Russland wirft dem Westen immer wieder vor, politische Fragen mit zweierlei Maß zu messen. Und natürlich immer zuungunsten Moskaus. Das lässt tief blicken, denn es lässt erahnen, dass der Kreml genau so selbst verfährt.
Und er liefert auch gleich einen Beweis: Noch am Mittwochmorgen warnte der Sprecher von Russlands Präsident Wladimir Putin ausländische Kräfte vor einer Einmischung in den blutigen Konflikt in Kasachstan. Nicht einmal 24 Stunden später landeten russische Fallschirmjäger in dem Nachbarstaat.
Offiziell ist dies der erste Einsatz des von Russland mit den Staaten Zentralasiens geschlossenen Bündnisses zur kollektiven Sicherheit (ODKB). Dieses soll laut Statuten nur bei einer äußeren Bedrohung von einem der Mitgliedstaaten erfolgen können.
Und so behaupten der Kreml und der kasachische Staatschef Kassym-Schomart Tokajew, dass der Westen wieder einmal eine „Farbrevolution“ anfache, additionally den Umsturz in einer ehemaligen Sowjetrepublik, und seinen „Demokratieexport“ betreiben würde. Beweise gibt es dafür nicht ansatzweise. Vielmehr deutet sehr vieles darauf hin, dass Tokajew seinen langjährigen Förderer Nursultan Nasarbajew aus dem Land drängt und die Macht übernimmt.
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Nasarbajew, einst im Zentralkomitee der KPdSU, löste das Land 1991 aus der Sowjetunion und führte es in die Unabhängigkeit. Er wählte Tokajew als loyalen Nachfolger aus und sicherte sich als Chef eines neu geschaffenen Sicherheitsrats weiter die De-facto-Staatsführung. Nun scheint er, darauf weisen Flugdaten hin, zu seinen Reichtümern nach Dubai geflohen zu sein.
Kasachstan, Ukraine, Belarus – Putin fühlt sich zuständig
Moskaus Soldateska, die nun die Unruhen zusammen mit Tokajews nicht vollständig loyalen Sicherheitskräften niederschlagen soll, eilt einem russlandfreundlichen Autokraten zu Hilfe.
Das äußerst ressourcenreiche Kasachstan sieht Putin – wie die Ukraine und Belarus – als seinen Einflussbereich an. Er spricht sogar allen drei Ländern ihre Eigenstaatlichkeit ab, sieht sie als traditionell russische Territorien. Diese Aussagen sind alle belegt, seine Vorwürfe an den Westen sind es nicht.
Das europäische und amerikanische Pochen auf Unverletzlichkeit der Grenzen und nationale Souveränität ist eben keine antirussische Aggression, wie der Kremlherr behauptet. Es ist das Verteidigen des Völkerrechts.
Und wenn Putin seinen eigenen Worten aus der Vergangenheit Glauben schenkte, hätte er nicht russische Truppen geschickt, sondern Blauhelme der Uno oder der OSZE. Wie so oft erweist sich die russische Rhetorik als Propaganda.
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