Ob in Beruf oder Alltag: Wir sind täglich Energievampiren ausgesetzt, die an unseren Reserven saugen und uns die Kräfte rauben. So schützen Sie sich.
Jeder geht anders mit Stress oder Kraftlosigkeit um. Während der eine rasch aus der Haut fährt oder sich überfordert fühlt, bleibt ein anderer länger cool. Welche Dinge wir als besonders kräftezehrend empfinden und wie es gelingt, tägliche Herausforderungen entspannter zu bewältigen.
Stress ist individuell
Wann die persönliche Stressgrenze erreicht ist und man sich überlastet und gestresst fühlt oder gereizt reagiert, ist bei jedem Menschen anders. Abhängig ist das persönliche Stressempfinden unter anderem von persönlichen Erfahrungen, der Fähigkeit, mit Stress umzugehen und von der Summe der Belastungen, die auf einen Menschen in der jeweiligen Situation einströmen. Auch kann das Stressempfinden sich verändern. Was einen „auf die Palme“ bringt oder überfordert, kann in verschiedenen Lebensphasen ganz unterschiedlich sein.
„Hinweise, dass wir uns in einer akuten Situation gestresst fühlen, sind beispielsweise verstärktes Schwitzen, muskuläre Verspannungen, ein erhöhter Puls, Magen-Darm-Beschwerden, Unruhe, Kopfdrücken, Angst, aber auch Gereiztheit bis hin zu Aggressivität“, sagt Dr. Torsten Grüttert, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Chefarzt der Privatklinik Duisburg. „Schlafmangel, anhaltende Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Gedankenkreisen und Rückenschmerzen sind Symptome, die in länger anhaltenden Stresssituationen beziehungsweise in stressigen Lebensphasen häufig auftreten und die zeigen, dass sich die eigenen Energiereserven leeren.“
Was saugt unsere Energie?
Nicht nur größere Belastungen wie Krankheit, Arbeitslosigkeit und Trauer können uns an unsere Grenzen bringen. Oft sind es die kleinen Alltagsherausforderungen, die sich summieren und das Stresslevel akut nach oben schnellen lassen und uns Kraft rauben. Zu den täglichen Energievampiren, bei denen sich bei vielen Menschen „die Nackenhaare sträuben“, gehören Zeitdruck, verstärkte Anforderungen an die eigene Person – im Innen wie im Außen, Stau, rote Ampeln, aber auch Menschen, die als nervig, übergriffig oder anderweitig als anstrengend empfunden werden.
Kontrollverlust ist schwer zu ertragen
Bis zu einem gewissen Maß kann jeder Mensch lernen, mit Stress entspannter umzugehen, beziehungsweise Stresshormone abzubauen und wieder zu mehr Ruhe zu finden. Wichtigste Herausforderung ist, sich bewusst zu machen, was genau die Stressoren sind. Kontrollverlust beispielsweise ist ein bedeutender Stressor. „Wir reagieren mit einer vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen auf Situationen, die wir nicht kontrollieren können oder in denen unser Handlungsspielraum stark eingeschränkt ist. Das ist nur schwer auszuhalten“, erklärt Grüttert.
Sind wir zum Beispiel zu spät dran und möchten rasch auf die Arbeit – werden aber durch die Verkehrssituation aufgehalten, ist es nicht der Stau als solcher, der nervt. Es sind Kontrollverlust, Passivität und ein „Festhängen in der Situation“, was vielen zu schaffen macht und nur schwer zu akzeptieren ist. Ab wann wir uns gestresst und genervt fühlen, wenn etwas nicht nach unseren Plänen läuft und welche Situationen besonders triggern, ist bei jedem Menschen etwas anders.
Der Punkt ist: „Letzten Endes werden die alltäglichen Energievampire erst in unserem eigenen Kopf zu Energievampiren“, sagt Grüttert. „Wie wir mit den Dingen umgehen, entscheidet, wie wir sie wahrnehmen.“
Kann man Stresskompetenz lernen?
Man kann lernen, in Situationen, die einem Energie rauben, gelassener zu reagieren. Statt beim Energieräuber Stau noch nervöser zu werden, kann man vielleicht ein Telefonat führen, das noch ansteht, ein Hörbuch hören oder eine Kleinigkeit aus der Lunchbox essen. Es nimmt Stress, wenn man die Situation annimmt. Man kann sie nicht verändern – auch wenn man sich noch so sehr aufregt. Sie bleibt für den Moment, wie sie ist.
„Wechseln Sie die Perspektive im Kopf. Statt das Gefühl zu haben, dass die Situation Sie bestimmt, können Sie aktiv werden und Ihren Handlungsspielraum nutzen“, rät Grüttert. „Wer aktiv ins Handeln kommt, gewinnt das Gefühl der Kontrolle zurück – und das nimmt Stress.“
Rufen Sie beispielsweise die Person an, mit der Sie verabredet sind und geben Sie über Ihre Verspätung Bescheid. Und schauen Sie dann, welche Optionen Sie haben. Möglicherweise kommt eine Ratsstätte und Sie können runterfahren und den Termin spontan digital wahrnehmen.