Deutschlands Wirtschaft schwächelt, besonders auf dem Bau ist die Stimmung schlecht. Der frühere „Wirtschaftsweise“ Peter Bofinger fordert deshalb ein milliardenschweres Wohnungsbauprogramm.
Angesichts der schlechten Wirtschaftslage spricht sich der frühere „Wirtschaftsweise“ Peter Bofinger für ein umfassendes Wohnungsbauprogramm aus. Dieses solle den schwächelnden Bau ankurbeln und damit die innerdeutsche Konjunktur insgesamt beleben.
Deutschlands Geschäftsmodell, der Verkauf von Autos und Maschinen, gerate zunehmend unter Druck, sagte Bofinger t-online am Rande des Unternehmertags am Tegernsee: „Der Höhepunkt der Globalisierung liegt hinter uns, wir können uns nicht mehr allein auf unsere Exportstärke verlassen, sondern müssen mehr von innen heraus wachsen. Am schnellsten wirken würde dabei ein umfassendes Wohnungsbauprogramm.“
Auf diese Weise ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, so der Top-Ökonom: Es würde sowohl die Konjunktur beleben als auch die Wohnungsnot in vielen Städten mindern. „Die Menschen in Deutschland würden damit sehen: Der Staat tut was für uns, er kümmert sich um eines der drängendsten Themen, das viele Menschen beschäftigt. Wohnraum ist vielerorts sehr knapp, die Mieten sind stark gestiegen. Das führt zu sozialen Spannungen.“
Hohe Zinsen erschweren die Baufinanzierung
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hatte zuletzt ihr Ziel von jährlich rund 400.000 neuen Wohnungen mehrfach verfehlt. Im vergangenen Jahr entstanden lediglich 270.000 Wohnungen, für das laufende Jahr rechnet ihr Ministerium mit einem erneuten Rückgang auf 265.000 neu gebauten Wohneinheiten. Branchenverbände gehen sogar von noch niedrigeren Zahlen aus.
Wichtigster Grund dafür: die stark gestiegenen Zinsen, mit denen die Europäische Zentralbank (EZB) die Inflation einhegen will. Vielerorts stornierten Bauträger ihre Aufträge, zuletzt meldeten immer mehr Baufirmen deshalb Insolvenz an. Bofinger: „Die Lage auf dem Bau ist dramatisch. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, droht uns ein Teil der Bauwirtschaft komplett wegzubrechen.“
Insgesamt seien für das Wohnungsbauprogramm rund 13 Milliarden Euro für die Jahre 2024 und 2025 nötig, so der Ökonom. Damit schließt er sich einer Forderung des Bündnisses „Soziales Wohnen“ an, das eine solche Summe bereits zum Bau Hunderttausender Sozialwohnungen ins Spiel gebracht hatte.
Dass dieses Geld absehbar zur Verfügung steht, ist derweil nicht zu erwarten – im Gegenteil. Weil die Ampel nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse harte Einsparungen vornehmen muss, dürften derlei Summen kaum im nächsten Haushalt zur Verfügung zu stellen sein.
Bofinger plädiert deshalb für eine Lockerung der Schuldenbremse. „Der Finanzminister feiert sich dafür, dass Deutschland im internationalen Vergleich eine der niedrigsten Staatsschuldenquoten hat“, so der Ökonom zu t-online. Das aber sei eine „falsche Prioritätensetzung“: „In keiner anderen wichtigen Volkswirtschaft der Welt werden Zukunftsinvestitionen zurückgestellt, weil man Angst vor der Staatsverschuldung hat.“
Stimmung auf dem Bau so schlecht wie nie zuvor
SPD und Grüne sind offen für eine Anpassung der Schuldenregeln. Für eine Reform bräuchte es je nach genauem Weg mindestens aber auch die Zustimmung des Koalitionspartners FDP, bei grundlegenderen Änderungen auch die der Union im Bundestag. Beide Fraktionen lehnen eine Lockerung der Schuldenbremse ab.
Wie düster die Stimmung im Wohnungsbau derzeit ist, zeigte unlängst auch das Ifo-Geschäftsklima für die Branche. Es fiel im Januar auf den niedrigsten jemals gemessenen Wert. „Der Ausblick auf die kommenden Monate ist düster“, sagte Ifo-Umfrageleiter Klaus Wohlrabe zuletzt. Neuaufträge blieben aus, zugleich würden weitere Projekte storniert, mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen klage über Auftragsmangel.
Die Branche kritisiert zudem teils unzureichende Förderangebote und hohe staatliche Abgaben. Gemeint sind staatlich bedingte Kosten beim Bau von Wohnungen, etwa die Grunderwerbsteuer, Umsatzsteuer, technische Baubestimmungen oder energetische Anforderungen. „Bauen ist heute faktisch unmöglich“, sagte der Präsident des Zentralen Immobilien-Ausschusses, Andreas Mattner, jüngst.