Moskau Das russische Militär hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums erneut eine Hyperschallrakete des Typs „Kinschal“ in ihrem Krieg gegen die Ukraine eingesetzt. Mit dem Geschoss sei ein Treibstofflager in Kostiantyniwka nahe dem Schwarzmeerhafen Mykolajiw getroffen worden, erklärte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Sonntag.
Konaschenkow sagte, bei dem Angriff auf das Treibstofflager seien auch Marschflugkörper des Typs Kalibr eingesetzt worden. Diese wurden von russischen Kriegsschiffen im Kaspischen Meer abgefeuert. Auch aus dem Schwarzen Meer seien Kalibr-Raketen gestartet, um eine Rüstungsreparaturfabrik in Nischyn in der Area Tschernihiw im Norden der Ukraine zu zerstören.
Konaschenkow sprach dazu von einem dritten Angriff: Russische Raketen hätten eine ukrainische Einrichtung in Owrutsch in der nördlichen Area Schytomyr getroffen. Dort sollen ausländische Kämpfer und ukrainische Spezialeinheiten stationiert gewesen sein.
Am Samstag hatte die russische Luftwaffe nach eigenen Angaben zum ersten Mal überhaupt in einem Kriegsgefecht seine neue ballistischen Luft-Boden-Rakete eingesetzt. Das Militär zerstörte mit „Kinschal“ (Dolch) ein Raketenarsenal: Das unterirdische Munitionsdepot der ukrainischen Luftwaffe in Deljatyn im Südwesten der Ukraine sei am Freitag durch die ballistische Rakete vernichtet worden, hatte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor Konoschenkow, am Samstag erklärt.
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Bisher kamen die Waffen vor allem bei Manövern zum Einsatz. Zuletzt warfare dies wenige Tage vor der Invasion in die Ukraine der Fall, die am 24. Februar begonnen hat.
Im Gebiet Odessa am Schwarzen Meer seien zudem zwei Stützpunkte der militärischen Aufklärung zerstört worden. In der Nacht zum Samstag seien insgesamt 69 Militärobjekte, darunter vier Kommandostützpunkte der Ukraine, zerstört worden, sagte Konaschenkow. Überprüfbar waren die Angaben nicht.
Die Ukraine bestätigte den ersten Angriff
Ein Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurii Ihnat, bestätigte ukrainischen Medien den am Samstag gemeldeten Beschuss des Munitionsdepots. Demnach erfolgte der Angriff am Freitag. Es müsse jedoch erst noch bestätigt werden, ob es sich bei der von Russland eingesetzten Rakete um die Hyperschallrakete „Kinschal“ gehandelt habe, sagte er.
Abgeschossen werden die „Kinschal“-Raketen von Kampfflugzeugen des Typs MiG-31. Sie können nach russischen Angaben Ziele in bis zu 2000 Kilometer Entfernung treffen – unter Umgehung aller Luftabwehrsysteme. Hyperschallraketen übertreffen die Schallgeschwindigkeit um ein Mehrfaches und fliegen mit mehr als 6000 Kilometern professional Stunde.
Russland begründet seinen Krieg in der Ukraine auch mit dem Ziel, das vom Westen ausgerüstete Nachbarland zu entmilitarisieren. Der russische Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin forderte die USA und die Nato-Staaten auf, die Ukraine nicht weiter zu bewaffnen, „wenn sie baldigst Frieden wollen“.
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Die Hyperschallrakete Ch-47M2 Kinschal ist einer der furchterregendsten Neuzugänge der russischen Luftwaffe. Die etwa acht Meter langen Raketen fliegen extrem schnell und extrem hoch, bleiben dabei nach russischen Angaben aber manövrierfähig.
Sie sind nach Einschätzung der Nato mit herkömmlicher Flug- oder Raketenabwehr kaum abzufangen. AS-24 Killjoy („Spielverderber“) hat das westliche Bündnis die neue russische Waffe getauft.
Präsident Wladimir Putin stellte die „Kinschal“-Raketen als eine von mehreren Superwaffen erstmals im März 2018 in seiner Rede an die Nation öffentlich vor. Bis zu zehnfache Schallgeschwindigkeit sollte die neue Rakete nach seinen Angaben erreichen.
Die Rakete kann auch einen nuklearen Sprengkopf tragen
Die „Kinschal“ wird von Abfangjägern des Typs MiG-31 in großer Höhe abgefeuert. Erst in sicherer Entfernung vom Flugzeug zündet das eigene Raketentriebwerk. Es trägt die „Kinschal“ erst bis zu 20 Kilometer in die Höhe, wo die Rakete hohe Reibungstemperaturen aushalten muss, und dann hinab zum Ziel.
Dabei trägt die „Kinschal“ bis zu 480 Kilogramm Sprengstoff oder einen nuklearen Sprengkopf. Damit könne die Rakete wichtige Infrastruktur in Europa angreifen, zum Beispiel Flugplätze, schrieb die US-Denkfabrik Middle für Strategic and Worldwide Research (CSIS). Auch große Nato-Schiffe auf dem Atlantik könnten zum Ziel werden.
An der Entwicklung von Hyperschallraketen arbeiten auch die USA und China. Die Nato listet in einem Papier von 2020 auch Forschungen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Australien und Indien auf. Teils geht es dabei um die Abwehr solcher Raketen.
Denn die neue Waffenklasse schafft strategische Unsicherheit: Fliegt eine konventionelle Rakete so schnell auf mich zu, oder ist es ein nuklearer Angriff? „Hyperschallraketen mit ihrer neuartigen Kombination von Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit können alle gegenwärtigen Raketenabwehrsysteme überwinden und verkürzen radikal die Reaktionszeit des angegriffenen Akteurs“, schrieb die Münchener Sicherheitskonferenz in ihrem Bericht 2019.
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