Das Geschäft der Mafia läuft trotz Krisen immer – in Italien, Russland und Deutschland. Roberto Saviano hat den Kriminellen den Kampf angesagt. Im Gespräch erklärt der Autor, was gerade Deutschland gegen die Organisierte Kriminalität tun sollte.
Ruhe ist der Mafia am liebsten, so laufen ihre „Geschäfte“ ungestört. Doch Roberto Saviano will ihr die Ungestörtheit nicht gönnen. Immer wieder klagt der Bestsellerautor die Organisierte Kriminalität an, deckt ihre Aktivitäten in seinen Büchern auf. Dafür zahlt Saviano einen hohen Preis: Die Mafia bedroht sein Leben, seit fast zwei Jahrzehnten lebt der Italiener unter Polizeischutz.
Gerade hat Saviano in seinem neuen Buch „Falcone“ einem der erfolgreichsten Mafia-Jäger ein literarisches Denkmal gesetzt: Giovanni Falcone starb 1992, getötet durch einen Sprengstoffanschlag. Woher nimmt Saviano den Mut zum Durchhalten? Warum ist Deutschland immer noch so attraktiv für die Mafia, die auch in Russland so mächtig ist? Und wird sich die Mafia jemals besiegen lassen? Diese Fragen beantwortet Roberto Saviano im Gespräch.
t-online: Herr Saviano, ist Deutschland noch immer ein „Eldorado“ für die Mafia?
Roberto Saviano: In Deutschland sieht man kaum Leichen, von den Mafiamorden 2007 vor einer Duisburger Pizzeria abgesehen. Das bedeutet aber nicht, dass die Mafia dort nicht aktiv wäre. Geldwäsche ist in Deutschland immer noch sehr, sehr einfach. Die verschiedenen italienischen Mafiaorganisationen machen jährlich einen Umsatz von 100 Milliarden, diese gewaltigen Summen wollen investiert werden. Also, ja, Deutschland ist immer noch ein Eldorado für die Mafia.
Die Mafia wird gerne als „italienisches Problem“ abgetan. Was halten Sie davon?
Das ist kompletter Unsinn. Die Mafia ist kein italienisches Problem, sondern ein europäisches und internationales. Schauen wir doch auf das Geld: Das meiste davon liegt in London, in Deutschland, in Osteuropa. In Italien selbst investiert die Mafia immer weniger.
Wie definieren Sie den Begriff „Mafia“?
Mafia beschreibt strukturierte kriminelle Organisationen mit einem Regelwerk, die in der Lage sind, die Politik, die Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben eines ganzen Staates zu beeinflussen. Das Phänomen Mafia reicht deswegen auch weit über Italien hinaus. Nehmen wir Russland als Beispiel: Wladimir Putins Reich ist durch und durch mafiös, die russische Mafia weit über die Grenzen des Landes hinaus aktiv. Deutschland trägt hier eine enorme Verantwortung, dem Einhalt zu gebieten. Bislang versagt Deutschland aber in dieser Hinsicht. Es ist den dortigen Behörden bislang nie gelungen, wichtige Ermittlungen zur Bekämpfung der russischen Organisierten Kriminalität durchzuführen.
Zur Person
Roberto Saviano, 1979 in Neapel geboren, ist italienischer Schriftsteller und Journalist. 2006 machte der Tatsachenroman „Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra“ Saviano weltweit bekannt. Seitdem lebt der Mafia-Gegner wegen der Bedrohung durch die Organisierte Kriminalität unter Polizeischutz. Saviano ist Träger verschiedener Auszeichnungen, wie dem Geschwister-Scholl Preis. Seine Bücher, darunter „ZeroZeroZero. Wie Kokain die Welt beherrscht„, über die Mafia und den Drogenhandel sind internationale Bestseller. Gerade ist Savianos neuester Roman „Falcone“ über den 1992 ermordeten Mafia-Jäger Giovanni Falcone im Hanser-Verlag erschienen.
In Italien stellten sich mutige Männer wie Giovanni Falcone den Kriminellen entgegen, 1992 ermordete die Mafia den Juristen mittels einer Autobombe. Nun haben Sie Ihr neues Buch „Falcone“ dem Mafia-Jäger gewidmet. Was bedeutet er für Sie persönlich?
Falcone war ein Mann, der sich für die Wahrheit entschieden hatte, ein Mann, der bereit war, für sie zu kämpfen. Und immer wieder versucht hat, mutig zu sein. Denn man muss sich tatsächlich dazu entscheiden, mutig zu sein. Niemand wird entweder mit oder ohne die Fähigkeit geboren. Falcone hatte diesen Mut, seinen eigenen Lebensweg zu gehen und zu kämpfen – ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. Wir verdanken ihm aber noch viel mehr.
Wo wird Geld zum Verbrechen, wo werden Geschäfte zu Verbrechen? Falcone vermochte es, ein grundlegendes Verständnis des kriminellen Kapitalismus zu lehren und zu vermitteln. Das hat es mir wiederum ermöglicht, die Welt besser zu verstehen: Man darf das Böse nicht mit den Augen derjenigen betrachten, die ohnehin auf der richtigen Seite stehen. Sondern vielmehr, warum das Böse, die Mafia, so handelt, wie sie handelt. Das ist ein großer Unterschied.
Haben Sie ein praktisches Beispiel?
Folgen Sie dem Geld. Geld ist immer der Dreh- und Angelpunkt.
Wie Giovanni Falcone haben Sie sich dem Kampf gegen die Mafia verschrieben. Spüren Sie auch deswegen eine Verbundenheit zu ihm?