Sahra Wagenknecht sieht AfD-Verbot auch nach rechter „Remigration“-Geheimkonferenz kritisch. Pikant: Die Politikerin traf selbst einen der Veranstalter.
Dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) werden gute Chancen nachgesagt, sich in der deutschen Parteienlandschaft zu etablieren. Dabei steht der Gründungsparteitag, der am 27. Januar in Berlin stattfinden soll, erst noch bevor. Programmatisch und personell ist sowieso noch vieles unklar.
Markus Lanz hatte mit Sahra Wagenknecht am Mittwochabend die Chefin und Namensgeberin der jungen Partei zu Gast in seiner ZDF-Talkshow und versuchte, Genaueres über das BSW in Erfahrung zu bringen. Die ehemalige Linken-Politikerin präsentierte die Neugründung bei ihrem Auftritt vor allem als „seriöse politische Adresse“ für Protestwähler, die aktuell ihr Kreuz bei der AfD machten – einer Partei, in der, so Wagenknecht, „Nazis sind und man sich auch mit Nazis trifft“.
- Sahra Wagenknecht, Parteivorsitzende Bündnis Sahra Wagenknecht
- Marcus Bensmann, „Correctiv“-Investigativjournalist
- Robin Alexander, stellvertretender „Welt“-Chefredakteur
Trotz dieser Diagnose stand die BSW-Chefin einem möglichen Verbotsantrag gegen die AfD sehr skeptisch gegenüber. Die Debatte sei „ein Geschenk an die AfD und ein Armutszeugnis für die Demokratie“. Zudem äußerte Wagenknecht Zweifel daran, dass sich der Rechtsradikalismus in der Gesellschaft ausgeweitet habe. Die Partei werde nicht wegen, sondern „trotz der Höckes und trotz der Nazis“ gewählt.
Wagenknecht sieht Schuld für AfD-Stärke bei Regierung
„Wir haben ganz viele Menschen, die sich völlig politisch heimatlos fühlen. Wir haben eine Regierung, die mit einer Überheblichkeit, einer Arroganz, einer Planlosigkeit die Leute im Grunde der AfD in die Arme treibt“, lautete Wagenknechts Erklärung für das Erstarken der Rechtspopulisten.
Von der Wählerschaft weg und in das Innere der AfD richtete Marcus Bensmann stattdessen den Blick. Bis tief in die Partei hinein sei man besessen von der Idee eines „monoethnischen Staates“, erklärte der Journalist des Recherchekollektivs „Correctiv“.
Das spendenfinanzierte Medium hatte mit seinen Enthüllungen zu einem Treffen rechter Akteure in Potsdam jüngst eine Welle des gesellschaftlichen Eintretens für Vielfalt und des Widerstands gegen die AfD in Gang gesetzt. Bei der geheimen Konferenz im November 2023 sollen in der brandenburgischen Hauptstadt im Beisein von Mitgliedern der AfD und der CDU-nahen Werteunion Pläne zur „Remigration“ besprochen worden sein.
Hinter dem Stichwort verbirgt sich die Idee, Ausländer sowie Deutsche mit Migrationshintergrund oder unwillkommenen Ansichten zu vertreiben bzw. zu deportieren. „Eine Partei, die mit diesen Gedanken spielt, ist eine Gefahr für uns alle“, resümierte Bensmann.
Geheimkonferenz-Organisator kontaktierte Wagenknecht
Pikant für Wagenknecht in diesem Zusammenhang: Zu der konspirativen Potsdamer Versammlung eingeladen hatte der pensionierte Düsseldorfer Zahnarzt Gernot Mörig – ein Mann mit eindeutig rechtsradikaler Vita und einer langjährigen persönlichen Verbindung zu der Politikerin, wie sich im Laufe der Sendung herausstellte.
„Ich kenne den. Der hat auch versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen, der hat mir mehrfach Mails geschrieben“, berichtete die BSW-Parteivorsitzende. Dabei blieb es offensichtlich nicht. Mörig habe vor etwa zehn Jahren ein „Abendessen mit einem linken Kabarettisten vermittelt“, erzählte Wagenknecht und fügte hinzu: „Ich war überhaupt nicht bösgläubig, dass der aus der rechten Szene kommt.“
Dass es sich bei dem erwähnten und von ihr bewunderten Kabarettisten um den mittlerweile nicht mehr auf der Bühne aktiven Volker Pispers handelte, bejahte die Politikerin. Mörig selbst habe ebenfalls an dem Abendessen in einem Restaurant teilgenommen. „Wenn mir jemand anbietet, dass ich einen Menschen treffen kann, den ich interessant finde, den ich hochrespektabel finde, dann freut mich das und dann mach ich das“, rechtfertigte sich Wagenknecht. Dass ihr vorher an die AfD gerichteter Vorwurf, sich mit Nazis zu treffen, so gewissermaßen auf sie selbst zurückfiel, schien Wagenknecht nicht weiter zu stören.
BSW-Konto bei Volksbank Pirna macht Lanz stutzig
Es war aber keineswegs die einzige Situation, in der sich die BSW-Vorsitzende rechtfertigen musste. Argwohn erregte in der Talkrunde auch die Tatsache, dass die junge Partei mit Sitz in Berlin und einem Schatzmeister aus Karlsruhe ihr Konto ausgerechnet bei der Volksbank Pirna eingerichtet hat. Das sächsische Geldhaus steht im Ruf, Extremisten aller Couleur von Pegida über russische Propagandisten und Verschwörungstheoretiker bis hin zur Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) eine finanzielle Heimat zu bieten.
„Das ist schon ein bisschen sehr viel Zufall“, kommentierte Investigativjournalist Bensmann die Situation. Der Chef der Bank sei, wie Wagenknecht, ein großer Kritiker der Russlandsanktionen sowie der amerikanischen Dominanz in Europa und sage, man müsse mehr auf Putin hören.
„Offensichtlich haben dort Organisationen, die es woanders schwer haben, gute Konditionen“, brachte Wagenknecht als Gegenargument hervor. Nachdem der stellvertretende Chefredakteur der „Welt“, Robin Alexander, die Russlandnähe im Entwurf zum Europawahl-Programm des BSW kritisiert und Moderator Markus Lanz gezielt nachgehakt hatte, sah sich die Parteivorsitzende dazu genötigt, zusätzlich klarzustellen: „Nein, wir kriegen kein Geld aus Russland, wir wollen auch kein Geld aus Russland.“