Düsseldorf Mit eindringlichen Drohungen an den Kreml und der Versicherung einer gestärkten westlichen Einheit haben Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf einen befürchteten Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine reagiert. „Moskau versucht, Geschichte zurückzudrehen und seine Einflusssphäre zu vergrößern“, sagte Stoltenberg am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Er sei „extrem besorgt“.
Das Gefährliche sei die Kombination des größten Truppenaufmarsches seit dem Zweiten Weltkrieg mit unerfüllbaren Forderungen Moskaus an die Nato. Die russische Regierung fordert unter anderem ein Ende der Nato-Osterweiterung und einen Nato-Truppenabzug aus Osteuropa. Stoltenberg erklärte diese Forderungen für unhaltbar.
US-Präsident Joe Biden hatte am Freitagabend mit einer noch einmal gesteigerten Dinglichkeit vor einem Einmarsch in der kommenden Woche gewarnt, bei dem er auch die ukrainische Hauptstadt Kiew gefährdet sieht. Er sei überzeugt, dass Putin die Entscheidung zu einer Invasion getroffen habe. „Wir glauben, dass sie die ukrainische Hauptstadt Kiew angreifen werden, eine Stadt mit 2,8 Millionen unschuldigen Einwohnern.“ Ursprünglich hatten die US-Geheimdienste eine Invasion für den vergangenen Mittwoch erwartet.
Stoltenberg betonte am Samstag, es gebe weiter keine Anzeichen für einen Rückzug oder eine Deeskalation. „Im Gegenteil“, warnte der Nato-Generalsekretär. Mittlerweile stehen Nato-Angaben zufolge mehr als 160.000 Soldaten um die Ukraine. Für Samstag ist ein Manöver der Atomstreitkräfte angekündigt, das der russische Präsident Wladimir Putin beaufsichtigen will.
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EU bereitet sich auf Energie- und Flüchtlingsprobleme vor
EU-Kommissionschefin von der Leyen sagte, die EU-Staaten bereiteten sich auf mögliche Folgen wie Flüchtlingsströme und Energieprobleme im Zuge einer eskalierenden Auseinandersetzung mit Russland vor. Die Gasversorgung in Europa sei in diesem Winter gesichert, auch wenn Russland kein Fuel mehr liefern würde. Auch Japan und Südkorea hätten in dem Fall Hilfe zugesichert. Der russische Staatskonzern Gazprom liefere seit Monaten absichtlich so wenig Fuel wie möglich. Europa müsse seine Energielieferanten und -quellen künftig stärker diversifizieren.
In der laufenden Krise stehe mehr als die Zukunft der Ukraine auf dem Spiel. „Ein Einmarsch Russlands würde die internationale Ordnung vollständig verändern“, sagte von der Leyen. „Das können wir nicht zulassen.“ Die Kommissionspräsidentin drohte erneut mit umfangreichen Sanktionen wie etwa Exportverboten nach Russland. Putin setze „eine prosperierende Zukunft Russlands“ aufs Spiel.
Die USA und die Nato befürchten, dass Russland durch gezielte Provokationen oder Falschinformationen Vorwände produziert, um einen militärischen Angriff zu rechtfertigen. Stoltenberg sagte, die beste Antwort der Nato sei das Offenlegen der russischen Pläne, einen solchen Vorwand zu kreieren. Die Hoffnung sei, es Moskau damit schwerer zu machen, seine Pläne durchzusetzen.
Separatistenführer von Donezk startet militärische Mobilmachung
Unterdessen verschärft sich die Scenario in den von pro-russischen Separatisten besetzten ostukrainischen Gebieten. Dort sind wieder schwere Kämpfe aufgeflammt. Die Separatistenführer haben zu einer Evakuierung von Frauen, Kindern und älteren Menschen nach Russland aufgerufen.
Der Chef der nicht anerkannten pro-russischen Regierung der Area Donezk, Denis Puschilin, veröffentlichte am Samstag eine Mitteilung, in der er die militärische Mobilmachung bekanntgab und Reservisten dazu aufforderte, sich bei den Musterungsämtern zu melden. Die Zahl der Verstöße gegen das geltende Waffenstillstandsabkommen in den besetzten Gebieten hat drastisch zugenommen.
Jens Stoltenberg warnte: „Wenn Russland weniger Nato an seinen Grenzen möchte, so wird es mehr Nato bekommen. Wenn es die Nato spalten möchte, so wird es eine geeintere Nato bekommen.“ Zudem betonte er die Rolle der USA in dem „vom Kreml gemachten Konflikt“. Es gebe keine wirkliche Sicherheit in Europa ohne ein starkes Bündnis mit den USA.
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