Zur guten Journalistenpflicht gehört, dass man Quellen prüft, vergleicht und abwägt, Experten zurate zieht und in erster Linie der Objektivität verpflichtet ist. Wir haben bereits zwei Zäsuren in der Berichterstattung erlebt. Die erste entstand durch die sozialen Medien, die nicht verpflichtet sind, zunächst Quellen zu prüfen, Zweitstimmen einzuholen und verantwortungsvoll mit Informationen umzugehen.
Wir haben uns daran gewöhnt. Die zweite Zäsur brachte uns die Coronapandemie. Medien wurden diskreditiert, verunglimpft. Das aufzuarbeiten, dazu gehört sicher auch ein Stück Selbstkritik, denn die Meinungsvielfalt hat deutlich gelitten.
Doch was seit vergangenem Freitag die Welt umtreibt, ist eine einzige Katastrophe für die Meinungsfreiheit. Der russische Präsident Putin droht Medienvertretern mit 15 Jahren Haft, wenn sie ihrer journalistischen Arbeit nachgehen und damit möglicherweise nach seiner Lesart „Falschinformationen“ über die russischen Streitkräfte veröffentlichen. Damit ist die schärfste Kind von Zäsur erreicht. Diese Zensur trifft nicht nur russische Journalistinnen und Journalisten, sie betrifft auch alle ausländischen Medien.
Genau dort, wo Journalisten aus aller Welt jetzt sein sollten, dürfen sie die brennendsten Themen nicht anpacken, ohne Gefahr zu laufen, dafür ins Gefängnis zu gehen. Den einen, additionally den kritischen russischen Sendern sowie der Deutschen Welle, wurden die Möglichkeiten genommen, Berichte zu verbreiten. Die anderen, von ARD über ZDF und BBC bis CNN, stellen ihre Berichterstattung zunächst einmal ein.
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Klar ist für die Medienhäuser: Sie müssen und wollen ihre Mitarbeitenden schützen. Die Rechtsunsicherheit für sie könnte nicht größer sein. Das kann man als vorauseilenden Gehorsam oder auch als Protest verstehen. Die offene Frage: Wem schadet was mehr? Sicher ist: Die Suche nach der Wahrheit wird auf der Strecke bleiben.
Doch wie soll es jetzt weitergehen? Sich auf die sozialen Medien zu verlassen ist keine gute Idee, auch wenn sie derzeit manche Informationen – mit dem Zusatz ungeprüft – überhaupt erst ermöglichen. Der wichtigste Schritt muss daher sein, dass Journalisten ihre in den Jahren vor Ort gesammelten Kontakte beibehalten. Sie müssen die Bürger um Mithilfe bitten, ohne diese zu gefährden. Das ist eine große Herausforderung.
Aber es ist derzeit der einzige Weg, überhaupt noch Informationen sammeln zu können. Würden unsere Sender, Zeitungen und Digitalkanäle nur noch die russischen Verlautbarungen zitieren, hätten wir die Suche nach der Wahrheit endgültig aufgegeben.
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