Es seien bereits rund 520.000 Menschen in umliegende Länder geflohen – unter anderem nach Polen, Ungarn und auch nach Russland, teilte Uno-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi mit. Er habe so einen raschen Anstieg der Zahl von Flüchtlingen selten gesehen.
Auch Deutschland erwartet eine größere Zahl von Menschen. Zunächst würden die Flüchtlinge die Nachbarstaaten Polen oder Rumänien erreichen. „Es ist aber davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit möglicherweise deutlich mehr als 100.000 Menschen auch in Deutschland ankommen werden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, dem Handelsblatt.
Erste Kriegsflüchtlinge trafen am Wochenende in der Bundesrepublik ein, ihre Zahl conflict aber zunächst noch relativ gering. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Sonntagabend nach einem Treffen mit ihren EU-Kollegen gesagt: „Alle EU-Staaten sind zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine bereit. Das ist eine starke Antwort Europas auf das furchtbare Leid, das (Präsident Wladimir) Putin mit seinem verbrecherischen Angriffskrieg verursacht.“
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Die FDP macht sich derweil für einen Flüchtlingsgipfel stark, um die Aufnahme von Flüchtenden zu koordinieren. „Die Einberufung eines Krisengipfels in Deutschland wäre ein wichtiger Schritt, um die kommenden Herausforderungen gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen koordiniert aufzufangen“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, dem Handelsblatt.
Auch wenn in der aktuellen Lage noch nicht abzusehen sei, wie lange der Flüchtlingsstrom andauern werde, müsse man schon jetzt Vorsorge treffen, um vor allem Frauen und Kinder unterzubringen. „Die spontane Unterbringung bei Familien und Freunden ist auf Dauer für die Menschen keine Lösung“, so der FDP-Innenpolitiker.
Bund und Länder sollen Flüchtlingskosten übernehmen
Der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernhard Daldrup, mahnte, „intestine vorbereitet, aber nicht überhastet“ vorzugehen. Bei größeren Flüchtlingsströmen werde ein Teil davon sicherlich auch nach Deutschland wollen, sagte er. Aber wie sich die Menschen verteilten, sei zum jetzigen Zeitpunkt unklar, ein Flüchtlingsgipfel käme daher zu früh. Wichtig sei, dass sich das Bundesinnenministerium eng mit den Ländern und diese sich wiederum mit den Kommunen und den kommunalen Spitzenverbänden austauschten.
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Die Union gibt indes zu bedenken, dass Unterbringungsmöglichkeiten in den Bundesländern bereits vor der Eskalation in der Ukraine begrenzt waren. „Wir brauchen jetzt eine schnelle und verlässliche Bestandsaufnahme und ein kontinuierlich fortgeschriebenes Lagebild über die bundesweit zur Verfügung stehenden Kapazitäten“, sagte Fraktionsvizin Andrea Lindholz (CSU) dem Handelsblatt.
„Ein Flüchtlingsgipfel wäre nur ein Schritt von vielen.“ Viel entscheidender sei eine „systematische und dauerhafte Koordinierung zwischen allen relevanten Akteuren“.
Die Kommunen sowie die Immobilienwirtschaft mahnten zur Eile, um sich für größere Fluchtbewegungen aus der Ukraine zu wappnen. „In einem ersten Schritt ist es jetzt Aufgabe von Bund und Ländern, gemeinsam mit den Kommunen die notwendigen Vorbereitungen für die Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten zu treffen“, sagte Städtebundchef Landsberg. „Ein Flüchtlingsgipfel unter Einbeziehung weiterer Akteure sollte dann in einem zweiten Schritt zeitnah folgen.“
Der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft ZIA wandte sich in einem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit der Bitte, aufgrund der kommenden Herausforderungen einen Flüchtlingsgipfel anzusetzen. „Es gibt bereits jetzt krisenbedingte Anfragen auf die Bereitstellung von Wohnungen und soziale Initiativen unserer Wohnungsfirmen“, sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner. „Wir müssen uns schon jetzt auf noch wachsende Bedarfe an Unterbringungen und Wohnen vorbereiten, da unsere Lage ohnehin schon angespannt ist.“
So berichtet das Handelsblatt über die Entwicklungen im Ukrainekrieg:
Die Städte und Gemeinden sind laut Landsberg bereit, die Menschen im Rahmen ihrer Möglichkeiten aufzunehmen, zu versorgen und zu integrieren. „Neben Unterkunft und Verpflegung gehören insbesondere auch Kitaplätze und die Bereitstellung von Unterrichtsmöglichkeiten in den Schulen zu den erforderlichen Maßnahmen“, sagte der Städtebundchef.
„Wir erwarten allerdings, dass die Länder auch ihre Erstaufnahmeeinrichtungen wieder in Betrieb nehmen und die Verteilung der ankommenden Menschen organisieren“, fügte Landsberg hinzu. Die Kosten dieser „gesamtgesellschaftlichen Herausforderung“ müssten dauerhaft vom Bund und den Ländern übernommen werden.
Die Flüchtlingskosten könnten die öffentlichen Haushalte mehrere Jahre belasten. Die Europäische Union bereitet sich schon darauf vor, Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine ein Bleiberecht von bis zu drei Jahren zu gewähren.
Die EU-Innenminister wollen sich am Donnerstag erneut treffen, um sich auf die Particulars zu einigen. Dabei geht es um die EU-Richtlinie zur Gewährung vorübergehenden Schutzes, die nach dem Krieg auf dem Balkan in den 1990er-Jahren ausgearbeitet worden ist, aber bisher nicht angewandt wurde. Laut Faeser müssen Geflüchtete aus der Ukraine kein Asylverfahren durchlaufen.
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