Doha Robert Habeck betont zu Beginn seiner dreitägigen Reise nach Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) den angenehmen Teil: Es gehe ihm darum, Wasserstoffpartnerschaften aufzubauen, um der deutschen Industrie mit grünen Energielieferungen aus den beiden Golf-Staaten den Weg zur Klimaneutralität zu ebnen, sagte er am Samstag.
Dabei ist der weniger angenehme Teil der Reise im Second der weitaus wichtigere: Habeck muss deutschen Unternehmen den Weg ebnen, damit sie Lieferverträge für verflüssigtes Erdgas (Liquefied Pure Fuel, kurz LNG) abschließen können.
Habeck will weitere Staaten als Erdgaslieferanten für Deutschland gewinnen. Er will russische Gaslieferungen ersetzen und so dafür sorgen, „dass die Wohnungen nicht kalt“ werden, so drückt der Minister es aus. „Wir haben Bedarf an LNG“, stellt der Wirtschaftsminister am zweiten Tag seiner Reise in Katars Hauptstadt Doha nüchtern fest.
Nach seinem Treffen mit dem Emir von Katar kann Habeck immerhin verkünden, man strebe eine langfristige Energie-Partnerschaft mit Katar an. Deutsche Unternehmen könnten nun in vertiefte Vertragsverhandlungen für den Kauf von LNG einsteigen.
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Das ist noch lange keine Lieferzusage, aber ein gutes Zeichen. Auch Gespräche über Investitionen Katars in deutsche Energieinfrastruktur könnten fortgesetzt werden, sagte Habeck nach seinem Treffen mit dem Emir.
Seit langem heißt es in der Branche, Katar erwäge, sich am Bau eines deutschen LNG-Terminals zu beteiligen. Eine Bestätigung dafür gibt es nicht.
Wahrscheinlich hätte sich der Wirtschaftsminister bei seiner dreitägigen Reise, die am Montag in den Vereinigten Arabischen Emiraten enden wird, am liebsten ausschließlich dem Zukunftsthema Wasserstoff und dem Ausbau der erneuerbaren Energien in der Golf-Area gewidmet. Doch die Realität macht es dringend erforderlich, andere Akzente zu setzen. Jetzt geht es darum, Deutschland vor einem Gasengpass zu bewahren. Versorgungssicherheit schlägt Klimaschutz.
Katar ist eine der ersten Adressen, wenn es um LNG geht. Gemeinsam mit den USA liefert sich der Golf-Staat ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel des größten LNG-Exporteurs der Welt. Im Jahr 2019 exportierte Katar knapp 107 Milliarden Kubikmeter Fuel. Deutschland verbraucht professional Jahr rund 90 Milliarden Kubikmeter, davon stammen 55 Prozent aus Russland.
Die Cooks von Bayer, RWE und Thyssen-Krupp begleiten den Minister
Es ist die Angst vor einem Mangel an Erdgas im nächsten Winter, die Habeck antreibt. Die Reise nach Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate conflict nicht von langer Hand geplant. Der Vorlauf betrug weniger als zwei Wochen.
Über 120 Interessenten aus der Wirtschaft wollten mitfahren, rund zwei Dutzend Unternehmensvertreter bekamen schließlich den Zuschlag. Darunter sind Bayer-Chef Werner Baumann, RWE-Chef Markus Krebber, VNG-Chef Ulf Heitmüller, EWE-Chef Stefan Dohler, und Christian Bruch, Chef von Siemens Vitality, sowie Thyssen-Krupp-Chefin Martina Merz – aber auch Vertreter mittelständischer Unternehmen.
Aus Sicht der CEOs conflict es höchste Zeit, Katar zu besuchen. Vielleicht sei man in der Vergangenheit mit Blick auf Katar zu zurückhaltend gewesen, sagt Martina Merz. Dem Minister gibt die Thyssen-Krupp-Chefin gute Noten: Ihm gelinge es, in den Gesprächen mit katarischen Offiziellen das Eis zu brechen. Er sorge für Kontakte und agiere „sehr wirtschaftsorientiert“.
RWE-Chef Krebber betont, die Golf-Area insgesamt und Katar im Besonderen seien wichtige Energielieferanten. Darum sei es intestine und wichtig, sich nach den Unterbrechungen der Corona-Zeit wieder persönlich auszutauschen und alte Kontakte wieder aufzunehmen.
Katar plant Steigerung der Produktion – aber erst für 2026
Habeck handelt aus einer Notlage heraus. Die Zweifel an der Zuverlässigkeit russischer Erdgaslieferungen wachsen. Und seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine stellt sich nicht nur die Frage, ob Russland die Belieferung selbst einstellt oder drosselt. Vielmehr gibt es gewichtige Stimmen in der deutschen Politik, die fordern, selbst die Initiative zu ergreifen und russische Energielieferungen mit einem Embargo zu belegen.
Der Energieminister ist in dieser Frage auf einer Linie mit Bundeskanzler Scholz: Beide warnen dringend vor einem Embargo, weil sie die Folgen für die Wirtschaft für unkalkulierbar halten. Erst am Freitag conflict bei einem Treffen von Vertretern des Bundeswirtschaftsministeriums und der Bundesnetzagentur mit Repräsentanten aus Industrie und Energiewirtschaft offenkundig geworden, dass Deutschland nicht vorbereitet ist, sollte kein russisches Erdgas mehr fließen.
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Doch kommt die schnelle Rettung im Notfall aus Katar? Eines ist klar: Mit Blick auf den nächsten Winter können Lieferungen aus Katar allenfalls ein kleiner Teil der Lösung sein. Denn das LNG des Landes ist größtenteils auf Jahre vergeben.
Die Kataris haben 90 bis 95 Prozent ihrer Produktion langfristig verkauft. Rund 80 Prozent der Lieferungen aus Katar gehen nach Asien. Kunde Nummer Eins ist Südkorea, es folgen Indien, China und Japan. Den Relaxation der LNG-Produktion liefert Katar nach Europa und dort vor allem nach Italien und Großbritannien.
Was bleibt für Deutschland? Im Second nicht viel. Natürlich wird sich in den kommenden Wochen und Monaten auf dem Spotmarkt immer wieder mal LNG aus Katar beschaffen lassen. Doch das ändert die Lage nicht grundlegend.
Erst mittelfristig kann LNG aus Katar einen nennenswerten Beitrag zur Diversifizierung des deutschen Gasbezugs leisten. Denn die Kataris haben angekündigt, ihr Exportvolumen voraussichtlich bis 2026 von 107 auf 174 Milliarden Kubikmeter steigern zu wollen.
Habeck betont auf seiner Reise wieder und wieder, Katar allein könne nicht die Lösung für den Ersatz der russischen Lieferungen sein. Er verweist auf LNG-Produzenten wie Kanada, die USA, Australien und Norwegen. Es gehe darum, möglichst viele Bezugsquellen zu sichern, um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden.
Bleibt die Frage, ob deutsche Unternehmen in Katar willkommene Kunden sind. Insider verweisen darauf, die Kataris könnten sich möglicherweise von Deutschland nicht ausreichend gewürdigt und ernstgenommen fühlen. Deutsche Spitzenpolitiker haben zuletzt meist einen Bogen um das Land gemacht.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier musste gleich zweimal eine geplante Reise in den Golf-Staat absagen, einmal wegen der Corona-Pandemie, einmal wegen des Ukraine-Konflikts. Das kommt in Katar nicht intestine an und rächt sich, wenn es jetzt um die besten Startplätze für Lieferverträge geht.
Andere europäische Länder könnten in Katar mehr Erfolg haben. Boris Johnson etwa kümmert sich schon länger um Katar und unterhält sich auch medienwirksam mit dem Emir. Das macht Eindruck in Katar.
Und warum sollte Katar ausgerechnet auf Deutschland setzen, additionally auf jenes Land, dass sich schneller als die meisten anderen Länder der Welt komplett von fossilen Energiequellen verabschieden will? Katar tickt völlig anders: „The way forward for the world is fuel“, lautet ein gern zitierter Ausspruch des katarischen Wirtschaftsministers. Das sieht man in Deutschland nicht so.
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