München Die große zweiteilige Entwurfsarbeit „The Gates“ des Verhüllungskünstlers Christo warfare vergangene Woche eines der letzten Lose in Ketterers abendlichem Preis-Feuerwerk. Als die mit Kohlestift, Kreide und Ölfarbe fixierte Idee von den flatternden, orangenen Tüchern im New Yorker Central Park zum Christo-Projekt „The Gates“ für quick eine dreiviertel Million Euro (alle Preise inkl. Aufgeld) versteigert wurde, warfare für Auktionator Robert Ketterer das Jahr wieder bestens gelaufen.
Das Werk gehört zwar nicht zu der stattlichen Runde der sechs Millionen-Erlöse des nur mit 63 Losen bestückten „Night Gross sales“, aber zu den gewichtigen Umsatzbringern. Erneut steht Ketterer mit seiner gesamten Jahres-Bilanz auf Platz 1 der deutschen Auktionshäuser: 15 Mal erzielte das Haus im Jahr 2021 Erlöse im siebenstelligen Bereich, 151 Ergebnisse bewegten sich im sechsstelligen Bereich.
Die Moderne- und Modern Artwork-Auktionen im Juli und Dezember, die Versteigerungen von Büchern und Kunst des 19. Jahrhunderts sowie die permanenten On-line only-Versteigerungen hoben den Umsatz auf brutto 88 Millionen Euro. Das schafft in Deutschland sonst keiner, nur die Schweizer Kollegen Kornfeld und Koller stoßen in diese luftigen Höhen vor.
Höhepunkt der Dezember-Auktion warfare zweifellos Albert Oehlens monumentales, vielschichtiges Triptychon. Beifall brandete auf im Saal, als die drei Tafeln nach langem Ringen ein Sammler aus der Beneluxregion für 3,6 Millionen zugeschlagen wurden. In dieser Preisregion hatte Ketterer zuvor noch kein Kunstwerk verkauft.
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Der deutsche Auktionsmarkt wies bis dato laut artprice.com höchstens niedrige sechsstellige Preise für die energisch und wild gemalten Bilder des Kölner Künstler auf.
Oehlens Arbeit von 1988, die ein deutsches Unternehmen eingeliefert hatte, könnte ein weiteres Indiz sein für die Verschiebung des Marktes durch den Brexit. So lange der Warenverkehr nach Großbritannien reibungslos verlief, wurden die millionenverdächtigen Gemälde des 1954 geborenen Malers gleichnach London verfrachtet. „
Der Brexit und seine bürokratischen Hürden beeinflussen das Verhalten der Einlieferer und haben uns Auftrieb gegeben“, sagte Robert Ketterer im Gespräch mit dem Handelsblatt. Und verweist auf einen anderen der überraschenden Zuschläge des Abends.
Auf 700.000 Euro taxiert, konnte Pierre Soulages´ tiefgründiges, schwarzes Gemälde „Peinture 92 x 65 cm, 3 août 1954“ für stattliche2,2 Millionen Euro an einen französischen Interessenten weitergereicht werden. „Das Gemälde warfare schon ‚mit einem Bein in London‘, bevor der Eigentümer sich für München entschied“, erzählt Ketterer.
Enttäuschung in den Gesichtern sah man hingegen, als die Gebote für Alexej von Jawlenskys farblich subtilen, expressionistischen „Frauenkopf mit Blumen im Haar“ von 1913 stockten. Die Taxe von 2,5 bis 3,5 Millionen warfare wohl doch zu anspruchsvoll. Das Gemälde, das für brutto 2,9 Millionen Euro in die Schweiz geht, befand sich 100 Jahre lang in Familienbesitz. Und es hat Kunstgeschichte geschrieben.
Ein rückseitiger Aufkleber der Galerie Commeter verweist auf die Hamburger Station des Gemäldes während der großen Wanderausstellung von Jawlensky-Werken 1920/21 quer durch Deutschlands beste Galerien. Das Auktionshaus hat es als große Entdeckung verkauft. Tatsächlich hing es bereits ein paar Jahre im Museum Moritzburg in Halle/Saale.
Ketterers Ehrgeiz, mit dem ausdrucksstarken Werk dem deutschen Expressionismus in seinem Entstehungsland einen kräftigen Marktimpuls zu verpassen, ist nicht geglückt. Sein Kommentar: „Auch bei den Spitzenstücken ist die Luft nach oben oft sehr dünn“. Dennoch: Vom Markt verschmäht wurde nicht ein Los der Klassischen Moderne, die mit meist sechsstelligen Taxen rund ein Drittel des Angebots ausmachte.
Den Erwartungen entsprach das Ergebnis von 2,2 Millionen Euro für Emil Noldes ungestüm gemalter „Buchsbaumgarten“ mit 2,2 Millionen. Das Gemälde, das Noldes Weg zum Expressionismus markiert, warfare erst 2021 an die Erben des von den Nazis verfolgten Sammlers Ismar Littmann restituiert. Dafür hatte das Lehmbruck-Museum in Duisburg 22 Jahre gebraucht.
Aber der Expressionistenmarkt ist erratisch. Von taxierten 300.000 auf erstaunliche brutto 960.000 Euro brutto kletterte Erich Heckels stimmungsvolle, aber harmlose „Erzgebirgslandschaft“ von 1914. Einen Verlust von etwa 200.000 Euro muss hingegen der Einlieferer von Gabriele Münters „Berglandschaft mit Haus“ verschmerzen. Vor vier Jahren für 560.000 Euro im selben Haus gekauft, erzielte das Gemälde von 1910 nun lediglich 412.000 Euro. Davon bleiben dem Einlieferer etwas mehr als 300 000.
Trotz des Wermutstropfens Jawlensky bleibt diese Auktion mit nur vier Rückgängen ein Füllhorn der Rekorde und Spitzenpreise. Sean Scullys erdige Farbfeldmalerei „Blue, Yellow Determine“ von 2004 erzielte 1,3 Millionen Euro. Katharina Grosses farblich sprühende Abstraktion von 2005 brach alle bisherigen Rekorde und kostete letztlich 500.000 Euro.
Rekord auch für den expressiven Lebzeitenguss von Georg Kolbes Bronze „Javanische Tänzerin, für die ein Berliner 649.000 Euro einsetzen musste. Das im Sinne der ZERO-Idee 1971 entstandene Reliefbild „Superficie bianca“ Enrico Castellanis machte einen Sprung von taxierten 180.000 Euro auf brutto 420.000 Euro. Cy Twombly skriptorale Bleistiftzeichnung „Untitled (Drawing for manifesto of Plinio)“ von 1967 ließ seine Taxe von 250.000 Euro schnell hinter sich und brachte 600.000 Euro.
Mehr als 30 Millionen Euro kamen allein an diesem Abend zusammen. Ketterers Dezember-Auktion hat gezeigt, dass der deutsche Kunstmarkt im globalen Vergleich konkurrenzfähig ist. Seine neue, ambitionierte Strategie ist dabei offensichtlich. Ketterer hat in seiner Abendauktion 35 Prozent weniger Lose angeboten, aber den Durchschnittspreis professional verkauftem Objekt erheblich heben können. Lag er im Frühjahr bei 290.000 Euro, so beträgt er diesmal laut Robert Ketterer 470.000 Euro.
Der Anteil deutscher Künstler von Max Liebermann und Ernst Wilhelm Nay bis zu Jörg Immendorff und Neo Rauch dominiert weiterhin, aber die Zahl internationaler Namen ist spürbar gewachsen. Dafür muss man weder in den USA, noch in Frankreich akquirieren. Werke von Alex Katz, Yoshitomo Nara, aber auch Cy Twombly schlummern durchaus in deutschen und mitteleuropäischen Sammlungen, wurden sie doch jahrelang von Berliner, Kölner und Münchener Galeristen gehandelt.
Während Robert Ketterer mit verschlanktem Spitzenangebot den Spruch „much less is extra“ auf die Auktionsbranche ummünzt, hat er die Manpower ausgeweitet. Mit Nicola Gräfin Keglevich und Sebastian Neußer traten zwei erfahrene Kunstmanager in die Chefetage ein, verantwortlich für die Kundenbetreuung im obersten Phase. Gräfin Keglevich gehörte zu den Prime-Managern bei Sotheby´s Deutschland, Sebastian Neußer hat jahrelange internationale Kunstmarkterfahrung in der Galerie Michael Werner gesammelt.
Ketterer hat damit sein Netzwerk zu bedeutenden Sammlungen ausgebaut. „Jeder bringt einen neuen Spirit mit und neue Zugänge“, ist sich Robert Ketterer sicher. Laut einer Pressemitteilung des Hauses warfare die Akquise des 2,9 Millionen teuren Jawlensky-Kopfes der Einstand von Gräfin Keglevich. Die Messlatte hängt die Zukunft hoch.
Mehr: Koller Auktionen: In der Schweiz unter dem Hammer: Millionenpreise nicht nur für Gemälde