Schweden ist nun offiziell Teil des Verteidigungsbündnisses Nato. Zuvor hatte die Türkei einen Beitritt blockiert.
„Alle für einen, einer für alle“: Die Nato hat künftig 32 Mitglieder – und damit doppelt so viele wie noch zu Ende des Kalten Krieges. Mit der Aufnahme Schwedens beendet das Verteidigungsbündnis jetzt die jüngste Erweiterungsrunde. Sie war bereits im vergangenen Jahr gestartet worden, als Finnland Mitglied wurde.
Am Donnerstagnachmittag ist Schweden dem Bündnis offiziell beigetreten. Das US-amerikanische Außenministerium veröffentlichte das Aufnahmeprotokoll.
Auslöser diese Haltung zu ändern war wie bei Finnland der russische Einmarsch in die Ukraine im Frühjahr 2022. Viele Menschen, die früher gegen eine Nato-Mitgliedschaft gewesen waren, änderten infolge der Ereignisse ihre Meinung – auch die damals regierenden Sozialdemokraten. Im Mai 2022 beantragten Schweden und Finnland gemeinsam, in das Verteidigungsbündnis aufgenommen zu werden.
Warum hat der Aufnahmeprozess so lange gedauert?
Verantwortlich für die Verzögerung waren die politischen Anführer der beiden Nato-Staaten Türkei und Ungarn. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Ungarns Regierungschef Viktor Orban nutzten ihr Veto-Recht bei Entscheidungen über eine Bündniserweiterung, um Forderungen gegen Schweden und andere Alliierte durchzusetzen. So gab es die Zustimmung Ungarns erst Ende Februar nach einem Besuch des schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson bei Orban. Dort wurden mehrere Vereinbarungen zur Rüstungszusammenarbeit verkündet. Sie sehen unter anderem vor, dass Ungarn vier neue Kampfjets aus Schweden kaufen kann.
Und worum ging es der Türkei?
Die Türkei billigte den Nato-Beitritt Schwedens, nachdem die Regierung in Stockholm stärkere Anstrengungen im Kampf gegen extremistische Gruppen zugesagt hatte. Ankara ging es dabei vor allem um die auch von der EU als Terrororganisation eingestufte kurdische Arbeiterpartei PKK. Zudem trieb die US-Regierung ein Verfahren zum Verkauf von F-16-Kampfjets an die Türkei voran.
Was bringt Schweden in die Nato mit?
Die langjährige Bündnisfreiheit hat dafür gesorgt, dass sich Schweden ebenso wie sein Nachbar Finnland auf seine eigenen militärischen Kapazitäten verlassen musste. Gleichzeitig beteiligten sich die beiden Nordländer bereits an Übungen mit dem Verteidigungsbündnis – sie wissen also, wie die Zusammenarbeit innerhalb der Allianz läuft. Das schwedische Militär verfügt unter anderem über rund 120 Leopard-2-Panzer, die in dem skandinavischen Land Stridsvagn 122 heißen. In der Luft setzt es unter anderem auf Kampfjets vom schwedischen Typ Jas 39 Gripen.
Nach Angaben von Militärexperten ist der schwedische Beitritt insbesondere auch aus strategischen Gründen attraktiv, weil damit die gesamte Ostseeküste – mit Ausnahme der Küste Russlands und seiner Exklave Kaliningrad – Nato-Gebiet ist. So könnte etwa die Verteidigung des Baltikums im Fall eines russischen Angriffs erleichtert werden, weil Truppen und Ausrüstung künftig deutlich einfacher per Schiff über Schweden nach Estland, Lettland und Litauen gebracht werden könnten. Dabei spielt speziell die große schwedische Ostseeinsel Gotland eine Rolle. Als hilfreich gilt auch, dass mit Ericsson künftig ein weiteres weltweit wichtiges Mobilfunktechnik-Unternehmen unter dem Nato-Dach ist.
Wie sieht es bei Schweden mit dem Nato-Ziel aus, dass Bündnismitglieder mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Verteidigung investieren sollen?
Berechnungen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri zufolge flossen 2022 gerade einmal 1,3 Prozent des schwedischen BIPs ins Militär. Von der schwedischen Regierung hieß es zuletzt allerdings, dass das Nato-Ziel angesichts starker Budgeterhöhungen bereits in diesem Jahr erreicht werden könnte.
Was bedeutet die Nato-Norderweiterung für Russland?
Aus Sicht von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist die Aufnahme Finnlands und Schwedens ein klares Zeichen für das Scheitern der Politik von Russlands Präsident Wladimir Putin. Putin sei mit dem erklärten Ziel in den Krieg gegen die Ukraine gezogen, in Europa weniger Nato-Präsenz zu haben und eine weitere Bündniserweiterung zu verhindern, erklärte er wiederholt. Nun bekomme er genau das Gegenteil von dem, was er wollte.
Zugleich betont die Nato, dass es für Russland keinerlei Grund gebe, sich durch die Norderweiterung bedroht zu fühlen. So widerspricht die Allianz auch Darstellungen, das Bündnis wolle Russland regelrecht einkreisen. Nach Nato-Angaben sind von der mehr als 20.000 Kilometer langen russischen Landgrenze selbst nach der Erweiterung derzeit nur rund elf Prozent auch eine Nato-Grenze.