Die Menschen in Grünheide haben sich mehrheitlich gegen den Ausbau der Tesla-Gigafactory ausgesprochen. Was sagen die Anwohner zu dem Votum?
Am Tag danach ist es in der Brandenburger Gemeinde Grünheide so ruhig wie in jedem anderen Dorf. Kaum jemand ist am Vormittag auf den Straßen unterwegs, nur am Marktplatz ist etwas Betrieb. Nichts deutet darauf hin, dass in Grünheide am Dienstagabend eine bedeutende Entscheidung für die deutsche Wirtschaft getroffen wurde. Auch wenn sie nicht bindend ist.
In einer Bürgerbefragung konnte die Bevölkerung darüber abstimmen, ob sie für oder gegen eine Erweiterung der Tesla-Gigafactory im Ort ist. Die Mehrheit stimmte dagegen. Fragt man die Menschen am Marktplatz an diesem Mittwochvormittag dann danach, ob sie sich an der Abstimmung beteiligt hätten, antworten sie mit „Ja, natürlich“. Die Beteiligung lag bei 71 Prozent. Die Gründe dafür sind aber unterschiedlich.
Ein älterer Mann sieht die Gigafactory im Allgemeinen kritisch. „Das bekommen die doch gar nicht alles los“, sagt er. „Das ist viel zu viel.“ Damit meint er die Anzahl an E-Autos, die dort künftig hergestellt werden sollen. Auch, dass weitere 100 Hektar Fichtenwald, von dem der Ort vollständig umgeben ist, abgeholzt werden sollen, findet er nicht gut. Aktuell liegt das Etappenziel bei 500.000 Autos im Jahr. Tesla plant, mit dem noch größeren Werk eine Million Fahrzeuge jährlich herzustellen. In Berlin produziert Tesla das Modell Y, das 2023 weltweit rund 1,23 Millionen Mal verkauft wurde.
Abholzung und Wasserverbrauch spielten eine große Rolle
Die Umwelt ist der Hauptgrund für Gerta Warnke, weshalb sie gegen die Erweiterung der Fabrik gestimmt hat. „Ich sehe ja, wie der Wald vor meiner Tür abgeholzt wird“, sagt sie. „Darum habe ich natürlich mit Nein abgestimmt.“ Die Abholzung war der Hauptaspekt der Befragung. Die Bürgerinnen und Bürger sollten entscheiden, ob sie dafür sind, dass weitere 100 Hektar Wald abgeholzt werden.
Auch der Wassermangel bereitet Warnke Sorgen. Der Wasserverband Strausberg-Erkner warnte schon vor dem Bau der Fabrik vor einem gefährlich niedrigen Grundwasserspiegel in der Gemeinde. Der Wasserverbrauch von Tesla lag 2022 bei 10,2 Millionen Kubikmetern Wasser. Mit der Erweiterung könnte sich das erhöhen. Tesla beteuert zwar, eine Wasserwiederaufbereitungsanlage gewährleiste einen sparsamen Verbrauch, doch angesichts des niedrigen Grundwasserspiegels dient das nicht der Beruhigung. Schon jetzt muss Wasser gespart werden, darum wurde für Privathaushalte der Wasserverbrauch sogar schon auf 37 Kubikmeter pro Person im Jahr gedrosselt.
Das waren auch die größten Kritikpunkte der Bürgerinitiative, die sich gegen den Ausbau stemmt. Manuela Hoyer, Vorstandsvorsitzende der Initiative, sagt, sie sei „überglücklich“ mit dem Ergebnis. „Kein Ortsteil hat mehrheitlich mit Ja gestimmt. Ich bin überwältigt.“ Ein entsprechendes Bild habe sich bereits bei den Haustürbefragungen gezeigt: „Die Leute waren froh, dass sie mal gefragt wurden.“ Denn das sei vor dem Bau der Gigafactory nicht geschehen. Man habe „über die Köpfe der Bürger“ hinweg entschieden.
Es gibt für Gerta Warnke allerdings noch einen zweiten Grund: „Die Arbeiter sind alle von außerhalb.“ Dass die Tesla-Fabrik wirklich als Jobmotor den Gemeindemitgliedern nutzt, bezweifelt sie. „Ich kenne niemanden aus Grünheide, der dort arbeitet.“ Ein Gegenbeispiel dafür ist allerdings Toby Blei. Er arbeitet in der Gigafactory, „und deswegen habe ich dafür gestimmt. Das ist mein Job.“ Allein von der Zahl der Arbeitsplätze, die die Autofabrik schon jetzt hat, könnte ganz Grünheide dort arbeiten. 11.000 Arbeitsplätze wurden in dem 9.000-Seelen-Ort geschaffen.
„Wer A sagt, muss auch B sagen“
Sichere Arbeitsplätze für künftige Generationen erhofft sich auch Petra Engel von Tesla. Sie hat mit Ja gestimmt. Der Grund: „Ich habe noch Kinder zu Hause, die vielleicht auch mal in der Nähe arbeiten wollen.“
Etwas pragmatischer sieht ein weiterer Mann aus Grünheide die Abstimmung: „Wer A sagt, muss auch B sagen“, sagt er scherzend. Die Gemeinde habe sich für das Werk entschieden. „Wenn wir uns ein zukunftsträchtiges Unternehmen holen, wer bin ich, mich dem in den Weg zu stellen?“ Schließlich wolle Tesla E-Autos bauen. Und eine größere Stückzahl könnte in seinen Augen im Umkehrschluss dazu führen, dass die Fahrzeuge erschwinglicher werden. „Die 65 Prozent, die dagegen gestimmt haben, werden wohl eine Enttäuschung erleben“, sagt er. Denn die Abstimmung ist nur ein Stimmungsbild und rechtlich nicht bindend. Tesla könnte das Werk dennoch bauen, sofern die entsprechenden Genehmigungen erteilt werden.