auch nach 21 Monaten folgt die Corona-Politik dem Kurs einer Achterbahn. Vor kurzem noch sollten wir uns an die „Hospitalisierungsrate“ gewöhnen, jetzt spielt sie kaum noch eine Rolle. Eben noch mussten sich auch Menschen mit dritter Impfung für Kino, Theater und dergleichen testen lassen, jetzt sind „Booster-Bürger“ nach den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen davon befreit.
Gestern noch schien sicher, dass für die Impfen!-Impfen!-Kampagne genügend Stoff vorhanden ist, nun verkündet Inventur-Leiter Karl Lauterbach: Es reicht nicht fürs erste Quartal 2022. An der Überwindung des Impfstoffmangels arbeite er seit Tagen, so der Gesundheitsminister: „Aber in der Tat, wir haben zu wenig Impfstoff. Das hat viele überrascht – mich auch.“ Der SPD-Politiker macht im Amt mit dem Alarmmodus da weiter, wo er in der letzten Talkshow aufgehört hat.
Demnächst wird Vorgänger Jens Spahn bei „Lanz“ oder sonstwo begründen, warum alles ganz anders ist. Gerade ist er übrigens von der Unionsfraktion als Vize, zuständig für Wirtschaft, gewählt worden. Neben der Rolle als „Anti-Habeck“ wird es für Auftritte als „Anti-Lauterbach“ vermutlich aber noch reichen.
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Das Omikron-Risiko, über das wir in unserer Titelgeschichte schreiben, veranlasst die Wirtschaftsforschungsinstitute, ihre Prognosen drastisch zu reduzieren. So rechnet das Ifo-Institut mit 0,6 Prozentpunkten weniger Wirtschaftswachstum im Vergleich zum Sommer. 2022 lege das Bruttoinlandsprodukt demnach nur um 3,7 Prozent statt um 5,1 Prozent zu.
Die Wirtschaft werde „spürbar ausgebremst“, sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Sogar lediglich 3,5 Prozent erwartet das Institut für Wirtschaftsforschung Halle. In dieser Not halten wir uns lieber an den Spruch, wonach es kein Wunder gibt für jemanden, der sich nicht wundern kann.
Aber es gibt auch bessere Nachrichten zum Non-Cease-Thema Pandemie. Der US-Pharmakonzern Pfizer, Accomplice von Biontech in Mainz, sieht nach finalen Studien-Auswertungen die hohe Wirksamkeit seiner Anti-Corona-Pille bestätigt. Danach zeige die Tablette quick 90 Prozent Wirksamkeit bei der Vorbeugung von Krankenhausaufenthalten und bei Hochrisiko-Patienten. Man müsse nur innerhalb von drei Tagen nach Auftreten erster Symptome mit der Behandlung beginnen. Jüngste Labortests würden zudem darauf hindeuten, dass Pfizers Pille gegen die aktuelle Omikron-Variante wirksam bleibt.
Eine gewisse Wirksamkeit darf man sich auch von sechs TV-Spots erhoffen, in denen Christoph Maria Herbst in seiner Paraderolle als Büro-Drache Bernd Stromberg auftritt. Er agiert als Impfgegner: „Impfen? Nee! Was weiß denn ich, was die da reinpanschen, in diese, äh, Impfe?“ Das sei doch wie bei der Leberwurst – doch am Ende lässt sich Ekel Bernd überzeugen. Die Lage ist so ernst, dass es auch mal lustig sein kann.
Am heutigen Mittwoch steht im Bundestag eine spannende Wahl an: Werden die Ampel-Koalitionsparteien und die Linke kollektiv den AfD-Kandidaten als möglichen Leiter des Innenausschusses durchfallen lassen? Weil Grüne und FDP lieber die Ausschüsse für die Ressorts Außen, Europa und Verteidigung dirigieren wollten, wurde der Innen-Posten überhaupt erst vakant für den Bewerber Martin Hess, 50, einen ehemaligen Polizeihauptkommissar aus Baden-Württemberg. Er betont, impartial und unabhängig agieren zu wollen.
Andererseits sind bei der AfD die Grenzen zum Rechtsextremismus nicht gerade ein Bollwerk, und im Innenausschuss dürften die Umtriebe von „Querdenkern“ und Rechtsradikalen immer wieder Thema sein. „Ich bin empört darüber, dass es nicht gelungen ist, diesen Ausschussvorsitzenden anders zu besetzen als durch ein AfD-Mitglied“, sagt Alexander Dobrindt von der CSU. Seine Partei besetzte diesen Posten zuletzt zu einer Zeit, als der Bock noch kein Gärtner battle.
Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis klingt genauso wie seine Amtskollegen aus Frankreich und Italien: Die Regeln des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts seien „obsolet“. Sie sehen bekanntlich maximal drei Prozent Etatdefizit im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sowie eine Staatsschuldenquote von höchstens 60 Prozent vor – Werte, von denen sich alle drei Länder weit entfernt haben.
Im Handelsblatt-Interview plädiert Kyriakos Mitsotakis dafür, „verschiedene Ausgabentypen unterschiedlich zu behandeln“ und redet gegen „unnötige Austerität“ an. Aus dem 720 Milliarden Euro großen Aufbau- und Resilienzfonds der EU solle ein dauerhaftes Instrument werden, findet der konservative Politiker. So wird auch aus Athen für die nötige Einstimmung auf den EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel gesorgt.
Einen ganz besonderen Termin hat die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James gleich im neuen Jahr für Ex-Präsident Donald Trump reserviert. Er soll am 7. Januar in ihrem Büro eine außergerichtliche schriftliche Aussage an Eides statt zur Lage in seinem Immobilien- und Vermarktungskonzern machen. Es geht darum, so Eingeweihte, ob die Trump Group bei der Bewertung von Grundstücken betrogen hat. Trump hält die Aktion der Justiz für politisch motiviert und geht dagegen vor Gericht vor. Ihre Kampagne für die Wahl zur Gouverneurin suspendiert Letitia James angesichts der neuesten Entwicklung in der Serie „Einsatz in Manhattan“.
Früher schauten Investoren bei Firmen auf Dinge wie Cashflow oder das Kurs-Gewinn-Verhältnis. Mittlerweile messen sie auch, wie es nach den „ESG-Kriterien“ bei Nachhaltigkeit, sozialem Verhalten und guter Unternehmensführung aussieht. Der Schweizer Vermögensverwalter Globalance hat gerade eine Negativ-Hitliste für die größten Klimaerhitzer im Dax zusammengestellt, die unserer Redaktion vorliegt.
Hier steht Linde mit einem „Erwärmungspotenzial“ von 8,23 Grad Celsius vorn, gefolgt von den noch stark auf „Benziner“ setzenden Autokonzernen Volkswagen (7,48 Grad) und Daimler (7,15 Grad). Am besten schneiden noch Zalando (2,88 Grad) und BMW (3,03 Prozent) ab.
Und dann ist da noch Jens Stoltenberg, 62, Nato-Generalsekretär, der von einer politischen zu einer wirtschaftlichen Macht wechseln will. Er habe große Lust auf den Job an der Spitze der norwegischen Zentralbank, äußert sich der Sozialdemokrat öffentlich. Zum Aufgabengebiet würde die Aufsicht über den aus Öleinnahmen gespeisten weltgrößten Staatsfonds gehören: Er verwaltet 1,4 Billionen Greenback und sortiert aktuell neun Konzerne aus ökologischen Gründen aus. 65 weitere hätten ein „hohes Nachhaltigkeitsrisiko“.
Neben den üblichen Themen wie Geldpolitik gäbe es additionally genug zu tun für Stoltenberg – er müsste sich nur noch gegen 21 andere Kandidatinnen und Kandidaten durchsetzen. Albert Camus rät: „Die wahre Großzügigkeit gegenüber der Zukunft besteht darin, in der Gegenwart alles zu geben.“
Ich wünsche Ihnen einen durch und durch produktiven Tag.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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