Die Hansestadt Hamburg unterstützt die Ukraine mit der Bereitstellung von Minenräumfahrzeugen. Beim Export haben sie aber offenbar gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen.
Die Gefahr lauert im Verborgenen, im Wald, auf Feldern und Straßen: Ein Drittel der Fläche der Ukraine soll mittlerweile mit russischen Landminen bedeckt sein. Um sie davon zu befreien, hat vor kurzem die Hansestadt Hamburg, in Persona der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD), vor wenigen Wochen Minenräumfahrzeuge an den ukrainischen Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, übergeben.
Doch was gut gemeint ist, war aber offenbar schlecht gemacht. Denn für den Export von gepanzerten Fahrzeugen gelten strenge Exportregeln nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Und die wurden hier offenbar missachtet.
Möglicherweise hat sich also der Innensenator strafbar gemacht. Und auch die Bundesregierung scheint in den Fall involviert zu sein. Eigentlich müsste die Staatsanwaltschaft tätig werden.
Wie groß die Aufgabe ist, zeigt sich an einem Vergleich: 24 Millionen Fußballfeldern entspricht die Fläche von 174.000 Quadratkilometern, die in der Ukraine als vermintes Gebiet gelten. Ein Räumgerät kann pro Tag eine Fläche von vier Fußballfeldern entminen, kann also nur einen kleinen Beitrag leisten.
Bei der symbolischen Übergabe von einem von insgesamt vier GCS200, freute sich Grote: „Die Verminung großer Teile der Ukraine gehört zu den größten Gefahren, die der Krieg für die Bevölkerung dort mit sich bringt“, sagte Grote. „Wir sind deshalb sehr froh, dass wir mit der Hamburger Expertise in der Kampfmittelräumung etwas dazu beitragen können, damit in der Ukraine weniger Menschen durch Minen sterben.“ Die Fahrzeuge hat Hamburg beim Hersteller in der Schweiz bestellt.
Die „Hamburger Expertise“ in Sachen Minenräumung gilt aber offenbar nicht für das Kriegswaffenkontrollgesetz. Denn um militärische Ausrüstung aus Deutschland zu exportieren, braucht es eigentlich die Zustimmung der Bundesregierung. So steht es im Grundgesetz, Artikel 26, Absatz 2. Hier heißt es: „Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden.“
Diese Genehmigung hat sich die Hamburger Behörde offenbar nicht geholt. Mit einer ganz einfachen Begründung. „Die Kriegswaffeneigenschaft liegt bei diesen Gütern nicht vor“, teilt ein Sprecher t-online auf Anfrage mit.
Doch stimmt das wirklich? Experten bezweifeln das. Jan van Aken war Mitglied des Bundestages für die Linke und arbeitete bis 2006 als Waffeninspekteur für die UN. „Wir kennen Andy Grote ja als jemand, der nicht immer der Klügste ist“, sagt er zu diesem Fall. „Wahrscheinlich hat er nicht einmal darüber nachgedacht, dass es für den Export von Waffen auch eine Genehmigung braucht.“
Welche Waffen eine spezielle Genehmigung benötigen, legt die Kriegswaffenliste fest. Dort sind neben etwa chemischen und biologischen Waffen auch „sonstige Waffen“ enthalten. So auch unter Punkt IV. Nummer 25 „sonstige gepanzerte Kampffahrzeuge, einschließlich der gepanzerten kampfunterstützenden Fahrzeuge.“
Wenn das Minenräumfahrzeug gepanzert ist, gilt es also als Kriegswaffe. „Die Kriegswaffenliste ist dort ganz klar, da gibt es auch keinen Spielraum für Interpretationen“, sagt van Aken.
Auch in den Erläuterungen zur Kriegswaffenliste, einem gesonderten Dokument, mit dem der Zoll zusätzliche Klarheit schaffen will, steht unter Punkt 22 eindeutig: „Zu gepanzerten Kampffahrzeugen gehören auch [..] Minenräumpanzer sowie Bergepanzer“.
Ein wehrtechnischer Sachverständiger aus Nordrhein-Westfalen, der häufig auch mit der Rüstungsindustrie zusammenarbeitet, und deshalb anonym bleiben möchte, bestätigt auf Anfrage die Kriegswaffeneigenschaft von gepanzerten Minenräumfahrzeugen. Er wundert sich deshalb über die Rechtsauffassung.
Und die Panzerung des Fahrzeugs ist klar belegt: Dazu hat t-online mit dem Hersteller gesprochen und Datenblätter des Fahrzeuges analysiert. Daraus geht hervor: Der GCS200 ist an wichtigen Stellen am Rumpf und in der Front mit 20 mm dicken „Hardox-Stahl“ ausgestattet, damit gepanzert. Der Hersteller spricht zwar von „Splitterschutz“, was aber laut dem wehrtechnischen Sachverständigen nur ein anderer Begriff für Panzerung ist.
