Es kann einem schon ein bisschen blümerant werden angesichts der Gleichzeitigkeit der energiepolitischen Weichenstellungen: In wenigen Stunden werden zum Jahreswechsel gleich drei deutsche Atomkraftwerke vom Netz gehen, nämlich die Meiler in Gundremmingen an der Donau, Grohnde an der Weser und Brokdorf an der Elbe. Die restlichen drei deutschen Atomkraftwerke sollen 2022 folgen. Vor wenigen Wochen hat die Ampelkoalition zudem proklamiert, den Ausstieg aus dem Kohlestrom nach Möglichkeit auf 2030 vorzuziehen. Falls bis dahin der Ausbau von Wind- und Solaranlagen nicht schnell genug vorangeht (und danach sieht es derzeit aus), müsste wohl Erdgas die Versorgungslücke füllen. Ein Rohstoff, der größtenteils aus Russland zu uns kommt und derzeit in den Crackern der Geopolitik zur Waffe im neuen Kalten Krieg mit Moskau umgeformt wird.
Wer schon jetzt eine Ahnung bekommen möchte, welche Folgen diese parallelen Weichenstellungen haben werden, muss Christian Schabert zuhören. „Wir verlieren unseren gesamten Cashflow und schreiben ab 1. Januar 2022 rote Zahlen“, sagte der Geschäftsführer der Rudolf Geitz GmbH aus Dinkelsbühl meinem Kollegen Jürgen Flauger. Zum Jahresende läuft der Stromvertrag des Unternehmens, das im Kunststoffspritzguss tätig ist, aus. Wegen der drastisch gestiegenen Preise im Großhandel muss der Mittelständler plötzlich mit einer Verdreifachung der Stromkosten zurechtkommen – bei einem Jahresverbrauch von immerhin einer Million Kilowattstunden. „Deutschland als Industrieland Nummer eins in Europa werden solche Strompreise in den Abgrund reißen“, ist sich Schabert sicher.
Viele Particulars der Energie- und Klimapolitik klingen derart abstrakt, dass sie sich journalistisch nur unter Aufbietung aller Gehirnstromreserven halbwegs allgemeinverständlich vermitteln lassen. Und mein Verdacht: Auch den Beamten und Abgeordneten, die solche Verordnungen und Gesetze formulieren und beschließen, sind die praktischen Auswirkungen nicht immer klar. Das betrifft zum Beispiel die CO2-Preise, die seit einem Jahr in den Bereichen Verkehr und Wärme erhoben werden und bis 2025 kräftig steigen sollen.
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Wohlgemerkt: Hier geht es nicht um einen EU-weiten Handel mit CO2-Zertifikaten, der für alle Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft. Es geht um einen deutschen Sonderweg, der schon jetzt perverse Folgen hat: Unternehmen, die besonders viel Wärme für ihren Produktionsprozess benötigen, verlagern ihre Fertigung ins europäische Ausland – um ihre Produkte von dort im Zweifel per Lkw nach Deutschland zurückzutransportieren. Die Folge sind eher höhere CO2-Emissionen statt niedrigere.
Fazit: Wenn Klimaschutz schon nicht im weltweiten Gleichschritt funktioniert, dann sollte es wenigstens ein europäischer sein.
Was mich besonders nervös macht: Dass wir uns in Deutschland so verdammt sicher sind, mit dem Ausstieg aus der Kernkraft in der derzeitigen klimapolitischen Gemengelage den richtigen Schritt zu tun – während unsere engsten Verbündeten auf der anderen Seite des Rheins in der gleichen Lage auf Laufzeitverlängerungen für bestehende Kernkraftwerke und AKW-Neubauten setzen. Deutschland oder Frankreich: Eine der beiden Nationen ist ein energiepolitischer Geisterfahrer. Fragt sich nur welche.
Unsere Reporterin Anna Gauto hat mit den letzten bundesdeutschen Atom-Befürwortern gesprochen und ihre Argumente unter die Lupe genommen. Sie kommt zu dem Ergebnis: Rein betriebswirtschaftlich würde es sich wahrscheinlich tatsächlich nicht rechnen, die drohende Energielücke in Deutschland mit Atomkraft zu füllen.
Wie die Halligbewohner auf die Springtide warten wir in Deutschland auf die prognostizierte Welle von Krankenhauseinweisungen, verursacht durch die besonders ansteckende Omikron-Variante des Coronavirus. Doch während die hohen Wasserstände zu Voll- und Neumond auch zuverlässig eintreten, lässt die Omikron-Flut bislang auf sich warten. Nun macht ein kanadischer Experte vorsichtig Hoffnung, dass dies auch so bleiben könnte – und bestätigt damit den früh geäußerten Verdacht, dass Omikron vergleichsweise schwache Krankheitsverläufe auslöst.
Die Ende November erstmals entdeckte Mutante scheine weniger schwerwiegend zu sein, und selbst Patienten, die im Krankenhaus landen, verbrächten weniger Zeit dort, sagte John Bell, Professor für Medizin in der Universität Oxford, der BBC. Der Immunologe weiter: „Die schrecklichen Szenen, die wir vor einem Jahr gesehen haben – Intensivstationen waren voll, viele Menschen starben vorzeitig – sind meiner Meinung nach jetzt Geschichte, und ich denke, wir sollten beruhigt sein, dass dies wahrscheinlich so weitergeht.“
Gehören Sie auch zu jenen Anlegern, die immer das Gefühl haben, aufs falsche Pferd zu setzen, während die Leute hyperlinks und rechts reich werden? So dürfte 2021 manch einer empfunden haben, der sein Erspartes brav und vernünftig in einen Indexfonds gesteckt hat, beispielsweise auf den Weltaktienindex MSCI World. Sicher, 20 Prozent Rendite auf Jahressicht sind mehr als ordentlich. Doch hätte man – hätte, hätte, Blockchain-Kette – stattdessen auf einen Index aus Kryptowährungen gesetzt, wären 126 Prozent plus drin gewesen. Allerdings mit gewaltigen Schwankungen im Jahresverlauf, die man nervlich auch erstmal durchstehen muss.
Ist es zum Aufspringen auf den Kryptozug schon zu spät? Nein, meinen mit aller gebotenen Vorsicht und dem Verweis aufs Kleingedruckte im virtuellen Beipackzettel die Handelsblatt-Kryptowährungs-Expertinnen Astrid Dörner und Mareike Müller. Dabei bewege sich der Markt weg vom Klassiker Bitcoin hin zu noch innovativeren Produkten. Getrieben wird der Markt nach Ansicht eines Analysten allerdings durch FOMO – das steht für Worry of Lacking Out.
Im Klartext: Die Angst, Renditechancen zu verpassen, treibt immer neue Investoren in immer neue Kryptoanlagen. Wer da mäkelig anmerkt, dass FOMO ein typischer Indikator von Spekulationsblasen ist, der ist wahrscheinlich einfach nur neidisch.
Und dann ist da noch Daniel Holefleisch, der Ehemann von Außenministerin Annalena Baerbock. Er struggle bislang als Lobbyist für die Deutsche Put up AG tätig, was angesichts des neuen Jobs seiner Frau natürlich einige Compliance-Fragen aufgeworfen hätte. Bereits vor der Bundestagswahl hatte Baerbock daher gesagt, wenn sie ein Regierungsamt annehme, sei „ganz klar, dass mein Mann seine Arbeit dort so nicht fortführen kann“. Jetzt bestätigte ein Put up-Sprecher der Zeitschrift „Bunte“, dass Holefleisch bereits seit dem Sommer nicht mehr für den Konzern aktiv sei.
Aus drei Gründen ist das eine schöne Nachricht. Erstens, weil Baerbock Wort gehalten hat. Zweitens, weil sie darauf verzichtet hat, diese Selbstverständlichkeit an die große Kommunikationsglocke zu hängen. Und drittens, weil sie nun hoffentlich nicht mehr mit der Frage konfrontiert wird, der sich ein Mann in ihrer Place ohnehin nie stellen müsste: Wer denn die Pausenbrote für die beiden Töchter schmiert, während die Ministerin in der Welt herumreist.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls einen Tag voller tadellos geschmierter Pausenbrote.
Herzliche Grüße
Ihr
Christian Rickens
Textchef Handelsblatt
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