Berlin Die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will den digitalen Wandel in deutschen Amtsstuben deutlich beschleunigen. Zunächst sei eine „Bestandsaufnahme“ notwendig, „die ehrlich ist und clear macht, wo wir gerade tatsächlich stehen“, sagte die SPD-Politikerin bei dem on-line durchgeführten „Zukunftskongress Staat und Verwaltung“ in Berlin. Ohne diesen Schritt könne man nicht sagen, wie schnell die Projekte im Koalitionsvertrag tatsächlich umgesetzt werden. „Ich glaube, dass wir dort viel mehr Tempo brauchen“, betonte Faeser.
Das Thema der Digitalisierung sei ihr ein „sehr, sehr wichtiges“ Anliegen und werde „ganz hoch auf meiner Agenda stehen“. „Und deswegen wird es auch in den ersten 100 Tagen eine wesentliche Rolle spielen“, betonte die Ministerin. Nach der Bestandsaufnahme wolle sie die Themen mit einem „etwas anderen Geist des Fortschritts“ sehr zügig zur Umsetzung bringen.
Mehr Tempo bei der Digitalisierung ist ein zentrales Projekt der Ampelkoalition. In dem 177-seitigen Koalitionsvertrag taucht an 188 Stellen das Wort „digital“ auf. Die Neuordnung der digitalpolitischen Kompetenzen und verschiedenste Digital-Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch das kommende Regierungsprogramm.
Das von der FDP besetzte Ministerium für Digitales und Verkehr beschränkt sich indes vor allem auf die digitale Infrastruktur. Der gesamte Komplex der Verwaltungsdigitalisierung bleibt in der Zuständigkeit des Innenministeriums.
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Faeser sicherte eine nutzergerechte Digitalisierung zu. Sie sprach von einer „digitalen Daseinsvorsorge“, bei der von den Nutzern aus gedacht werden solle, was diese am schnellsten an „hilfreichen Angeboten“ für ihr Leben brauchten. Aus Studien wisse man, dass die Zufriedenheit der Bevölkerung mit den Institutionen des Staates und das Vertrauen in Gesellschaft und Demokratie wachse, wenn die Bürgerinnen und Bürger einen tatsächlichen Nutzen davon hätten, erklärte die Ministerin.
Gravierendes Hindernis beseitigt
Konkret ist etwa das Vorhaben, ein gravierendes Hindernis für die Digitalisierung der Verwaltung zu beseitigen, nämlich die Schriftformerfordernis. Bislang konnten viele Verwaltungsvorgänge nur dann abgeschlossen werden, wenn sie auf Papier festgehalten und mit Kugelschreiber oder Tinte unterschrieben wurden. Das bremste Verwaltungsverfahren, die eigentlich ausschließlich mit digitalen Dokumenten und elektronischen Signaturen arbeiten sollten.
Die Ministerin nannte zudem den Bereich Katastrophenschutz und damit verbunden den Schutz der Menschen vor den Folgen des Klimawandels. „Da staune ich manchmal, dass wir manche Dinge noch nicht auf den Weg gebracht haben und in manchen auch Arbeitsfelder noch nicht auf der Höhe der Zeit sind“, sagte Faeser mit Blick auf die Möglichkeit digitaler Frühwarnsysteme.
Die Verwaltung soll laut Faeser in den nächsten vier Jahren nicht nur digitaler, sondern auch agiler werden. „Wir werden behördenübergreifend, agile Projektteams und Innovationseinheiten einrichten, um die Digitalisierung der Verwaltung auf allen Ebenen mit großem Schub voranzubringen“, sagte sie. Ihr Ministerium werde dabei „große Reformvorhaben“ zu stemmen haben.
Als Beispiel nannte sie etwa die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Danach sollen bis Ende nächsten Jahres alle Verwaltungsleistungen in Deutschland on-line angeboten werden. In der Praxis bedeutet das: Über 6.000 Leistungen, zusammengefasst in 575 sogenannten OZG-Leistungsbündeln, müssen digitalisiert, verwaltungseigene Datenbanken miteinander vernetzt werden, vom Melde- bis zum Binnenschifffahrtsregister. Ob dieses Mammutprojekt rechtzeitig gelingt, ist allerdings fraglich.
Bundesregierung zieht Reißleine
Als weiteres Großprojekt nannte sie die sogenannte Registermodernisierung. Ein entsprechendes Gesetz hat der Bundestag in diesem Jahr beschlossen. Das Ziel ist nicht nur, sämtliche Register in Bund, Ländern und Kommunen zu digitalisieren. Durch die Nutzung der Steuer-Identifikationsnummer als Personenkennziffer sollen die Daten auch eindeutig zugeordnet werden können. Bürger bekommen damit Zugang zu allen öffentlichen Leistungen, ohne jedes Mal aufs Neue die nötigen Dokumente zusammentragen zu müssen.
Die IT-Konsolidierung des Bundes sieht Faeser ebenfalls als große Aufgabe. Schon seit 2015 arbeitet die Bundesregierung daran, sich selbst und ihren Behörden eine moderne, sichere und vor allem einheitliche IT zur Verfügung zu stellen. Dazu zählen Pc und Drucker, aber auch Software program wie Datenbanken und Mailsysteme.
Das Projekt kam nicht wirklich voran, weshalb die Bundesregierung im letzten Jahr die Reißleine zog und das gesamte Projekt neu strukturierte. Seitdem überwacht das Bundeskanzleramt das Vorgehen des Finanz- und Innenministeriums, die zuständig sind. Frühestens für 2028 rechnet das Kanzleramt jetzt damit, die IT-Konsolidierung komplett abgeschlossen zu haben.
Faeser ist sich der großen Herausforderungen bewusst. Deshalb sei es jetzt wichtig, genau zu prüfen, wo man stehe, um dann in den ersten 100 Tagen Ampelregierung viel auf den Weg zu bringen.
Mehr: Wie digitaler Nationalismus die Globalisierung bremst und die Weltwirtschaft spaltet