Wer früh beginnt, Cannabis zu konsumieren, verändert sein Leben unwiederbringlich. Ein junger Mann tat dies 15 Jahre lang und fragt sich heute, warum eigentlich?
Am 1. April ist für Cannabiskonsumenten in Deutschland eine neue Zeit angebrochen. Vor dem Brandenburger Tor trafen sich Tausende Menschen, um gemeinsam zu kiffen. Besitz und Anbau von Cannabis sind seitdem in Deutschland für Erwachsene keine Straftat mehr.
Jonas war nicht dabei. Der 34-Jährige hatte kurz zuvor entschieden, mit dem Kiffen aufzuhören. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sein halbes Leben lang exzessiv Cannabis konsumiert, doch jetzt wollte er endlich loskommen von der Droge.
Jonas heißt eigentlich anders. Seine Drogengeschichte hat er auf seinem eigenen YouTube-Kanal erzählt. Nach 15 Jahren Dauerkonsum nun 30 Tage ohne „Weed“, wie Cannabis unter Konsumenten auch genannt wird. „Das war sehr unangenehm“, sagt Jonas im Video über seinen Entzug. Warum er diesen öffentlich machte, weiß er auf Nachfrage von t-online nicht mehr so recht. Im März nahm er seine Kamera und filmte sich, wie er durch den Wald spazierte und über seine neue Nüchternheit sprach: Dass er schlecht einschlafe und heftige Albträume habe, von denen er schreiend wieder aufwache.
Schlimmer noch seien jedoch die „unfassbaren Depressionen“ im Entzug gewesen, die ihm „jegliche Lust am Leben geraubt“ hätten. Jonas lud das Video unter dem Pseudonym „sheeriolife“ ins Netz. Dort haben es mehr als hunderttausend Menschen angeschaut. Viele teilen darunter ihre eigenen Geschichten mit der Droge. Einige sagten ihm, sie wollten seinetwegen auch aufhören zu konsumieren. „Das motiviert mich, den Entzug weiter durchzuziehen.“
Anstieg von problematischem Marihuana-Konsum in Deutschland
Deutschland verzeichnet seit Jahren einen Anstieg des Cannabiskonsums. 4,5 Millionen Deutsche haben in den vergangenen 12 Monaten Gras konsumiert. So steht es im „Jahrbuch der Sucht 2024“ der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). 30 Prozent der Konsumenten schätzen ihren eigenen Konsum als problematisch ein, wobei Männer nahezu doppelt so häufig betroffen sind wie Frauen. Der DHS hat einige Risikofaktoren identifiziert, die zu einer sogenannten „Cannabiskonsumstörung“ führen können. Dazu zählen „ein frühes Einstiegsalter, intensiver Konsum und Co-Konsum mit Tabak.“
So fing es auch bei Jonas an, der in einer Großstadt in Westdeutschland aufwuchs und seine Jugend als „geile Zeit“ beschreibt. Als er mit 15 Jahren betrunken auf einer Party war, bot ihm ein Bekannter zum ersten Mal Gras an: „Ich habe es mit einem Freund ausprobiert und wir hatten viel Spaß dabei“, erinnert er sich. Mischkonsum ist gefährlich und kann zu Abstürzen mit akuten körperlichen und psychischen Folgen führen. Doch Jonas erlebte „einen angenehmen Rausch“, wie er sagt. Daraufhin rauchte er immer häufiger Cannabis, bis er mit 18 Jahren täglich kiffte.
Der Cannabis-Wirkstoff THC kann im jugendlichen Gehirn entscheidende Entwicklungsprozesse stören. Mögliche Folgen sind Lernschwierigkeiten, Psychosen, Depressionen und Ängste, sagen Experten. Betroffene sollen außerdem häufiger als andere die Schule oder das Studium abbrechen.
„Ich war kein Fan von Schule und Studium“, sagt Jonas heute. Die Schule schloss er ab und begann danach ein Marketingstudium in einer neuen Stadt. Doch im Studium machte er „viel Party“, jobbte im Einzelhandel und gab sein ganzes Geld für Gras aus. Nach zehn Semestern brach er das Studium ab, obwohl ihm nur noch zwei Kurse zum Abschluss fehlten.
Danach begann Jonas einen Job in einer großen Unternehmensberatung – und hörte dafür auf zu kiffen. Während er im Großraumbüro saß, seien seine Freunde auf Abenteuerreisen gegangen. „Ich hätte steile Karriere machen können, aber da ist mir der Kopf geplatzt.“ Er kündigte seinen Job – und begann wieder, Cannabis zu rauchen.
Jonas reiste durch Europa, lebte einige Zeit in Berlin und fuhr zwei Jahre lang mit einem Van durch die USA. Geld bekam er von seinen Eltern oder verdiente es in Minijobs. In Kalifornien arbeitete er auf Cannabisfarmen und war nebenbei selbstständig tätig. Er stand um fünf Uhr morgens auf, rauchte einen Joint und setzte sich dann in ein Café, um Webseiten zu bauen.