In ganz Deutschland sind am Samstag Hunderttausende für die Demokratie und gegen rechts auf die Straßen gegangen. Für Sonntag sind weitere Demonstrationen angemeldet.
Bundesweit werden am Sonntag erneut Zehntausende Menschen bei Demonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus erwartet. In Köln erwartet das aus mehr als 50 Parteien, Organisationen und Initiativen bestehende Bündnis „Köln stellt sich quer“ rund 10.000 Teilnehmer. In Berlin ist am Nachmittag ein Protest vor dem Bundestag geplant.
In München wurde die Demonstration gegen rechts mit mindestens 80.000 Menschen vom Organisator wegen Überfüllung abgebrochen. Die Sicherheit der Teilnehmer sei nicht mehr zu gewährleisten, hieß es.
In Bremen versammelten sich nach Schätzung der Polizei bis zu 45.000 Menschen zur Kundgebung „Laut gegen rechts“. Auch in vielen weiteren deutschen Städten sind Kundgebungen und Demonstrationen gegen rechts und gegen die AfD angemeldet, unter anderem in Chemnitz, Dresden, Flensburg, Bonn und Neubrandenburg. In Cottbus nahm Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) an einer Demonstration teil. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden im September neue Landtage gewählt. Umfragen zufolge könnte die AfD in allen drei Ländern teilweise mit deutlichem Abstand stärkste Kraft werden.
Bereits am Samstag hatten Zählungen der Polizei und der Veranstalter zufolge bundesweit insgesamt mindestens 300.000 Menschen demonstriert. Allein in Frankfurt am Main und in Hannover waren es nach Angaben von Polizei und Veranstaltern jeweils 35.000 Menschen.
Habeck: „Demokratie lebt von den Menschen, die dafür aufstehen“
Vizekanzler Robert Habeck wertet die Demonstrationen als ermutigendes Zeichen für die Demokratie. „Demokratie lebt von den Menschen, die dafür aufstehen“, sagte der Grünen-Politiker der „Augsburger Allgemeinen“. Es sei beeindruckend zu sehen, wenn jetzt viele Menschen „auf die Straße gehen und Flagge zeigen für unsere Demokratie“.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, bezeichnet die Demonstrationen als „gut und wichtig“, fordert zugleich aber weiteren Einsatz. „Wir brauchen ein gesamtgesellschaftliches Bündnis“, sagte die SPD-Politikerin „Zeit Online“. „Und das bedeutet mehr als ein paar Mal auf die Straße zu gehen.“ Alle müssten für die vielfältige Gesellschaft einstehen. „Das heißt, das Gespräch suchen: im Verein, am Arbeitsplatz, in der Familie und unter Freunden. All den rassistischen Sprüchen widersprechen, von denen immer behauptet wird, die wären gar nicht so gemeint.“
Am Samstagabend schrieb Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf der Plattform X, ehemals Twitter: „So viele Menschen, die Gesicht und Haltung zeigen – unsere Demokratie lebt von starken Demokraten wie Euch!“ Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, die aus Thüringen stammt, schrieb ebenfalls auf X: „Halle, Magdeburg, Spremberg, Luckenwalde, Eberswalde, Jena, Leipzig, Dresden, Erfurt, Potsdam. Überall im Osten sind Menschen für Demokratie auf der Straße, die wir 1989 erkämpft haben. Ermutigend! Freu mich über alle, die raus gegangen sind, aber besonders im Osten.“
Internationales Auschwitz Komitee dankbar
Das Internationale Auschwitz Komitee dankte den Menschen, die im ganzen Land protestierten. „Überlebende des Holocaust sind all denjenigen, die in diesen Tagen gegen den Hass und die Lügenwelt der Rechtsextremen auf die Straße gehen, mehr als dankbar. Sie empfinden diese Demonstrationen als ein machtvolles Zeichen der Bürgerinnen und Bürger und eine Belebung der Demokratie auf die sie lange gehofft und gewartet haben“, teilte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner mit.
Auslöser für die Proteste sind die Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten am 25. November, an dem AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.