Zur Aufarbeitung gehört auch: Manches war Quatsch!
„Nein, ein Buch lesen auf einer Bank ist nicht erlaubt“. Allein dieser Tweet der Münchner Polizei beweist: Michael Müller hat mit seiner Idee einer Corona-Amnestie absolut recht.
Der Tweet stammt vom 7. April 2020. Wir befanden uns mitten im Corona-Lockdown, arrangierten uns so gut es ging mit Homeoffice und Homeschooling, machten Zoom-Calls mit Oma und erklärten den Kindern, warum sie nicht mehr in die Kita gehen durften und das Fußballtraining ausfiel. „Nicht mal Lesen? Nicht mal allein?“, dachte ich damals. Daran kann ich mich gut erinnern. Irre Zeiten, schaut man zurück. Die meisten von uns haben dennoch nach Kräften versucht, sich solidarisch und verantwortungsvoll zu verhalten.
Wir haben trotzdem nicht alles richtig gemacht. Wir alle nicht. Meine Frau, meine Kinder und ich haben – jawohl – befreundete Familien getroffen, weil sich die Kids so jämmerlich gelangweilt haben. Wissenschaftler haben sich früh sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Die Politik hat Beschränkungen beschlossen, die teilweise – teilweise (!) – dem Virus weniger geschadet haben als den Grundrechten derer, die sie schützen wollten. Und die Behörden haben bei der Verfolgung von Zuwiderhandlungen manchmal den Bogen überspannt.
Wenn Michael Müller nun den Gedanken einer Amnestie für besonders absurde Corona-Vergehen ins Spiel bringt, dann fällt mir dieser „Lesen verboten“-Tweet der Polizei München ein. Er war wirklich absurd, und so verstehe ich die Idee einer Amnestie für Corona-Vergehen.
Denn rückblickend war es eben kein Superspreading-Event, auf einer Bank in der Sonne ein Buch zu lesen. Und ob man sich zu fünft oder zu sechst zum Spaziergang getroffen hat, war eben egal. Manche Beschränkung hat sich in der Tat als Quatsch erwiesen. Manches harsche Urteil hat uns als Gesellschaft entzweit. Mancher Strafbefehl ist heute, was seine Verhältnismäßigkeit angeht, das Papier nicht wert, auf dem er ausgestellt ist.
Zur Aufarbeitung der Corona-Zeit gehört diese Erkenntnis dazu. Nicht, um mit dem Finger auf die zu zeigen, die damals übers Ziel hinausgeschossen sind. Kein Politiker, kein Wissenschaftler und erst recht kein Polizist hat wirklich gewusst, was richtig und falsch ist. „Wir werden einander viel verzeihen müssen“, hat Jens Spahn während der Pandemie schon gesagt, und er hat recht behalten.
Noch können wir manche Fehler beheben. Wer beim Besuch seiner Liebsten erwischt wurde, die er bitter vermisste, wer Kranken Gesellschaft leistete und wer verflixt noch mal ein Buch las im Park, weil ihm zu Hause die Decke auf den Kopf fiel, dem lasst uns das verzeihen. Nach klaren juristischen Kriterien.