Berlin Vor dem Coronagipfel in der kommenden Woche nimmt die Kritik an den geplanten Lockerungen der Ampelkoalition zu. „Wir erleben durch die ansteckendere BA.2-Variante eine Welle mit täglich 200 bis 300 Toten – trotz der noch geltenden Maßnahmen“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) dem Handelsblatt. „Ich finde es nicht klug, in dieser Lage alle Vorsicht fallen zu lassen.“
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg am Sonntag laut Robert Koch-Institut auf 1526,8 Neuinfektionen professional 100.000 Einwohner und Woche. Binnen eines Tages wurden 146.607 Corona-Neuinfektionen gezählt.
Der Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) soll in der kommenden Woche im Bundestag verabschiedet werden. Die Länder sollen dann dafür verantwortlich sein, welche weitergehenden Schutzmaßnahmen in additional zu bestimmenden Hotspots noch gelten. Auch daran übte Weil Kritik.
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„Diese Regel hilft uns nicht weiter“, sagte er. „Sie gibt uns nicht mehr alle Sicherungsinstrumente, die uns derzeit helfen.“ Es fehle beispielsweise das Abstandsgebot und damit Kapazitätsbeschränkungen für Großveranstaltungen. „Außerdem hängt die Latte für einen Hotspot so hoch und ist das Verfahren so umständlich, dass die Anwendung dieser Vorschrift sehr schwer wird.“ Er glaube nicht, dass „wir die Pandemie so in den Griff bekommen“, sagte Weil.
„Das kostet wertvolle Zeit“
Um die Regel umzusetzen, sei eine Sondersitzung des Landtags nötig. Zudem müsse nachgewiesen werden, welche Maßnahmen konkret notwendig seien und dass eine Überlastung des Gesundheitssystems drohe. „Das kostet wertvolle Zeit“, sagte Weil. „Wir haben im Herbst 2020 den Fehler gemacht, mit Schutzmaßnahmen zu lange zu warten. Diesen Fehler sollten wir nicht noch einmal machen.“
Zwar würde sich die Lage spätestens in sechs bis acht Wochen entspannen. „Im Herbst aber sieht es dann schon wieder anders aus“, sagte Weil. „Wenn es schlecht läuft, gibt es dann eine neue Mutation, oder Delta kehrt zurück oder eine Variante aus unterschiedlichen Mutationen.“ Darauf müsse sich das Land vorbereiten – „nicht nur mit einem intestine bestückten Instrumentenkasten, sondern auch mit einer hohen Impfquote“.
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht Deutschland mit dem überarbeiteten Infektionsschutzgesetz neuen Virusvarianten schutzlos ausgesetzt. Der Entwurf der Ampel habe echte Lücken und Schwächen, sagte Söder der „Bild am Sonntag“.
„Im Grunde gibt es keine echten Schutzmaßnahmen mehr. Damit stehen wir im Herbst neuen Mutationen schutz- und wehrlos gegenüber. So ist das weitgehende Weglassen der Maske verfrüht und kann zum Beispiel in der Schule rasch zu einer sogenannten Durchseuchung führen“, meinte er.
Söder kritisierte insbesondere Gesundheitsminister Lauterbach. „Der Bundesgesundheitsminister rechnet mit neuen Wellen, und die Ampel schafft gleichzeitig alle Maßnahmen ab“, sagte er mit Blick auf die rot-grün-gelbe Bundesregierung. „Wenn es nach dem Willen der Ampel geht, ist Corona ab nächster Woche Geschichte. Aber das ist doch nicht die Realität.“
Lockere Regeln am Arbeitsplatz
Tatsächlich hatte Lauterbach am Freitag ein düsteres Bild der Pandemielage gezeichnet. „Wir sind in einer kritischen State of affairs“, sagte er. Die Untervariante BA.2, auf die laut RKI rund jede zweite Infektion zurückzuführen sei, sei ein Downside „für die Krankenhausauslastung und für die Menschen, die an Covid versterben“.
Lauterbach: „Werden ohne allgemeine Impfpflicht die Pandemie im Herbst nicht in den Griff bekommen“
Laut RKI werden derzeit rund 2000 Covidpatienten auf den Intensivstationen behandelt. Zudem seien in den vergangenen vier Wochen mehr als 4200 Menschen an einer Infektion gestorben, aktuell gebe es 1000 Todesfälle professional Woche.
Neben Lockerungen des Infektionsschutzgesetzes plant die Regierung auch, die Coronaregeln am Arbeitsplatz ab dem Frühlingsanfang zu entschärfen. Im Entwurf einer Verordnung des Bundesarbeitsministeriums ist vorgesehen, dass die Arbeitgeber selbst die Gefährdung durch das Virus einschätzen und in einem betrieblichen Hygienekonzept entsprechende Maßnahmen festlegen sollen.
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Die Arbeitgeber sollen dabei auch das regionale Infektionsgeschehen berücksichtigen. Prüfen sollen sie dem Entwurf zufolge, ob sie den Beschäftigten einen Coronatest professional Woche anbieten, ob sie Schutzmasken bereitstellen und ob Beschäftigte im Homeoffice arbeiten sollen. Auch über Schutzmaßnahmen wie Abstands- und Hygieneregeln oder eine Maskenpflicht sollen Betriebe künftig selbst entscheiden.
Bis einschließlich 19. März sind Arbeitgeber noch verpflichtet, in ihren Betrieben mindestens zweimal professional Woche Exams anzubieten. Wo es nicht durch andere Maßnahmen genügend Schutz gibt, gilt derzeit auch noch eine Maskenpflicht.
Neben diesen Regeln gelten betriebliche 3G-Regelungen, nach denen Beschäftigte Impf-, Genesenen- oder Testnachweise mitführen müssen. Homeoffice ist Pflicht, wenn es von der Artwork der Arbeit her möglich ist. Geplant ist, dass die neue Verordnung am Mittwoch im Kabinett beschlossen wird.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte: „Wir müssen gemeinsam weiter dafür sorgen, dass der Arbeitsplatz kein Infektionsort wird.“ Deshalb sollten auch hier Basisschutzmaßnahmen erhalten bleiben.
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