3 Milliarden Euro gestützt. Zum anderen kündigten erste Reisebüros in Mails, die dem Handelsblatt vorliegen, einen Verkaufsboykott gegen Tui an. Selbst der Reisebüroverband VUSR, der üblicherweise eine kritische Distanz zu dem Reisekonzern unterhält, sah sich in einer Stellungnahme veranlasst, seine Mitglieder zur Mäßigung aufzufordern.
Marina Mordaschowa hält mittlerweile über die Gesellschaft Ondero Restricted 29,9 Prozent der Aktien an dem Reisekonzern hält.
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Mordaschow selbst hatte in einem Schreiben ans Handelsblatt das „Blutvergießen“ in der Ukraine kritisiert, die Wörter „Krieg“ oder „Putin“ jedoch vermieden. Er selbst habe mit den Spannungen zwischen den beiden Ländern „absolut nichts“ zu tun, erklärte er, weshalb er die Sanktionen gegen sich nicht verstehen könne.
Nach einem Bericht von „Enterprise Normal“ und anderen On-line-Medien handelt es sich bei Marina Mordaschowa um die dritte Ehefrau des Oligarchen. Der Deal könnte von ihrem Ehemann in Zukunft allerdings wieder rückgängig gemacht werden, wenn sich die Lage ändert. „Eine Listung in einer Embargoverordnung erlaubt nicht die dauerhafte Entziehung von Vermögensrechten“, erklärt Sanktionsexperte Harings, „sondern beschränkt nur temporär die Verfügungsbefugnis.“
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