Inka Bause macht aus ihrer DDR-Sozialisierung keinen Hehl – im Gegenteil. Die Moderatorin sorgt sich um Deutschland und übt im Interview mit t-online Kritik.
Der Aufstieg der AfD bereitet ihr Sorgen. Deshalb hat Inka Bause genug davon, ruhig zu sein. Im Interview mit t-online bricht sie ihr Schweigen – und findet deutliche Worte in Richtung der verantwortlichen Politik, aber auch mit Blick auf ihre eigene Zunft. Die 55-jährige Moderatorin, aufgewachsen in Sachsen, appelliert an ihre Kollegen, die Stimme zu erheben und sich angesichts der anstehenden Wahlen im Land klar zu positionieren.
t-online: Sie sind in der DDR aufgewachsen, Frau Bause. Was empfinden Sie, wenn Sie wie zuletzt nach den EU-Wahlen die komplett blau eingefärbten neuen Bundesländer sehen?
Inka Bause: Ich war tagelang traurig, niedergeschlagen und ratlos. Es war leider keine Überraschung und abzusehen. Ich bin ja immer viel in Deutschland unterwegs – und das mit offenen Augen und immer interessiert am Gespräch mit den Menschen. Genau das würde ich übrigens einer bestimmten Berufsgruppe sehr ans Herz legen. Vor der nächsten regulären Bundestagswahl ist nicht mehr sehr viel Zeit.
Sie meinen Politikerinnen und Politiker unseres Landes? Dabei betonen diese doch immer, wie oft sie sich in den direkten Bürgerdialog begeben. Haben Sie das Gefühl, dass die Sorgen und Nöte der Menschen von der Politik nicht ausreichend ernst genommen werden?
Ja, das Kind ist in den Brunnen gefallen. Jetzt haben wir es mit den Kindern einer zum Großteil wenig wertgeschätzten Generation zu tun. Nur ein Beispiel: Meine Tante, die in Dortmund gelebt hat, arbeitete zeitweise als Reinigungskraft und hat zwei Kinder großgezogen, mein Onkel hat in der Zeche gearbeitet. Beide hatten irgendwann ihr Häuschen und eine gute Rente beziehungsweise Betriebsrente. Mit 60 wurden dann die Lebensversicherungen ausgezahlt.
Worauf wollen Sie hinaus?
Sehen Sie sich mal bei dieser Generation im Osten um. Betriebsrente? Welcher Betrieb? Wurde abgewickelt! Lebensversicherung? Niente.
Aber es gibt doch auch Menschen in Bitterfeld, die ein Haus erben.
Ja, allerdings ohne West-Standard und mit null Wiederverkaufswert. Wer will denn dahin? Und dann höre ich mir an: Warum sind die denn nach der Wende nicht einfach in den Westen gegangen? Weil sie kein Geld hatten, zu alt waren, weil sie ihre Heimat nicht verlassen wollten, ihr soziales Umfeld, weil sie einen Beruf gelernt haben, der nicht mehr gebraucht wurde, den es im Westen so gar nicht gab? Kfz-Schlosser aus dem Osten, Sekretärin im Finanzamt? Meinem Vater hat man gesagt, er würde Ostmelodien komponieren …
Inka Bauses Vater war in den Siebziger- und Achtzigerjahren in der DDR ein erfolgreicher Schlager- und Pop-Komponist. Im Jahr 2003 ist er im Alter von 66 Jahren gestorben.
Ist das also die Erklärung für den Erfolg der AfD in den neuen Bundesländern?
Dieses Konstrukt stärkt sich an den Sorgen und Ängsten der Menschen in schwierigen Zeiten und Krisen. Irgendwie klingt das bedrohlicherweise vertraut. Aber ganz wichtig: Alles, was nach Meinung vieler Ostdeutscher seit knapp 35 Jahren falsch läuft, rechtfertigt für mich nicht das Wählen der Blauen, die ihre Wurzeln und größten Spender im Westen haben. Es hätte genügend andere Möglichkeiten bei der Wahl gegeben, seinen Unmut zu zeigen – dann doch besser Kleinstparteien wie „Menschliche Welt für das Wohl und Glücklichsein aller“ oder die „Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung“.
Sie moderieren seit nunmehr fast 20 Jahren „Bauer sucht Frau“. Glauben Sie, dass viele Städter den Respekt vor dem Landleben verloren haben und dies zu einer politischen Entfremdung beiträgt?
Nicht nur vor dem Landleben … Die Wurzel der Entfremdung sind immer Desinteresse, Angst vor dem Unbekannten und der fehlende Respekt vor der Arbeit anderer. Wir haben im Allgemeinen das Interesse an unserem Gegenüber verloren. Wer interessiert sich dafür, wie viel Mühe es macht, artgerecht ein Tier großzuziehen und ein Feld zu bestellen? Warum ist dann aber Hafermilch teurer als Kuhmilch, ein veganer Fleischersatz teurer als ein Schnitzel? Und warum lasse ich für einen Hungerlohn jemanden anderen mit dem Fahrrad durch den halben Bezirk radeln, weil ich vergessen habe, Minze für den Caipi zu kaufen?
Sie scheinen keine Freundin der Devise zu sein, „der Markt reguliert sich selbst“ …
Ich erwarte von einer Regierung, sich schützend vor sein Volk zu stellen und regulierend einzugreifen. Was habe ich mit Glyphosat im Boden, zu viel Antibiotikum im Tierfutter und Kunststoff im Wasser zu tun? Ich fühle mich nicht gegängelt, wenn das jemand für mich regelt und verbietet. Wir alle sind das System.