Frankfurt, Berlin Die Immobilienpreise in Deutschland kennen seit Langem nur eine Richtung: nach oben. Der angespannte Wohnungsmarkt hat für immer mehr Bundesbürger inzwischen handfeste Konsequenzen im Alltag. Nach einer Studie, die die Kieler Wissenschaftler der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge) am Donnerstag auf dem Wohnungsbautag in Berlin vorstellten, leben 8,5 Millionen Menschen in Wohnungen, die überbelegt sind.
Die neue Bundesregierung müsse „jetzt den Weg frei machen für klimaschonendes Bauen und Modernisieren, das für alle bezahlbar ist“, fordert Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW. Die Ampelregierung will 400.000 neue Wohnungen jährlich schaffen, davon allein rund 100.000 Sozialwohnungen. Doch das Expertenbündnis glaubt, dass der Weg zu mehr bezahlbarem Wohnraum nur durch ein Bündel von Maßnahmen erreicht werden kann. Was schlagen die Experten vor? Im Folgenden die wichtigsten Punkte:
Die Wohneigentumsquote in Deutschland ist traditionell sehr gering, sie liegt aktuell bei rund 45 Prozent, und sie stagniert seit 2010. Das hat auch damit zu tun, dass viele Normalverdiener das Startkapital für einen Hauskauf nur noch schwer zusammenbekommen.
Um den Neubau anzukurbeln, will die Regierung neue steuerliche Anreize für Bauherren setzen. Bei einem Neubau sollen künftig jährlich drei statt zwei Prozent der Kosten abgeschrieben werden dürfen. Außerdem soll die Wohngemeinnützigkeit wieder eingeführt werden, was weitere Steuervorteile und Investitionszusagen bedeutet. Vermieter würden dabei Steuerboni und Zuschüsse erhalten, wenn sie dauerhaft günstige Wohnungen anbieten.
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Das Bündnis fordert jedoch, dass auch Haushalten mit wenig Eigenkapital der Zugang zu Immobilien steuerlich erleichtert werden müsse. Es müssten steuerliche Anreizsysteme für gemeinwohlorientierte Vermieter geschaffen werden, die unterhalb bestimmter Marktmieten Wohnungen dauerhaft anbieten.
2. Förderung von energetischem Bauen neu aufsetzen
Die Bundesregierung hat Ende Januar die bisherige Förderung für energieeffiziente Häuser der KfW abrupt gestoppt und damit viel Unmut in der Branche und bei Betroffenen ausgelöst. Mehrere Wohnungswirtschaftsverbände riefen ihre Mitgliedsunternehmen diese Woche auf, Schadenersatzforderungen rechtlich prüfen zu lassen. „Die Förderprogramme der KfW müssen konsequent auf technologieoffene CO2-Einsparung umgestellt werden“, fordern jetzt die Autoren der Arge-Studie. Weitere Verschärfungen für die Energieeffizienz von Wohnungsneubauten seien dagegen „nicht sinnvoll“.
>> Lesen Sie hier: Bund droht Klagewelle nach KfW-Förderstopp
Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung gilt als wirksamerer Hebel als die Ausweitung der Anforderungen an die Gebäudehülle. Immer höhere Requirements für Gebäude überfordern sowohl Bauherren als auch Mieter finanziell und brächten nicht den gewünschten Klimaeffekt, betont auch GdW-Präsident Gedaschko. Erneuerbare Energien, Mieterstrom, kommunale Wärmeplanung sowie Flotten- und Quartierslösungen müssten nach vorn gebracht werden.
Um den Klimaschutz auch für die Mieter bezahlbar zu gestalten, werden jährlich acht bis 14 Milliarden Euro an Fördermitteln für die sozial verträgliche Transformation der vermieteten Wohnungen benötigt, sagen die Experten. Die jährlichen Kosten für die von der Studie empfohlenen Energiesparsanierungen beziffern sie auf bis zu 150 Milliarden Euro professional Jahr – additionally 3,6 Billionen Euro bis 2045.
3. Umwandlung von Nicht-Wohngebäuden
Zur Linderung der Wohnungsnot plädieren die Experten zudem für eine Umwidmung von Nicht-Wohngebäuden. Etwa 1,86 Millionen Wohnungen könnten nach konservativen Schätzungen so bis 2040 im innerstädtischen Bereich umgebaut und umgenutzt werden, wie Arge errechnet hat.
„Das Potenzial der Nachverdichtung, zum Beispiel durch die Aufstockung von Wohngebäuden und Dachgeschossausbauten, ist eine wichtige Ergänzung für die Schaffung von Wohnraum insgesamt, da die Ausweisung von neuen Baugebieten und Grundstücken mittlerweile eine gewisse Endlichkeit erreicht hat“, heißt es in der Untersuchung. Bestehende Gebäude sollten deshalb auf ihre Weiterverwendung und ihr bestehendes Potenzial hin überprüft werden.
4. Mehr Möglichkeiten für Nachverdichtung
Nachverdichtung gilt als die schonendste Type der Stadtentwicklung – doch der Widerstand dagegen ist in der unmittelbaren Nachbarschaft häufig groß. Dabei könnten auf Parkhäusern und Supermärkten laut Studien mehr als eine Million Wohnungen entstehen – und das zu günstigeren Preisen als vielfach im Neubau. Die Flächenersparnis läge, sagen die Forscher, bei bis zu 250 Millionen Quadratmetern, da keine neuen Flächen dafür versiegelt werden müssten.
Allein die Dachaufstockung bei Wohnhäusern, die in der Nachkriegszeit bis zum Ende der Siebzigerjahre gebaut wurden, bietet nach Angaben der Studie enormes Potenzial: Rund 1,5 Millionen neue Wohnungen seien hier durch On-High-Etagen möglich. Die steuerlichen Anreizsysteme für die Umnutzung von Gewerbeimmobilien zu Wohnraum müssten darum ausgebaut werden, fordert die Studie.
5. Mehr Maßnahmen für Sozialwohnungen
Sozialwohnungen sind in vielen Städten Mangelware, die Wartelisten lang. Seit mittlerweile Jahrzehnten sei der Bestand an Sozialwohnungen stetig gesunken. Inzwischen dürfte nur noch für jeden zwanzigsten Mieter eine Sozialwohnung verfügbar sein, während deutlich mehr als die Hälfte aller Mieter vom Einkommen her zum Bezug einer Sozialwohnung berechtigt sei, heißt es in der Studie.
Neben dem Ziel von 100.000 neuen Sozialwohnungen jährlich müssten darum weitere Mittel eingesetzt werden, darunter Modernisierungen im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung, eine Verlängerung von Belegbindungen, der Ankauf von Belegbindungen und Anwartschaften sowie steuerliche Anreize für zum Beispiel Gemeinwohlwohnungen.
6. Neue Fachkräfte-Initiative
Ein großer Hemmschuh für die Schaffung von Neubauten in beträchtlicher Zahl ist auch der sich verschärfende Mangel an Fachkräften in der Bauindustrie. Derzeit fehle es in 101 Bauberufen an Experten, rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vor.
Rund 55.600 Stellen könnten derzeit nicht besetzt werden. „Es bedarf einer langfristigen Beschäftigungsinitiative im Baugewerbe und der Bauindustrie für den Ausbau der notwendigen Kapazitäten zur Umsetzung der baulichen Transformation der Wohngebäudebestände“, lautet die Forderung der Studie der Arge.
7. Digitalisierung der Verwaltung
Die Metropolen haben häufig auch ein Downside bei der schnellen Zuweisung von Bauanträgen. „Mehr Geld wäre vor allem deshalb auch für die Digitalisierung der Bauämter notwendig“, sagt IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. Der Ökonom hält einen Stadtentwicklungsfonds des Bundes für sinnvoll, der die Bedingungen für den Neubau verbessert. Die auch im Koalitionsvertrag erwähnte notwendige Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Wohnungsbau sei darum von erheblicher Bedeutung für die Erreichung der gesetzten Ziele, heißt es in der Arge-Studie.
Dazu seien kurzfristig mehr Fachkräfte in den Bauämtern einzusetzen. Es brauche eine schnelle Digitalisierung der Bauämter sowie des gesamten Bauprozesses und eine bundesweite Nutzung von Typengenehmigungen für typisiertes und serielles Bauen.
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