Während die Blockade der US-Hilfen für die Ukraine anhält, rückt Deutschland als zweitgrößter Unterstützer immer mehr in den Fokus. Beim Rüstungshersteller Rheinmetall will Scholz zeigen, dass die Zeitenwende nun endlich da ist.
Das Timing könnte kaum besser sein: Noch am Wochenende warnte Olaf Scholz (SPD) bei seinem Amerikabesuch vor einem Wegbrechen der US-Hilfen für die Ukraine. Er nannte die Militärhilfe Washingtons „unverzichtbar“, damit die Ukraine weiter ihr Land verteidigen könne. Kritiker warfen dem Kanzler vor, sich hinter den USA zu verstecken – Deutschland hätte längst mehr tun können, hieß es.
Zwei Tage später, Montagmittag, steht Scholz auf einem aufgeschütteten Haufen Erde in der Lünebürger Heide und sticht mit einem Spaten hinein. Hier, im niedersächsischen Unterlüß, soll eine neue Munitionsfabrik von Rheinmetall entstehen, die 200.000 Artilleriegranaten pro Jahr produzieren soll. Ab 2025 sollen die ersten Geschosse vom Band laufen, rund 300 Millionen Euro will Rheinmetall in das Werk investieren.
Scholz‘ Besuch vor Ort ist daher von hoher symbolischer Bedeutung: In Zeiten wackeliger Ukraine-Hilfen und einer zunehmend schwierigen Lage auf dem Schlachtfeld will der deutsche Kanzler ein Signal senden: Dass die Zeitenwende in der Rüstungsindustrie umgesetzt wird, dass Deutschland in puncto Ukraine-Unterstützung sein Wort hält.
Rhetorisches Lametta für die Rüstungsindustrie
Neben Scholz im Erdhaufen stehen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), die dänische Regierungschefin Matte Frederiksen und Rheinmetall-Chef Armin Papperger. Der Rüstungsunternehmer hatte zuvor in seiner Rede Kanzler Scholz über den grünen Klee gelobt. Mit sonorer Stimme erklärte er, dass das nun entstehende „Werk Niedersachsen“ eine „direkte Folge der Zeitenwende“ sei. Die deutsche Ukraine-Hilfe nannte Papperger eine „historische Leistung unserer Bundesregierung“.
Der Ober-Rheinmetaller klingt dabei wie ein Politiker: Spricht von seiner „Verantwortung“ als Rüstungshersteller, von der „Verteidigungsfähigkeit unseres Landes“ und davon, dass Deutschlands Wort nun Gewicht habe in der Welt. Papperger weiß, wie er mit seinen staatlichen Auftraggebern umgehen muss.
Auch Kanzler Scholz spart nicht an rhetorischem Lametta: Heute sei ein „ganz besonderer Tag“, für Unterlüß und die Region, für die Sicherheit Deutschlands und Europas. „Wir leben nicht in Friedenszeiten“, so der Kanzler. Russlands Angriffskrieg in der Ukraine und die „imperialen Ambitionen“ Wladimir Putins seien „eine große Gefahr für die europäische Friedensordnung“. In dieser Lage gelte: „Wer Frieden will, der muss mögliche Aggressoren erfolgreich abschrecken.“
Von Unterlüß in die ganze Welt
Scholz erklärt, dass Rüstungsproduktion eben nicht wie ein Autokauf funktioniert. Panzer, Haubitzen und Kampfjets stünden nicht einfach im Regal. „Wenn über Jahre nichts bestellt wurde, dann wird auch nichts produziert.“ Es klingt, als habe er das schon immer gewusst, nur eben andere nicht. Angesichts des Publikums, das zu 50 Prozent aus Rheinmetall-Mitarbeitern besteht, ist es in Wahrheit wohl eher anders herum.
Der Kanzler würdigte dabei, „wie schnell Rheinmetall und auch andere Unternehmen der Verteidigungsindustrie in die Bresche gesprungen sind“. 200.000 Artilleriegeschosse pro Jahr in dem geplanten Werk seien „beeindruckend“, so Scholz und fordert: „Wir müssen weg von der Manufaktur – hin zur Großserien-Fertigung von Rüstungsgütern.“
Politik und Rüstungsindustrie, nun endlich verlässliche Partner in der Zeitenwende? So jedenfalls soll es wirken, dieses Signal soll von Unterlüß ausgehen. Und vielleicht ist es tatsächlich der Anfang dessen, was der mitgereiste Pistorius – als einziger ohne eigenen Redebeitrag – mal „kriegstüchtig“ nannte: eine verteidigungsfähige Bundeswehr, die von einer leistungsfähigen Rüstungsindustrie ausgestattet wird.
„Russland muss scheitern“
Auch darüber hinaus setzt der Kanzler in seiner Rede einige wichtige Punkte. Erzählt von seiner USA-Reise, wo er nochmals deutlich gemacht habe, wie wichtig der amerikanische Beitrag für die Ukraine sei. Seit Wochen blockiert der US-Kongress, allen voran das Lager der radikalen Trump-Republikaner, ein 60-Milliarden-Militärpaket für Kiew. Der Munitionsmangel der ukrainischen Streitkräfte ist mittlerweile so dramatisch, dass die Russen gerade dabei sind, die Oberhand zu gewinnen.
US-Präsident Joe Biden tue alles dafür, um die Widerstände zu überwinden, versichert der Kanzler und mahnt eindringlich: „In der Ukraine-Ordnung entscheidet sich die Zukunft unserer Friedensordnung. Russland muss scheitern.“