Berlin Während Russland immer mehr Truppen um die Ukraine zusammenzieht und inzwischen zahlreiche Nato-Staaten Waffenlieferungen an Kiew ankündigten, werden auch entsprechende Forderungen an Deutschland lauter: „Der Ernst der Lage verlangt von der Ampel-Regierung sofortiges Umdenken und Kursänderung in der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine“, sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, dem Handelsblatt. Sein Land werde „nicht ruhen, die Bundesregierung und die Opposition zu überzeugen, Defensivwaffen in die Ukraine zu liefern“.
Deutschland solle hinsichtlich der jüngsten Zusagen von Großbritannien, Kanada, Tschechien und den baltischen Staaten „nicht mehr Abseits stehen“, meint Melnyk. Zuletzt hatten Estland, Lettland und Litauen Waffenlieferungen an die Ukraine bekanntgegeben, zuvor bereits andere Nato-Mitglieder. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte indes am Freitag nach der Klausurtagung seiner Koalitionsregierung erneut derartige Forderungen zurückgewiesen.
Hilfe von Deutschland erhofft sich Kiew auch bei der Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland: „Für die Wiederaufnahme des Normandie-Codecs wäre es sehr wichtig, dass sich Bundeskanzler Scholz jetzt stark höchstpersönlich dafür einsetzt“, erklärte Melnyk. Im Normandie-Format verhandeln seit 2014 Deutschland und Frankreich mit Russland und der Ukraine. Allerdings hat es seit Monaten kein Treffen der vier mehr gegeben.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski sei „jederzeit bereit, auch direkte Gespräche mit Präsident Putin zu führen“, sagte Melnyk und fügte hinzu: „Diesen Dialog und seine ausgestreckte Hand hat Moskau leider immer wieder schroff abgelehnt.“
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Deutschland bremst indes sogar andere Nato-Staaten bei ihren Bemühungen um Unterstützungen der Ukraine: Dem Handelsblatt wurde ein Bericht des „Wall Avenue Journals“ bestätigt, dem zufolge von Estland zur Übergabe an Kiew vorgesehen Artilleriewaffen aus deutscher Produktion nun doch nicht ausgeliefert werden. Großbritannien hatte bereits wegen der Sorge vor Komplikationen mit der Bundesregierung leichte Panzerabwehrwaffen an die Ukraine unter Umgehung des deutschen Luftraums geliefert.
Von Deutschland erbittet die Ukraine momentan sogar nicht einmal Waffen, sondern vor allem „dringend 100.000 Helme und Schutzwesten für die Freiwilligen, die sich gerade für die Landwehr melden, um ihre Heimat zusammen mit den Streitkräften zu verteidigen“, sagte Melnyk. Sein Land hoffe aber „weiter auf Verteidigungswaffen aus Deutschland und verliert nicht die Hoffnung, dass die Ampelkoalition ihre bisher ablehnende Haltung jetzt angesichts der akuten Bedrohungslage überdenkt“.
Russland marschiert auf
Russland hat 100.000 Soldaten um die Ukraine herum stationiert und massenweise Panzer, Artillerie, Raketen, Kriegsschiffe und Luftwaffeneinheiten im Süden, Osten und Norden des Landes zusammengezogen.
Russland betont, keinen Angriff auf die Ukraine zu planen. Die USA und andere westliche Staaten bezweifeln dies und haben inzwischen auch Geheimdiensterkenntnisse über eine russische Kriegsvorbereitung. Es würden auch weitere russische Waffen und Soldaten an die Grenze zur Ukraine verlegt, sagte Pentagon-Sprecher John Kilby am späten Freitagabend. Russland zeige keinerlei Bemühungen zur Deeskalation.
In der Ukraine melden sich immer mehr Menschen freiwillig, um sich militärisch ausbilden zu lassen und die Armee zu unterstützen. Ein Treffen der Außenminister der USA und Russlands, Antony Blinken und Sergej Lawrow, zur Ukraine-Krise battle am Freitag in Genf weitgehend erfolglos verlaufen.
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