Frankfurt Investoren und Anleger erwarten vom Dax-Unternehmen Fresenius dringend Neuigkeiten zum Thema Konzernumbau und einer möglichen Abspaltung von Unternehmensbereichen. An diesem Dienstag könnte es so weit sein: Dann legen der Gesundheitskonzern und seine ebenfalls im Dax notierte Dialysetochter Fresenius Medical Care ihre Jahreszahlen vor.
„Derzeit gibt es wohl nur eine Sache, die das Fresenius-Administration tun kann, um den Wert zu erhöhen: Spin-offs“, meint Analyst Daniel Grigat von der Investmentbank Stifel.
Insbesondere eine Trennung von der Dialysetochter Fresenius Medical Care wird von vielen Investoren favorisiert. „Eine Abspaltung würde den Investoren und Aktionären neue Perspektiven eröffnen“, sagt Sébastien Buch, Fondsmanager bei Union Funding, dem Handelsblatt.
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Der einstige Börsenliebling Fresenius hat nach einer abgeblasenen Übernahme und zwei Gewinnwarnungen 2018 viel Vertrauen der Anleger verloren. Nach einem Übergangsjahr 2019 mit Effizienzmaßnahmen und Investitionen sollte die Wende kommen. Die Coronapandemie aber machte die Pläne zunichte.
Abspaltungen liegen im Pattern
Insbesondere die Dialysetochter Fresenius Medical Care ist stark betroffen: Weil überproportional viele Dialysepatienten gestorben sind, erwartet die größte Konzerntochter 2021 einen Gewinneinbruch um ein Viertel. FMC und Fresenius haben neue Effizienzprogramme angestoßen, die aber Zeit brauchen, um Wirkung zu zeigen.
Die Aussicht auf eine Überprüfung der Konzernstruktur gab der Fresenius-Aktie im vergangenen Jahr eine Zeit lang Aufwind. Aber Administration und Aufsichtsrat dämpften die Erwartungen auf einen schnellen Umbau dann wieder.
Dabei liegen Abspaltungen im Pattern. Quer über alle Branchen trennen sich Unternehmen von Geschäftsfeldern, um ihre starken Säulen weiterzuentwickeln. Fokussierte Unternehmen erzielen an der Börse höhere Bewertungen als diversifizierte Konzerne – und Fresenius ist breit im Gesundheitsmarkt aufgestellt.
>>> Lesen Sie hier: Wie sich andere Abspaltungen in der Vergangenheit für die Aktionäre auswirkten
Mit seinen vier Geschäftsfeldern nimmt das Unternehmen in vielen Märkten eine führende Place ein. Die Tochter Fresenius Medical Care, die für rund die Hälfte des Umsatzes von Fresenius steht, ist der weltgrößte Dialyseanbieter. Helios ist ein führender Klinikkonzern in Europa. Kabi bietet Infusionsmedikamente und Ernährungslösungen, und die kleinste Konzerntochter, Vamed, errichtet und betreibt Krankenhäuser.
Beim Gesamtkonzern Fresenius, der 2020 mehr als 36 Milliarden Euro Umsatz und 1,7 Milliarden Euro Gewinn erzielt hat, dürfte die Summe der Teile mehr wert sein als der Gesamtkonzern.
Während Fresenius laut Bloomberg bei einem Unternehmenswert von rund 58 Milliarden Euro mit dem Achtfachen des Ebitda bewertet wird, kommt Tochter Fresenius Medical Care mit einem Unternehmenswert von rund 31 Milliarden Euro auf mehr als das Neunfache. Auch die anderen Unternehmensbereiche dürften relativ höher bewertet werden als der Gesamtkonzern.
Das Geschäft der Fresenius-Medikamentensparte Kabi ist zum Teil vergleichbar mit dem von Generika-Unternehmen wie Teva oder Viatris, die laut Bloomberg aktuell mit mehr als dem zehnfachen Ebitda bewertet werden.
Und bei börsennotierten Krankenhauskonzernen in den USA, die allerdings nur bedingt mit Helios zu vergleichen sind, liegt der Unternehmenswert bei dem Sieben- bis Achtfachen des Ebitda.
Stifel-Analyst Grigat errechnet für Kabi, Helios und Vamed zusammen einen Unternehmenswert von rund 36 Milliarden Euro. Inklusive FMC würde sich der theoretische Unternehmenswert von Fresenius damit Richtung 70 Milliarden Euro bewegen.
Für die Trennung von FMC sprechen nach Ansicht der Märkte viele Gründe: Fresenius hält nur 32 Prozent der Aktien, kontrolliert das Unternehmen aber über die Struktur einer Kommanditgesellschaft auf Aktien und konsolidiert es voll. „Mit einem Spin-off von FMC wäre Fresenius auch einen großen Teil an Belastungsfaktoren los, die die Dialysetochter derzeit hat“, meint Fondsmanager Buch.
Investoren spekulieren auch über Kabi-Abspaltung
Bei FMC dürfte nach der Übersterblichkeit der Patienten in der Pandemie jetzt das Drawback hoher Lohnkostensteigerungen kommen, erwartet Buch: „Pflegepersonal im Dialysebereich ist knapp. Hinzu kommt die hohe Inflation in den USA. Im Lauf der Zeit werden die Erstattungssätze zwar angepasst, aber das geschieht erst mit Verzögerung von etwa zwei Jahren“, so der Experte.
Mit einer Trennung von FMC könnte Fresenius außerdem seine überaus komplexe Berichterstattung deutlich vereinfachen und auch die hohe Verschuldung von zuletzt 24,8 Milliarden Euro senken, was Spielraum für Akquisitionen und damit neue Wachstumsoptionen für Fresenius eröffnen könnte. Nach Ansicht von Berenberg-Analyst Tom Jones sind die Synergien zwischen den beiden Geschäften immer schwerer zu erkennen, und das Kapital aus einem Verkauf könnte in den anderen Geschäftsfeldern investiert werden.
Aber auch über die Möglichkeit, die Medikamentensparte Kabi abzuspalten, wird an den Märkten spekuliert. Das könnte Fresenius deutlich mehr Geld einbringen als ein Verkauf der FMC-Anteile. Stifel-Analyst Grigat geht von einem Unternehmenswert der Kabi-Sparte von knapp 18 Milliarden Greenback aus. Weil Kabi aber das ureigene Geschäft des mittlerweile 110 Jahre alten Fresenius-Konzerns ist, halten viele Analysten diese Choice nicht für sehr wahrscheinlich.
„Grundsätzlich könnte Kabi intestine eine eigene Börsenstory liefern. Aber daran wird das Administration von Fresenius vermutlich nicht rütteln. Das Unternehmen hat Entwicklungsperspektiven unter anderem im Bereich der Biosimilars. Dieses Potenzial will man sich erhalten“, sagt Union-Fondsmanager Buch. Zudem hatte Fresenius vergangenes Jahr Ex-Siemens-Supervisor Michael Sen an die Spitze von Kabi geholt, um den Unternehmensbereich auf Effizienz und Wachstum zu trimmen. Das wird als strategische Entscheidung gewertet: Sen wird von den Investoren als potenzieller Nachfolger von Fresenius-CEO Stephan Sturm, 58, gesehen.
Auch eine Abspaltung von Helios, deren Unternehmenswert von Stifel mit mehr als 16 Milliarden Euro veranschlagt wird, wäre möglich, gilt bei vielen Analysten aber als ebenfalls nicht sehr wahrscheinlich: Da bei Covid kein Ende in Sicht ist, lägen Krankenhäuser derzeit nicht in der Gunst von Investoren, meint Stifel-Analyst Grigat.
Auch für Union-Fondsmanager Buch spricht die Großwetterlage im Krankenhausmarkt gegen eine Abspaltung. In der Pandemie habe der Krankenhaussektor eine neue Aufmerksamkeit bekommen. „Die Gesellschaft findet es intestine, dass sich das Krankenhaussystem zu einem großen Teil in öffentlicher Hand befindet“, sagt er. Das sei der Akquisitionsstrategie von Helios nicht zuträglich.
Mitarbeit: Arno Schütze
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