Das Rentenpaket II lässt weiter auf sich warten. Dabei seien Reformen dringend nötig, sagt die FDP-Abgeordnete Anja Schulz – nicht nur in der gesetzlichen Rente.
Immer mehr Rentner, immer weniger Beitragszahler – dass die Rechnung in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr aufgeht, ist seit Jahren absehbar. Und auch bei der privaten Altersvorsorge knirscht es gewaltig. Die Bundesregierung will deshalb Reformen auf den Weg bringen. Doch erneut droht eine selbst gesetzte Frist dafür zu verstreichen.
t-online hat mit der FDP-Bundestagsabgeordneten Anja Schulz über das geplante Generationenkapital gesprochen sowie darüber, welche Rolle Aktien künftig auch in der privaten Altersvorsorge spielen könnten und welche Sorgen sich insbesondere junge Menschen mit Blick auf die Rente machen.
t-online: Frau Schulz, die gesetzliche Rente muss reformiert werden. In drei Sätzen: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Reformschritte?
Anja Schulz: Einer der wichtigsten Schritte ist, dass wir uns unabhängiger von der Demografie machen. Wir haben jetzt ein umlagefinanziertes System, und wir wollen das um eine Kapitaldeckung ergänzen. Wir müssen Flexibilität bieten und wir müssen den Menschen bei der gesetzlichen Rente Sicherheit bieten, also mehr Vertrauen in die Altersvorsorge.
Sie haben gerade die Kapitaldeckung angesprochen, früher mal „Aktienrente“ genannt. Sie wäre Teil des Rentenpakets II. Auf den Gesetzentwurf warten wir allerdings seit geraumer Zeit. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat nun versprochen, der Entwurf liege Ende des Monats vor, also bis morgen. Klappt das noch?
Ich hoffe es – weil es ein sehr wichtiges Thema und eine Reform längst überfällig ist. Wir als FDP sagen weiterhin, dass es individuelle Beitragskonten geben sollte, denn das ist die Idee der Aktienrente: Jeder Bürger bekommt seinen Teil des Aktienvermögens durch individuelle Beiträge zugeschrieben. So weit wird der Gesetzentwurf wohl nicht gehen. Dennoch: Das jetzt diskutierte Generationenkapital ist ein wichtiger Paradigmenwechsel innerhalb der gesetzlichen Rente. Wir sehen, dass das in anderen Ländern erfolgreich praktiziert wird. Es ist gut, sich daran ein Beispiel zu nehmen.
Ursprünglich wollte die FDP mehr Geld in die Aktienrente stecken, indem jeder Versicherte zwei Prozent seines Bruttoeinkommens einzahlt. Nun ist geplant, 12 Milliarden Euro als Schulden aufzunehmen und anzulegen. Reicht das denn?
Die 12 Milliarden Euro sollen im ersten Jahr fließen. Es geht darum, dass jährlich Geld fließt und sich diese Summe auch prozentual erhöht. So sollten Mitte der 2030er-Jahre knapp 200 Milliarden in diesen Fonds geflossen sein.
Bevor die Aktienrente das System entlastet, vergehen locker zehn Jahre. Der Bundeszuschuss für die gesetzliche Rentenversicherung wurde gerade gestrichen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund schlägt Alarm und rechnet schon vor 2025 mit einem Anstieg des Beitragssatzes. Wie viel Beitrag zahlen wir im Jahr 2030?
Zunächst einmal: Die Einnahmesituation der gesetzlichen Rentenversicherung sieht aktuell gut aus – deshalb wurde der zusätzliche Bundeszuschuss zur Abgeltung sogenannter nicht beitragsgedeckter Leistungen gekürzt. Die Nachhaltigkeitsrücklage ist gegeben. Und die Prognosen der Rentenversicherung sind eher konservativ. Wenn alles so läuft, wie wir uns das vorstellen, wird das Generationenkapital den Anstieg der Beitragssätze abschwächen.
Die Haltelinie für den Beitragssatz soll aber nach 2025 fallen, oder?
Es geht um eine doppelte Haltelinie, einmal des Rentenbeitrags und einmal des Rentenniveaus. Der Beitragssatz soll laut Koalitionsvertrag bis 2025 nicht über 20 Prozent steigen. Was am Ende im Gesetzentwurf von Hubertus Heil steht, weiß ich noch nicht. Klar ist aber, wir als FDP werden uns das genau anschauen. Die Generationengerechtigkeit muss gewahrt werden. Nicht nur die jetzige Rentnergeneration muss eine Sicherheit haben, sondern auch nachfolgende Generationen.
Eine weitere Hilfe für die Einnahmenseite wäre es, wenn auch Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen würden. Wie realistisch ist das?
Geplant ist, dass Selbstständige künftig verpflichtet werden, in irgendeiner Form vorzusorgen. Das muss nicht zwingend die gesetzliche Rente sein. Denn hier wird es die Möglichkeit des Opt-out geben …
… Selbstständige können also von der Verpflichtung, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen, zurücktreten, diese aktiv abwählen, sofern sie privat vorsorgen?
Genau, denn klar ist, dass etwas passieren muss. Menschen, die selbstständig waren, haben eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, im Rentenalter Grundsicherung zu beziehen, als diejenigen, die angestellt beschäftigt waren. Da braucht es mehr Eigenverantwortung. Das wird für ein weiteres Rentenpaket erwartet.