München Der Heizungs-App-Anbieter Tado will mithilfe eines Spac-Offers an die Börse gehen. „Wir können die Firma so solide für das beschleunigte Wachstum in den nächsten Jahren finanzieren“, sagte Tado-CEO Toon Bouten dem Handelsblatt am Montag. Tado beschäftigt sich mit der Vernetzung der Technik in Wohnungen, dem sogenannten „Smarthome“-Bereich. Das Begin-up hat eine App entwickelt, mit der sich Heizung und Klimaanlage clever steuern lassen.
Tado-Chef Bouten will den Umsatz des Unternehmens bis 2025 auf 500 Millionen Euro steigern, wie er bei Verkündung der Börsenpläne sagte. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen nach Branchenschätzungen einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag umgesetzt.
Das Smarthome-Begin-up will dabei durch die sprichwörtliche Hintertür an die Börse: Bei einem Spac-Deal geht eine leere Unternehmenshülle ohne eigenes Geschäft – Englisch „particular objective acquisition firm“ (kurz: Spac) genannt – an die Börse und fusioniert dann mit einer nicht börsennotierten Firma. So will Tado im Schnellverfahren gelistet werden.
Tado plant die Fusion mit dem Börsen-Vehikel „GFJ ESG Acquisition I“. Eine Absichtserklärung ist bereits unterzeichnet. Tado soll im Zuge der Transaktion mit etwa 450 Millionen Euro bewertet werden. „Wir gehen davon aus, dass der Firma etwa 180 Millionen Euro Wachstumskapital zufließen werden“, sagt Ex-Klöckner-Chef Gisbert Rühl, der GFJ führt.
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Mit an Bord ist auch der Immobilienunternehmer Florian Fritsch, der unter anderem frühzeitig in Tesla und Supply Hero investierte. Vorsitzender des GFJ-Aufsichtsrats ist Seriengründer Josef Brunner, der seine IoT-Firma Relayr vor zwei Jahren für 300 Millionen Greenback an die Munich Re verkauft hatte.
Der Spac-Hype flacht ab
Im vergangenen Jahr warfare an den Börsen ein regelrechter Spac-Hype zu beobachten: International gingen knapp 600 solcher Vehikel an die Börse, von denen die allermeisten weiterhin nach Übernahmezielen suchen. Allerdings ist in der Szene Ernüchterung eingetreten. Die Börsenmäntel taten sich zunehmend schwer, genügend Investoren für die standardmäßige Kapitalerhöhung im Vorfeld der Fusion mit dem Zielunternehmen zu finden.
Hinzu kommt, dass viele frühzeitige Investoren ihr Rücktrittsrecht nutzen, wenn klar wird, welches konkrete Unternehmen in den Börsenmantel schlüpft. Das reduzierte den erhofften Emissionserlös immer wieder deutlich.
„Das Drawback warfare, dass vor allem in den USA viele Unternehmen per Spac-Deal an die Börse wollten, die kein funktionierendes Geschäftsmodell hatten“, sagt GFJ-Chef Rühl. Zudem seien die sogenannten Sponsoren in den USA oft keine strategischen Investoren gewesen und wollten eher schnelle Gewinne erzielen.
Im Fall von Tado sei das anders. „Wir wollen Tado langfristig begleiten“, sagt Rühl. Das Unternehmen habe eine funktionierende Technologie und sei Marktführer in einem Zukunftsfeld. „Das Geschäftsmodell trifft den Nerv der Zeit. Tado hilft, etwas gegen die explodierenden Heizkosten und den Klimawandel zu tun.“
Wenn alles klappt und nicht zu viele Spac-Investoren ihr Geld zurückziehen, könnte die Tado SE ab dem Sommer an der Börse notiert sein. Rühl ist zuversichtlich: „Wichtig ist, dass man bei der Bewertung noch Luft nach oben lässt.“
Kunden sollen mit smarten Thermostaten 22 Prozent Heizkosten sparen
Ende vergangenen Jahres hatte der On-line-Sportartikelhändler Signa Sports activities United beim bislang größten Spac-Deal im deutschsprachigen Raum den Sprung an die Börse geschafft. Die Firma der Signa-Gruppe des österreichischen Buyers René Benko kam so an rund 500 Millionen Euro frisches Kapital und wurde an der Börse mit intestine drei Milliarden Greenback bewertet.
Mithilfe des Kapitalerlöses und der neuen möglichen Akquisitionswährung Aktie wolle Tado in der Konsolidierung der Smarthome-Branche eine aktive Rolle spielen, kündigte Bouten an. „Wir haben in den vergangenen Jahren ein sehr gutes Wachstum von über 50 Prozent gesehen und wollen die Marktanteile weiter ausbauen.“
Die App von Tado kann erkennen, dass ein Angestellter seinen Arbeitsplatz verlässt und nach Hause fährt, und die Wohnung schon mal vorheizen. Über das Helpful erkennt die Steuerung zudem, dass die Bewohner einen Raum oder das Haus wieder verlassen. Schlafzeiten werden ebenso berücksichtigt wie der Sonnenstand.
Die Kunden sollen dadurch im Schnitt 22 Prozent Heizkosten sparen. Dafür brauchen die Nutzer aber auch die vernetzten, smarten Thermostatventile von Tado. Das Unternehmen hat davon nach eigenen Angaben bisher über zwei Millionen Stück verkauft.
In diesem Bereich sieht sich das Unternehmen als europäischer Marktführer. Tado hat aber viel Konkurrenz. Google übernahm 2014 für erstaunliche drei Milliarden Greenback den Konkurrenten Nest, spielt in Europa aber bisher noch eine eher untergeordnete Rolle auf dem Markt.
Zudem drängt auch die Heizungsbranche ins Web der Dinge, wenn auch teilweise recht spät. Vaillant hat zum Beispiel eine App zur Heizungssteuerung entwickelt, über die Nutzer vordefinierte Profile wie „zu Hause“, „Nacht“ oder „abwesend“ aktivieren können.
Nach der Übernahme von Awattar können Tado-Kunden ihren Strom selbst kaufen
Kurz vor der Ankündigung des Börsengangs hatte Tado die erste Akquisition in der Unternehmensgeschichte verkündet. Mit der Übernahme von Awattar – einem Spezialisten für die Flexibilitätsvermarktung von Strom – soll den Kunden künftig ein günstigerer Stromeinkauf ermöglicht werden. Awattar erzielte laut Branchenschätzungen zuletzt zweistellige Millionenumsätze.
Mithilfe der IT-Plattform aus Österreich sollen die Tado-Nutzer zum Beispiel ihr Elektroauto oder den Pufferspeicher der Wärmepumpe genau dann aufladen, wenn der Strom besonders günstig ist, weil es zum Beispiel viel Wind- oder Sonnenenergie gibt. In Phasen, in denen der Strom sehr teuer ist, kann der Ladevorgang eine Zeit lang unterbrochen werden.
Mit dem Börsengang wird sich auch CEO Toon Bouten in den Aufsichtsrat zurückziehen, den Rühl führen soll. Tado-Gründer Christian Deilmann hatte Bouten vor einigen Jahren als Vorstandschef für die weitere Kommerzialisierung ins Unternehmen geholt. Bouten arbeitete früher unter anderem bei Compaq und Philips.
Tado brauche nach dem Börsengang einen CEO, der das Unternehmen in den nächsten Jahren führe, sagte Bouten. Mit seinen 63 Jahren mache er daher Platz für den nächsten Vorstandschef. Die Kontinuität bleibe aber gewahrt, weil die Gründer im Vorstand blieben. Neuer Tado-CEO wird Oliver Kaltner, der derzeit die Fritsch Group führt.
Mehr: Tado will den Kunden künftig auch günstigen Stromeinkauf anbieten