Nein, Claus Weselsky macht zwar einen guten Job – aber vor allem für sich
Claus Weselsky nervt. So empfinden dieser Tage wieder viele Deutsche, wenn wegen des GDL-Streiks die geplante Reise verschoben oder ein anderer Weg zur Arbeit gefunden werden muss. Als Gewerkschaftsboss ist Weselsky diese Wut gewöhnt.
Immer wieder verweist er zwar in Interviews darauf, dass der Ärger eigentlich der Bahn und vor allem dem Vorstand gelten müsste. Doch über die Jahre scheint er akzeptiert zu haben, dass viele negative Emotionen an ihm und seiner Person hängen bleiben.
Er trägt es mit Fassung. Deswegen würde Weselsky aber nicht auf drastische Formulierungen und harsche Vorwürfe verzichten, für die er bekannt ist. Den Bahn-Vorsitzenden Martin Seiler nennt er nur den „Lügenbaron“, die Pressestelle der Bahn ist in seinem Vokabular die „Propagandaabteilung“.
Mit seinen Aufgaben als Verhandlungsführer haben diese Verbalattacken nur bedingt zu tun, denn Verhandeln fällt schwer, wenn man sein Gegenüber in aller Öffentlichkeit beleidigt. Wobei Weselskys Auftreten allerdings wunderbar hilft: Aufmerksamkeit zu bekommen, vor allem für sich selbst. Denn über die Forderungen seiner Gewerkschaft wird bedeutend weniger diskutiert als über die Entgleisungen des Gewerkschaftsbosses.
In der Öffentlichkeit ist er – positiv wie negativ – mit der GDL verbunden, er ist Mr. Bahnstreik. Das hat System. Das Image vom harten Hund braucht er, denn bei der Bahn buhlen gleich zwei Gewerkschaften um neue Mitglieder. Die GDL ist deutlich kleiner als die Konkurrenzgewerkschaft EVG, gilt aber vor allem wegen Weselsky als bissiger. Für ihn geht es deshalb in jeder Verhandlungsrunde nicht nur um den nächsten Tarifabschluss, sondern um die Daseinsberechtigung der GDL und seine Position.
Zuletzt sprach er davon, mit seinen Eisenbahnern im „Krieg“ zu sein, und – um in seinem Sprachbild zu bleiben – der Kampf um die Arbeitszeitverkürzung dürfte seine letzte Schlacht sein. Denn nach 16 Jahren im Amt wird er 2024 seinen Posten abgeben. Leise will er diesen nicht räumen, das wäre auch nicht seine Art.
Der aktuelle Bahnstreik nutzt somit vor allem Weselsky selbst, denn der Ausgang entscheidet darüber, unter welcher Überschrift er in die Geschichtsbücher eingehen wird.