Köln Das französische Digital-Well being-Unternehmen Doctolib ist bislang vor allem für seine On-line-Buchung für Arzttermine bekannt. Nun hat es in einer Finanzierungsrunde 500 Millionen Euro eingeworben – und wird mit einem Schlag zu einem der wertvollsten Digital-Well being-Begin-ups in Europa.
Das eingeworbene Geld soll vor allem ins Deutschlandgeschäft investiert werden. Ilias Tsimpoulis, Deutschlandchef von Doctolib, betrachtet den deutschen Gesundheitsmarkt als wichtigsten in Europa: „Wir wissen, dass unser Marktanteil in Deutschland irgendwann wahrscheinlich größer sein wird als in Frankreich“, sagt er.
Gegründet wurde Doctolib von Stan Niox-Chateau, der zuvor an einem Unternehmen beteiligt battle, das Restaurant-Reservierungen on-line möglich macht. Aber nicht nur in Eating places hielten die Angestellten die Termine handschriftlich fest, auch in Arztpraxen benutzten Sprechstundenhilfe oft noch Stift und Papier. Das brachte Niox-Chateau auf die Idee, einen Service für die Vermittlung von Arztterminen anzubieten. Zusammen mit Partnern gründete er Doctolib im Jahr 2013 in Paris.
Während Patienten Doctolib vor allem wegen der SMS kennen, die sie an den nächsten Arzttermin erinnert, nutzen Ärzte die Doctolib-Software program auch für die Verwaltung der Patientendaten. Dafür zahlt ein Arzt 129 Euro im Monat. Laut Unternehmen sind in Deutschland 20.000 Ärzte zahlende Kunden von Doctolib.
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Insgesamt arbeiten nach Unternehmensangaben 50.000 Gesundheitsfachkräfte in Deutschland mit Doctolib, international sind es 300.000 Gesundheitsfachkräfte. Vor allem Praxisärzte nutzen die Dienste von Doctolib, aber auch Krankenhäuser zählen zu den Kunden.
Die Daten werden in Frankreich und Deutschland in einer Cloud gespeichert. Sie seien Ende-zu-Ende-verschlüsselt (E2EE) und erfüllen nach Angaben von Doctolib alle Requirements der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Das Begin-up könne sie nicht für eigene Zwecke verwenden. Im Januar hat Doctolib das französische Unternehmen Tanker übernommen, das Technologien zur Sicherung sensibler Daten anbietet.
Andere Software program-Anbieter beherrschen den Markt
Die Doctolib-Software program ist bislang allerdings lediglich ein Improve zu der Praxisverwaltungssoftware (PVS), mit der ein Praxisbetreiber seinen Behandlungsalltag organisiert. Über die PVS rechnet er zum Beispiel auch mit der Krankenkasse ab. Das meiste Geld, das ein Praxisarzt für IT-Dienstleistungen ausgibt, fließt deshalb auf die Konten anderer IT-Unternehmen.
Zum Beispiel auf jene der CompuGroup Medical (CGM), des Platzhirschs unter den PVS-Herstellern in Deutschland. Vergangene Woche hat CGM die Geschäftszahlen für 2021 vorgelegt und eine Umsatzsteigerung von 22 Prozent auf eine Milliarde Euro verkündet. Mit dem Geschäftssegment Praxisverwaltungssoftware verdiente das Koblenzer Unternehmen das meiste Geld: 476 Millionen Euro. Eine Umsatzsteigerung von 27 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020.
David Matusiewicz, Professor für Medizinmanagement an der privaten Hochschule für Oekonomie und Administration (FOM) in Essen, beobachtet, dass der deutsche Markt um die PVS von einigen wenigen Herstellern beherrscht wird. „Es wäre intestine, wenn ein neuer hinzukäme“, sagt er. Ein zweiter großer PVS-Anbieter ist Medatixx mit Sitz in Eltville am Rhein.
Geschäftsfeld ist „Wespennest“
Doctolib will mit dem eingesammelten Geld nun eine eigene PVS aufbauen. Eine klare Kampfansage in Richtung der bestehenden Hersteller. Ein Insider spricht in diesem Zusammenhang von einem „Wespennest“ und geht davon aus, dass Doctolib ein „großes Hallo hervorrufen wird“.
Doch Doctolib könnte nicht nur deutsche IT-Anbieter herausfordern. Die deutsche Arztpraxis ist längst in den Blick der europäischen Digital-Well being-Wirtschaft geraten. Der schwedische Videosprechstundenanbieter Kry verstärkt seit einigen Jahren seine Präsenz hierzulande und hat allein im vergangenen Jahr 262 Millionen Euro Risikokapital eingesammelt. Der polnische Gesundheitsanbieter Docplanner kaufte im November 2021 die Ärztebewertungsplattform Jameda, um das Geschäft in Deutschland anzukurbeln.
Die neue Doctolib-Software program soll mehr können als die Software program, die derzeit von Ärzten genutzt wird. Die Can-Do-Liste liest sich wie ein Gesetzesvorhaben aus dem Hause des ehemaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU), der zahlreiche Digitalisierungsgesetze für das Gesundheitswesen angeschoben hat: Es soll ein Doctolib-Patientenportal geben, mit dem der Affected person on-line und noch vor dem Praxisbesuch seine Daten an den Arzt übermitteln kann. Es soll eine Doctolib-Patientenakte geben, mit der ein Affected person seine Daten mit dem Arzt austauschen kann. Und es soll einen Doctolib-Messenger geben, mit dem Ärzte untereinander kommunizieren können.
„Wir werden die Entwicklung des Messengers zwischen den Ärzten und den Dokumentenaustausch zwischen Arzt und Affected person forcieren“, betont Tsimpoulis. Eine vollständig entwickelte PVS von Doctolib werde in diesem Jahr noch nicht auf den Markt kommen.
Wettbewerb um IT-Talente
Die Crux für Doctolib und alle Tech-Firmen in Deutschland ist die Akquise neuer Mitarbeiter. „Das ist die größte Herausforderung“, sagt Tsimpoulis. Derzeit arbeiten 600 Personen an elf Standorten in Deutschland für Doctolib. Nimmt man die französischen und italienischen Standorte hinzu, sind insgesamt 2300 Mitarbeiter beim Unternehmen beschäftigt. Insgesamt sollen in den nächsten fünf Jahren 3.500 neue Mitarbeiter eingestellt werden, 1000 davon in Deutschland. Allein das Tech-Group soll in Deutschland bis Ende des Jahres von 100 auf 200 Mitarbeiter anwachsen.
Derzeit erreicht Doctolib eigenen Angaben zufolge 60 Millionen Patienten. Der Großteil der Nutzer kommt aus Frankreich, in Deutschland nutzen laut Unternehmen zehn Millionen Patienten die Doctolib-Dienste. Seit dem vergangenen Jahr ist das Unternehmen auch in Italien aktiv.
Rentabel sei das Begin-up noch nicht, sagt Tsimpoulis, aber eine rein betriebswirtschaftliche Rentabilität sei, wie bei vielen Technologie-Unternehmen, in der Vergangenheit auch noch kein Ziel gewesen. US-amerikanische Fonds, wie Accel und Normal Atlantic, haben bei Doctolib investiert. „Andere altbekannte Bestandsinvestoren sind auch wieder dabei.“
Lead-Investor der jetzigen Runde sei der Kapitalgeber Eurazeo, sagt Tsimpoulis. Eurazeo ist ein in Paris und Luxemburg ansässiger Fonds. „Wir sehen, dass der Erfolg von Doctolib in den Märkten sehr stark ist“, betont Zoé Fabian, Deutschlandchefin bei Investor Eurazeo.
Rechnet man frühere Investmentrunden hinzu, haben Geldgeber laut Unternehmen insgesamt rund 900 Millionen Euro in Doctolib investiert. Der Wert von Doctolib liegt eigenen Angaben zufolge bei 5,8 Milliarden Euro. Steht das Börsendebüt an? Doctolib wäre das erste Digital-Well being-Unternehmen in Europa, das an die Börse geht. „Konkret ist der Börsengang nicht geplant“, sagt Tsimpoulis, „aber natürlich ist es ein mögliches Szenario.“
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