Düsseldorf Dreizehn Jahre haben die deutschen Landwirte Torben Reelfs und Tim Nandelstädt auf ihrem Hof in der Westukraine gelebt und gearbeitet. Getreide und Ölsaaten bauten sie auf 1900 Hektar nahe Lwiw (früher Lemberg) mit 25 Mitarbeitern an. Dann kam die russische Invasion.
„Mit unseren Mitarbeitern saßen wir danach wie immer zur Morgenbesprechung zusammen, als ein Kampfjet über unsere Felder donnerte“, berichtet Reelfs. Über einen benachbarten Hof flog ein Marschflugkörper, der in einen Flugplatz einschlug.
Die Landwirte packten das Nötigste und konnten nach Polen fliehen. Ihr Lebenswerk und ihre Mitarbeiter mussten sie zurücklassen. „Unsere Leute wollten mit ihren Familien unbedingt dableiben, um ihr Land zu verteidigen. Die Ukrainer sind mutig und stark. Das bewegt und beeindruckt uns sehr“, sagt Reelfs, 41.
Beide haben ihren Leuten freigestellt, weiterzuarbeiten oder nicht. „Sie wollen die Felder so intestine es geht bestellen“, sagt Reelfs. Eingezogen wurde bisher erst ein Mitarbeiter für Straßenkontrollen.
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Reelfs und Nandelstädt verschlug es durch Zufall und Abenteuerlust in die Ukraine. Kennengelernt hatten sie sich im Zivildienst. Danach studierte Nandelstädt Landschaftsplanung. Reelfs, der von einem Bauernhof in Ostfriesland stammt, studierte Landwirtschaft. 2007 machten beide ein Praktikum in der Ukraine und arbeiteten dort danach als Erntehelfer.
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Zwei Jahre später hatten sie die Idee, einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Ukraine aufzubauen. Viele Felder lagen dort brach, weil die Kolchosen nach dem Ende der Sowjetzeit aufgelöst waren. 50 Dörfer besuchten sie, bis sie fündig wurden. „Auf uns hatte keiner gewartet, wir mussten uns überall durchboxen“, sagt Nandelstädt, 43.
Von Familie und Freunden sammelten sie je 100.000 Euro als Startkapital. „Damit hätten wir in Deutschland nie einen Hof übernehmen können“, sagt Reelfs. Damals zahlten sie 17 Euro Jahrespacht professional Hektar, in Deutschland waren ab 600 Euro üblich.
Sie fingen bei null an, mussten die Felder, die zehn Jahre brach gelegen hatten, mühsam wieder urbar machen. „Nach zwei Jahren waren wir quick pleite, doch dann haben wir es gepackt.“ Zuletzt bauten sie auf 1900 Hektar Raps, Weizen, Zuckerrübe, Körnermais, Soja und Gerste an. Die Ernte gelangt sonst per Zug zum Hafen nach Odessa, der nun dicht ist, und von da vor allem in arabische Länder.
Die Ukraine gilt als Kornkammer Europas. In diesem Jahr sollten laut einer Prognose des Worldwide Meals Coverage Analysis Institute zwölf Prozent des globalen Weizenexports aus der Ukraine kommen, 19 Prozent an Raps, 18 Prozent an Gerste und 16 Prozent des weltweiten Exports an Mais. Diese Lieferungen fehlen demnächst auf dem Weltmarkt.
Der zu erwartende Mangel hat die Preise in bisher unbekannte Höhen getrieben. Der Weizenpreis stieg zwischenzeitlich auf über 460 Greenback je Tonne – eine Verdoppelung seit dem Sommer.
Putins Krieg wächst sich zu einer Versorgungskatastrophe aus, nicht nur für die Ukraine, sondern für die halbe Welt. „Weitere Preisanstiege durch den Krieg werden die Ernährungslage für Millionen Menschen erheblich verschlimmern“, warnt die Welthungerhilfe. Zuvor hungerten bereits bis zu 811 Millionen Menschen. Die Lage könne auch zu sozialen Unruhen weltweit führen.
Diesel für die Feldarbeit geht aus
Reelfs und Nandelstädt setzen alles daran, ihre Felder notdürftig zu bestellen. Nach der Aussaat muss nun der Dünger aufgebracht werden. Das Drawback: Die Dieselvorräte gehen zur Neige, nur noch 3000 Liter sind übrig. Die beiden sind im Zwiespalt. Täglich würden sie gefragt, Diesel für Hilfstransporte zu spenden. „Das haben wir auch getan. Aber ohne Diesel können wir keinen einzigen unserer 900 Hektar Sommerkulturen bestellen“, sagt Torben Reelfs. „Und für die Winterkulturen können wir nicht den geplanten Pflanzenschutz aufbringen.“
Obwohl die Frühjahrsaussaat und damit ein großer Teil der Ernte so intestine wie abgeschrieben ist, zahlen sie Pacht und Löhne weiter. Selbst wenn bald wieder Frieden sein sollte, werde das Geld nicht reichen, um im kommenden Jahr alle Felder so zu bestellen wie geplant.
„Unsere verbliebenen finanziellen Mittel nutzen wir, um die Freiheit der Ukraine zu unterstützen“, sagt Reelfs. 120 Tonnen Brotweizen, insgesamt fünf Lastwagenladungen, haben sie für die Zivilbevölkerung in den umkämpften Regionen gespendet. Von Brandenburg aus organisieren sie Hilfstransporte in die Ukraine. „Wir können nicht nonetheless sitzen, müssen irgendwie helfen“, sagt Tim Nandelstädt.
Es mangelt an allem – Verbandszeug, Schmerzmittel, Insulin, Babynahrung, Stromgeneratoren. Mit der Organisation Kultus-verein.de haben sie spontan eine Spendenaktion für die Ukraine ins Leben gerufen. Ein erster Konvoi hat Sachspenden in die Ukraine gebracht und geflüchtete Frauen und Kinder aufgenommen. Für diese haben sie 50 non-public Unterkünfte organisiert. „Unser Betrieb ist erst mal Nebensache, es geht um Frieden und Freiheit“, sagt Reelfs.
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