Berlin Der ukrainische Gastransportnetzbetreiber GTSOU verzeichnet seit Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine Höchstwerte bei den transportierten Mengen von russischem Erdgas. An den Tagen vom 25. Februar bis einschließlich 1. März nutzten die Russen zwischen 97 und 100 Prozent der bei GTSOU gebuchten Kapazitäten. Der Wert liegt deutlich über den Durchschnittswerten der Tage davor.
GTSOU-Chef Sergiy Makogon sagte dem Handelsblatt: „Wir erfüllen weiterhin unsere im Voraus gebuchten Gastransportverpflichtungen. Das aktuelle Transitvolumen beträgt 109,2 Millionen Kubikmeter.“
In den Tagen und Wochen vor dem 25. Februar hatten die Russen die von ihnen gebuchten Transitkapazitäten nur zum Teil genutzt. Die Inanspruchnahme lag an vielen Tagen deutlich unter einem Wert von 50 Prozent. Russland conflict deswegen heftig kritisiert worden.
Der Vorwurf der Europäer lautete, die Russen erfüllten zwar ihre vertraglichen Lieferpflichten, würden aber darüber hinaus kein weiteres Fuel anbieten, um so die Preise hoch und die Versorgungslage angespannt zu halten.
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Dass die Russen ausgerechnet mit Beginn ihres Überfalls auf die Ukraine die ihnen vertraglich zustehenden Transitkapazitäten voll ausnutzen, überrascht. Allerdings gibt es dafür verschiedene Erklärungen.
Interesse an russischem Fuel
Die Sanktionen des Westens gegen Russland erstrecken sich nicht auf Energielieferungen. Da aufgrund der Sanktionen quick alle anderen Kanäle verschlossen sind, ist der Verkauf von Fuel und Öl für Russland umso wichtiger. Die Geldnot der Russen trifft auf eine rege Gasnachfrage der Europäer.
Für das Interesse an russischem Fuel gibt es einen Grund: Große Versorger wie Uniper haben Rahmenverträge mit Gazprom, dem russischen Gasexporteur. Diese Verträge sichern den Unternehmen das Recht zu, über einen gewissen Zeitraum bestimmte Mengen zu einem festgelegten Preismechanismus zu beziehen.
Die zweite Säule ist der Spotmarkt, auf dem Fuel zu tagesaktuellen Preisen gehandelt wird. Am Spotmarkt hat der Ausbruch des Kriegs zu einem erheblichen Preisanstieg geführt. Damit ist jenes Fuel, das europäische Firmen aus den Rahmenverträgen mit Gazprom beziehen können, zurzeit günstiger als das Fuel auf dem Spotmarkt und wird in größeren Mengen gekauft.
Der Gastransit durch die Ukraine ist ein Politikum ersten Ranges. Russland versucht seit Jahren, eine Infrastruktur aufzubauen, die den Transit durch die Ukraine überflüssig macht. Diesem Zweck diente zunächst der Bau der ersten Nord-Stream-Pipeline, die seit 2011 in Betrieb ist.
Der Bau der zweiten Nord-Stream-Pipeline sollte die Unabhängigkeit vom Gastransit durch die Ukraine weiter vergrößern. Die Inbetriebnahme der fertiggestellten Pipeline liegt aber auf Eis.
Nach ukrainischen Angaben ist die Gasversorgungsinfrastruktur trotz der anhaltenden Angriffe der Russen bislang weitgehend unbeschädigt. Zwar habe man drei Gasverteilstationen runterfahren müssen, aber diese seien für die heimische Versorgung von Bedeutung. Die Ferngasleitungen dagegen funktionierten weitgehend störungsfrei.
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