Eigentlich hatten die San Francisco 49ers im Draft vor der Saison 2022 nicht vorgehabt, einen Quarterback auszuwählen. Dennoch entschieden sie sich, Brock Purdy zu nehmen – ein Glücksgriff an Position 262.
Die Uhr tickte unerbittlich runter, es waren nur noch wenige Minuten, bis die San Francisco 49ers erklären mussten, welchen Spieler sie mit dem letzten Pick des gesamten Drafts der National Football League (NFL) Ende April 2022 auswählen. Cheftrainer Kyle Shanahan hatte dafür einen Spieler ganz klar im Visier: Quarterback Brock Purdy.
Den jungen Quarterback hatten die 49ers als einen Spieler eingeschätzt, den es sich schon in der vierten Runde zu holen lohnte. Und bis kurz vor Ende der siebten Runde hatte kein Team zugeschlagen, nur die 49ers hatten noch einen Pick. Doch eigentlich brauchte das Team keinen weiteren Spielmacher.
Schon zwei gute Quarterbacks unter Vertrag
Trey Lance hatten die 49ers im Jahr zuvor als dritten Spieler des gesamten Drafts ausgewählt. Und mit Jimmy Garoppolo war das Team gerade einmal 15 Monate zuvor in den Super Bowl eingezogen. Allerdings verloren sie da 20:31 gegen jene Kansas City Chiefs, die in der Nacht auf Montag (0.30 Uhr MEZ) erneut ihr Gegner sind.
Doch bestärkt durch John York, den Co-Chairman des Teams, setzte sich Shanahan gegen den Widerstand anderer Personen im sogenannten „War Room“ durch – dort, wo alle Informationen über die infrage kommenden Spieler gesammelt und bewertet werden.
San Francisco sicherte sich also die Dienste des Quarterbacks mit dem 262. und zugleich letzten Pick im Draft. Purdy war somit „Mr. Irrelevant“, wie der letzte im Draft gewählte Spieler traditionell genannt wird. Die Bezeichnung ist darauf zurückzuführen, dass der letzte Pick fast nie eine bemerkenswerte NFL-Karriere hinlegt. Bei Purdy ist das jedoch ganz anders. Er sei „Gott dankbar“ dafür, dass die Entscheidung so gekommen sei, sagte Shanahan rückblickend letzte Woche dem wohl renommiertesten Football-Reporter, Peter King.
Extrem gute Spielübersicht
Purdy gilt weder als besonders guter Athlet noch hat er den besten Wurf-Arm. Aber dafür besitze er laut Shanahan „eine von Gott gegebene Eigenschaft: Spielübersicht“. Zudem sei sein Quarterback eine der „zuversichtlichsten und bescheidensten Personen, die je um mich herum war.“
Und schlagfertig ist Purdy obendrein. Nachdem der ehemalige Quarterback Cam Newton gelästert hatte, dass Purdy nur der zehntbeste Spieler der 49ers sei, entgegnete ihm Purdy: „Cam hat vielleicht recht damit. Aber ich weiß, dass es über 90 Quarterbacks (Ersatzspieler mitgezählt, Anm. des Autors) in der NFL gibt. Und Cam ist keiner davon.“
Damit spielte er darauf an, dass Newton seit zwei Jahren erfolglos versucht, wieder ein Team zu finden. Vor acht Jahren hatte er noch die Carolina Panthers in den Super Bowl geführt, dort aber mit 10:24 gegen die Denver Broncos mit Quarterback-Legende Peyton Manning verloren.
Zunächst nur Quarterback Nummer drei
Im Trainingscamp vor der Saison 2022 zeigte Purdy sehr gute Ansätze. Shanahan habe ihm nach einer Woche gesagt, dass Purdy besser sei als Lance und Garoppolo, erinnert sich CEO Jed York. Doch weder er noch sein Cheftrainer dachten damals daran, wie schnell sich Purdy beweisen musste. Bei der Partie in Woche zwei verletzte sich Lance, in Woche 13 dann Garoppolo. Beide fielen für den Rest der Saison aus.
Die 49ers waren mit achten Siegen bei drei Niederlagen in die Partie gegen die Miami Dolphins gegangen. Purdy überzeugte sogleich als Quarterback und San Francisco gewann 33:17. Auch in den restlichen fünf Partien der regulären Saison sowie bei den Heimspielen in den Playoffs gegen Seattle Seahawks und die Dallas Cowboys führte Purdy sein Team zum Erfolg. Sein erster Sieg als Starter war dabei gegen keinen Geringeren als Tom Brady (Tampa Bay Buccaneers).
Doch dann der Schock: Im Halbfinale bei den Philadelphia Eagles zog sich Purdy noch im ersten Spielviertel einen Bänderriss im rechten Ellenbogen zu. San Francisco verlor am Ende 7:31 – auch weil nach Purdy auch dessen Ersatz Josh Johnson mit einer Gehirnerschütterung ausfiel.