Die Qualifikation ist geschafft, die DFB-Frauen nehmen an den Olympischen Spielen teil. Auf den Bundestrainer warten neue Aufgaben, während der Verband die Weichen für die Zukunft stellen muss.
Eine Kolumne von Tabea Kemme
Paris ist gebucht. Die Nationalmannschaft hat sich nach einem überzeugenden Auswärtssieg in den Niederlanden das Olympia-Ticket gesichert. Ein großer und wichtiger Erfolg für das Team von Bundestrainer Horst Hrubesch, bei dem am Ende die Art und Weise entscheidend war.
Deutschland hatte von Beginn an jeden Zweikampf angenommen, das Team eine gute Struktur und es war gut aufeinander abgestimmt. Und vielleicht das Wichtigste: Jede Spielerin ist über ihre Grenze gegangen, wie es der Bundestrainer so schön formuliert hat.
Die Mannschaft zeigte eine klare Reaktion nach einem holprigen Auftritt gegen Frankreich und belohnte sich für den Aufwand, den sie betrieben hat. Trotz des schwierigen Weges steht am Ende eine absolut verdiente Olympia-Teilnahme. Vom Heimbonus, den die Niederlande auf den Rängen hatte, ließ sich Deutschland nicht beeindrucken.
Das ist nicht hoch genug zu bewerten
Trainer Hrubesch wusste, was auf dem Spiel stand. Er war 2016 schon bei den Olympischen Spielen und hat den Spielerinnen klar vermittelt, welch enorme Bedeutung eine Qualifikation für Paris hat. Ganz entscheidend für mich in seinem Coaching: Bei ihm dürfen die Spielerinnen Fehler machen. Er gibt ihnen ein enormes Selbstvertrauen.
Du trittst völlig anders auf, wenn du gesagt bekommst, dass missglückte Entscheidungen zum Spiel dazugehören – und du zehn weitere Mitspielerinnen auf dem Platz hast, auf die du dich verlassen kannst. Dass Horst den Spielerinnen dieses Gefühl des gegenseitigen Vertrauens vermittelt hat, ist nicht hoch genug zu bewerten. Das schaffen nicht alle Trainerinnen oder Trainer.
Jetzt will er auch ins olympische Finale – diese Marschroute hat Hrubesch sofort nach Abpfiff vorgegeben. Ich bin ein absoluter Fan davon, das Maximale herausholen zu wollen. Natürlich braucht es immer ein Match- und Losglück, gepaart mit einer top Tagesform.
In Paris werden dann allerdings, Stand jetzt, nur 18 Spielerinnen dem finalen Kader angehören. 2016 in Rio war das auch schon so. Umso wichtiger war es damals, dass die Spielerinnen, die als Back-up mitgefahren sind, diese Rolle angenommen haben und uns voll supportet haben. Am Ende war das auch entscheidend für unseren Erfolg.
Klare, enttäuschende Ansagen von Hrubesch
Und auch im Sommer wird es darauf ankommen, dass niemand seine eigene Unzufriedenheit, möglicherweise nur als Ergänzungsspielerin mitzureisen, über das Wohl des ganzen Teams stellt. Kommunikation ist entscheidend und es ist die Aufgabe – vielleicht sogar die schwierigste Aufgabe des Trainers – eine perfekte Balance innerhalb des Teams zu erzeugen. Mit seinen klaren, auch für gestandene Spielerinnen wie Lina Magull, Lena Lattwein oder Nicole Anyomi enttäuschenden Ansagen hat Hrubesch zuletzt unter Beweis gestellt, dass er ein Kommunikator ist. Konkurrenzkampf wird es im Kader immer geben. Aber es darf keine Kultur der Angst entstehen.
Unabhängig vom Ausgang des Turniers steht der Umbruch bevor. Alex Popp, Svenja Huth, Kathy Hendrich, Marina Hegering, Sara Doorsoun – war’s das für sie nach Olympia? Oder wollen sie noch die EM 2025 in der Schweiz spielen? Der Umbruch muss zeitnah erfolgen. Mit der 22-jährigen Vivien Endemann, die gegen die Niederlande ihr Profidebüt feierte, kommen die Youngsters schon nach.
Durch die Olympia-Qualifikation hat man nun etwas Zeit gewonnen, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Horst Hrubesch zu bestimmen. Die langfristige Planung wird trotz aller sportlicher Ziele das oberste Ziel des DFB sein. Nun heißt es aber erst mal, ohne die EM-Qualifikationsspiele im April zu leicht zu nehmen, ein erfolgreiches Turnier in Paris zu spielen.