Düsseldorf Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine trifft den Hamburger Hafenbetreiber HHLA gleich zweifach. Der börsennotierte Konzern muss spätestens seit Dienstag dieser Woche nicht nur Umsatzeinbußen im Russlandverkehr fürchten, die HHLA zählt darüber hinaus auch zu den großen deutschen Investoren in der Ukraine.
Die wohl größte Sorge von Vorstandschefin Angela Titzrath: Der teilstaatliche Konzern, dessen Aktien zu 69 Prozent von der Hansestadt Hamburg gehalten werden, betreibt seit 2001 in Odessa den größten Hafenterminal des Landes. Noch 2021 kletterte dort der Umschlag um stolze 8,5 Prozent auf 650.000 Standardcontainer (TEU). Seit den erneuten kriegerischen Auseinandersetzungen mit Russland aber droht nun ein empfindlicher Rückschlag.
„Wir beobachten die Scenario mit Sorge und haben vor Ort einen Notfallstab eingerichtet“, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Mit den Kollegen in der Ukraine befinde man sich in engem Kontakt, ebenso mit den ukrainischen Behörden und der deutschen Bundesregierung. HHLA-Mitarbeiter aus Deutschland befänden sich nicht mehr im Land.
Noch laufe der operative Betrieb in Odessa von den Kriegshandlungen ungestört, heißt es bei der HHLA. Schiffsverspätungen gebe es lediglich durch das derzeit schlechte Wetter und die seit Monaten andauernden Liefer- und Containerengpässe. Dennoch seien Dienstreisen aus Deutschland inzwischen untersagt, der Hafen Odessa im Südwesten des Landes ausschließlich mit 480 ukrainischen Mitarbeitern besetzt.
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Möglicherweise bitter für das Hamburger Unternehmen: In den vergangenen 20 Jahren investierte es nach eigenen Angaben mehr als 170 Millionen US-Greenback in den Standort am Schwarzen Meer, unter anderem auch in Umschlagskapazitäten für Schüttgut, Stückgut und Projektladungen.
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Hinzu kamen Ausgaben für den Schienengütertransport in der Ukraine, den die HHLA im Oktober 2020 unter dem Firmennamen „Ukrainian Intermodal Firm“ startete. Mit Güterzügen schafften die Hamburger so eine Verbindung von Odessa ins Hinterland, wobei die Eisenbahnen unter anderem Großstädte wie Lwiw (Lemberg) und Charkiw im Nordosten des Landes ansteuern.
Mit ihren Investitionen wollte die HHLA eine Frachtalternative zu den oft maroden Straßen in der Ukraine bieten. Sogar einen eigenen Eisenbahnterminal eröffneten die Hamburger dazu vor einigen Monaten im Hafen von Odessa. Zudem installierte Deutschlands größter Seehafenbetreiber eine Tür-zu-Tür-Belieferung in der Ukraine, ebenso wie eine professionelle Warenlagerung für seine Kunden.
„Odessa und die Ukraine sind für uns ein bedeutender Standort“, bestätigt eine Sprecherin auf Anfrage. „Wir können nur abwarten, wie sich die Scenario entwickelt.“
Doch auch in der eigenen Heimat droht den Hamburgern ein Geschäftsrückgang. Der russische Markt, der aufgrund der geplanten EU-Sanktionen nahezu komplett einbrechen könnte, ist nach China, den USA und Singapur der viertgrößte für die HHLA. Im vergangenen Jahr trug er 4,1 Prozent zum Containerumschlag an den vier Terminals der Hansestadt bei, von denen drei der HHLA unterstehen.
Schon deutliche Umschlagrückgänge nach der Krimannexion
Dass die Umschlagmenge vergleichbar gering blieb, obwohl es von Hamburg aus zahlreiche Seeverbindungen durch die Ostsee nach Kaliningrad, Ust-Luga und St. Petersburg gibt, liegt an den bereits nach der Krimannexion verhängten Wirtschaftssanktionen. Allein 2015 zählte Hamburg 9,3 Prozent weniger Containerumschlag als im Vorjahr.
Die Unsicherheiten rund um den Hamburger Terminal- und Bahnbetreiber haben die Börse längst erreicht. Seit Jahresbeginn verloren die Aktien rund zwölf Prozent. Die Hansestadt, die ihre Interessen unter anderem durch Ex-Bahn-Chef Rüdiger Grube an der Spitze des Aufsichtsrats vertreten lässt, wurde seitdem auf dem Papier um rund 125 Millionen Euro ärmer.
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Welche konkreten Auswirkungen die Ukrainekrise auf das laufende Geschäftsjahr voraussichtlich haben wird, sei aktuell noch nicht zu beziffern, sagte eine Sprecherin. Den Jahresausblick will HHLA-Vorstandschefin Angela Titzrath am 24. März dieses Jahres nachreichen.
Dabei hatte die stadteigene Portgesellschaft Hafen Hamburg Advertising noch Ende Januar ein „moderates Wachstum“ der russischen Hafenwirtschaft von zwei bis fünf Prozent angekündigt, von dem sich wohl auch Hamburg selbst deutliche Impulse versprach. Die Hoffnungen dürften die Verantwortlichen an der Elbe inzwischen begraben haben.
Bei ihren Aktionären hatte auch die HHLA noch vor wenigen Tagen mit ihren vorläufigen Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr große Hoffnungen geweckt. Trotz Corona und der damit verbundenen Lieferengpässe auf See wies sie für 2021 ein Plus von 2,5 Prozent im Containerumschlag aus. Der Containertransport – vorwiegend über den konzerneigenen Schienenverkehr – nahm um zehn Prozent zu, der Konzernumsatz sogar um 12,7 Prozent auf 1,47 Milliarden Euro. Darüber hinaus verdoppelte sich der Betriebsgewinn auf 228 Millionen Euro.
„Einmal mehr bestätigt sich, dass die HHLA ein stabiler und leistungsfähiger Knotenpunkt in den globalen Lieferketten ist und jederzeit eine zuverlässige Versorgung von Unternehmen und Verbrauchern in Europa sicherstellt“, lobte Vorstandschefin Titzrath das eigene Unternehmen. Zumindest in der Ukraine könnte sich dies nun ändern.
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