New York Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden geht davon aus, dass der weltweite Halbleitermangel mindestens bis zur zweiten Jahreshälfte 2022 andauern wird. Die Belastungen für die Wirtschaft, insbesondere für die Autoindustrie und die Unterhaltungselektronik, halten demnach an.
„Wir sind noch nicht einmal annähernd über den Berg, was die Lieferprobleme bei Halbleitern angeht“, sagte US-Wirtschaftsministerin Gina Raimondo am Dienstag. Ihre Einschätzung stützt sich auf eine von ihrem Ministerium erarbeitete Branchenumfrage unter mehr als 150 Unternehmen aus der Chiplieferkette.
Den Vorwürfen möglicher Preisabsprachen bei Chipkomponenten will Raimondo nachgehen: Während der aktuellen Lieferengpässe seien „ungewöhnlich hohe Preise“ verlangt worden. Der Ministerin zufolge haben Zwischenhändler vor allem in der Auto- und Medizintechnikbranche exorbitante Preise aufgerufen.
In den USA stehen die Vermittler zwischen Elektronikkonzernen und Halbleiterherstellern im Verdacht, sich an der Lieferkrise bereichert zu haben. Firmen wie Texas Devices haben daher begonnen, direkte Beziehungen zu den Chipproduzenten aufzubauen.
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Eine Hortung der Komponenten, um die Preise hochzutreiben, wie von manchen Beobachtern vermutet, kann der Regierungsbericht nicht erkennen. Der durchschnittliche Lagerbestand reiche bei den befragten Unternehmen nur für eine Produktion von fünf Tagen, so Raimondo. Vor der Krise genügte der Vorrat im Schnitt noch für 40 Tage.
Die Chipknappheit hat die Preise zahlreicher Konsumgüter angetrieben und ist eine der Hauptursachen für die hohe US-Inflation von zuletzt sieben Prozent. Sie setzt Präsident Biden vor den Zwischenwahlen im November unter Druck. Einen kurzfristigen Weg, um die Krise zu beenden, sieht das Weiße Haus nicht. Nötig seien ein verstärkter Austausch zwischen Chipherstellern und -käufern sowie der Aufbau eigener Fabriken in den USA, erklärte die Ministerin.
Der Hersteller Intel plant in Ohio bereits den Bau zweier gigantischer Produktionsstätten mit einem Investitionsvolumen in Höhe von 20 Milliarden Greenback. Auch in Deutschland, Frankreich und Italien will Intel Produktion auf- oder ausbauen.
Sinkende Autoproduktion
Besonders betroffen von der Krise ist die Autoindustrie. 2021 konnten Schätzungen zufolge weltweit mehr als zehn Millionen Autos aufgrund des Halbleitermangels nicht produziert werden. So dürfte es 2022 weitergehen. „Wir sehen eine gewisse Erleichterung für die Hersteller, aber das Drawback wird nicht so bald verschwinden“, sagte Analyst Sam Fiorani vom US-Beratungshaus Autoforecast Options. Es würden neue Kapazitäten in den Chipfabriken aufgebaut, aber: „Es wird noch zwei oder drei Jahre dauern, bis sich das auf das Angebot auswirkt.“
Der Lieferengpass veranlasste Ford bereits dazu, die Produktion zu drosseln: Im Februar soll sie um 150.000 Fahrzeuge auf etwa 700.000 sinken. Auch Toyota North America geht davon aus, dass die Februarproduktion um 25.000 bis 35.000 Fahrzeuge sinken werde, berichtet das Branchenmagazin „Automotive Information“.
In den USA hat die Krise deutliche Auswirkungen auf den Automobilmarkt. Es gibt praktisch keinen Bestand an Gebrauchtfahrzeugen mehr, Neuwagen sind häufig nur mit Aufpreis und nach langem Warten zu erhalten. Das ist für die Unternehmen aber nicht ausschließlich von Nachteil: Da die Autohersteller sich bei der Versorgung mit Chips auf höherpreisige Modelle konzentriert haben, sind nun überwiegend diese verfügbar. Die Margen der großen US-Produzenten professional verkauftem Pkw sind dadurch auf breiter Entrance gestiegen.
Mit Materials von Bloomberg.
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