Düsseldorf Wind und Wetter schrecken Frosta-Chef Felix Ahlers nicht. Schließlich ist er passionierter Kite-Surfer. Wie jeden Morgen ist der Unternehmer mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren, diesmal in die Hamburger Zentrale in einem historischen Backsteingebäude. Das Hauptwerk liegt in Bremerhaven – in Sichtweite zu den Wettbewerbern Iglo und Deutsche See.
Im Interview mit dem Handelsblatt spricht er über den starken Druck, höhere Preise im Handel durchzusetzen: „Für uns ist alles teurer geworden – Fisch, Gemüse, Energie, Verpackung und Logistik. Die Teuerung struggle noch nie so extrem“, sagte Ahlers.
Sorgen bereitet dem Unternehmen aber auch das Geschäft mit Eating places und Kantinen: „Es ist starken Schwankungen ausgesetzt – je nach Corona-Lage. Grundsätzlich sehen wir in der Gastronomie gute Chancen“, so der Frosta-Chef.
Zudem will Frost das erste Gemüsewerk bei Meißen klimaneutral machen: „Das dauert noch in paar Jahre. Denn wir wollen Emissionen nicht kompensieren – etwa durch Bäumepflanzen –, sondern Klimaneutralität mit Wind-, Sonnenenergie und mit Biogasanlagen erlangen.“
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In diesem Zuge begrüßt Ahlers auch die Pläne der Ampel-Koalition, die CO2-Abgabe zu steigern und die EEG-Umlage abzuschaffen. Vom Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) fordert er „mehr Transparenz und eine strengere Gesetzgebung. Lebensmittelhersteller brauchen klarere Vorgaben zur Deklaration“.
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Herr Ahlers, Frosta hat als einer der ersten Lebensmittelhersteller schon im Sommer angekündigt, die Preise anheben zu müssen. Konnten Sie Ihre Preisforderungen im Handel durchsetzen?
Ja, wir haben die dringend notwendigen Preiserhöhungen umgesetzt und sind jetzt in den finalen Gesprächen. Wir schätzen, dass unsere wichtigsten Produkte wie Paella, Bami Goreng oder Hühnerfrikassee künftig etwa 20 Cent mehr kosten. Für uns ist alles teurer geworden – Fisch, Gemüse, Energie, Verpackung und Logistik. Die Teuerung struggle noch nie so extrem. Nie zuvor lastete ein so starker Druck auf uns Herstellern, höhere Preise im Handel durchzusetzen. Sonst würden wir rote Zahlen schreiben.
Hat der Handel dafür Verständnis? Allerorten hört man von eskalierenden Preisverhandlungen.
Auslistungen nehmen zu, zum Glück nicht bei uns. Es sind diesmal unglaublich harte Verhandlungen, und wir können Preise zum Teil erst später erhöhen als es nötig wäre. Wir hoffen, dass sich der Kostenschub beruhigt und wir nicht nachverhandeln müssen. Denn die Preise – besonders für Energie und Transport – sind nur schwer zu prognostizieren.
Was genau ist für Frosta teurer geworden?
Ein Container aus Alaska kostet inzwischen 70 Prozent mehr. Das ist nur der Transport. Auch Alaska-Seelachs ist knapp und etwa 20 Prozent teurer geworden. Denn auf den Fischtrawlern gab es viele Corona-Fälle, so dass 2021 viel weniger Fisch gefangen wurde als nach den Fangquoten erlaubt struggle.
Die Fangquoten in der Beringsee sind für dieses Jahr um 19 Prozent gesenkt worden.
Dann werden die Fischpreise wohl weiter anziehen. Vielleicht sinkt dann auch die Nachfrage, weil Verbraucher keine noch höheren Preise akzeptieren. Was die meisten nicht wissen: Fisch ist von allen tierischen Nahrungsmitteln das preislich günstigste. Tiefgekühltes Alaska-Seelachsfilet kostet etwa 20 Prozent weniger als Hühnerfilet. Fisch ist das einzige Nahrungsmittel, das frei wächst.
Tierschützer kritisieren die Überfischung der Weltmeere. Warum sind Sie gegen Zuchtfisch?
Die Zucht an sich ist nicht das Drawback, sondern das, was verfüttert wird. Für ein Kilo Fischfilet braucht es die sechs- bis siebenfache Menge an Futterfisch wie Sardinen. Dafür werden die Weltmeere ohne Kontrollen raubfischartig leergefischt. Alaska-Seelachs hingegen ist stark kontrolliert, so dass die Fischbestände stabil bleiben. Dennoch brauchen wir gute Alternativen zum Wildfang. Letztes Jahr haben wir deshalb einen Lachs aus den Faröer-Inseln auf den Markt gebracht. Es hat lange gedauert, einen Zuchtbetrieb zu finden, der unsere Ansprüche erfüllt.
Im Lockdown haben Verbraucher Nudeln, Toilettenpapier und Tiefkühlkost gehortet. Lässt der Corona-Schub nun nach?
Fisch und Gemüsemixe haben am meisten profitiert. Pfannengerichte aus dem Tiefkühler legten im ersten Coronajahr kräftig um zehn Prozent zu. Das hohe Niveau bleibt. Denn im Homeoffice kochen viele selbst, haben aber nur wenig Zeit dafür.
Frosta produziert auch viele Handelsmarken etwa für Discounter. Warum ist dieses Geschäft stark rückläufig, während die Marke Frosta zweistellig wächst?
Höhere Preise sind seit 2020 ein Thema. Wir sind bei Verträgen für Handelsmarken, die sich nicht mehr rechneten, konsequent ausgestiegen. Es macht keinen Sinn, mit Verlusten zu produzieren. Auch in Frankreich haben wir deshalb unser Geschäft aufgegeben.
Sind Ihre Werke denn noch ausgelastet?
Ja, denn wir sind mit der Marke Frosta und in Italien stark gewachsen. Die Marke erwirtschaftet nun die Hälfte des Umsatzes, Handelsmarken noch 40 Prozent. Unser drittes Standbein, das Geschäft mit Eating places und Kantinen, ist starken Schwankungen ausgesetzt – je nach Corona-Lage. Grundsätzlich sehen wir in der Gastronomie gute Chancen. Unsere Tiefkühlprodukte kann selbst ein Kellner in der Pfanne schnell zubereiten. Dazu braucht es keinen gelernten Koch. Schon vor der Pandemie mangelte es ja an Köchen.
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Felix Ahlers ist selbst ausgebildeter Koch. Vor seinem VWL-Studium hat er im Restaurant des Pariser Nobelhotels „Le Bristol“ gelernt.
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Wie groß struggle der Kulturschock, als Sie 1999 im väterlichen Tiefkühlwerk anfingen?
In der gehobenen Küche haben wir alles selbst hergestellt. Fischgräten, Knochen oder Gemüsereste werden zu Fond eingekocht. Das bildet die Foundation für den Geschmack. Die Industrie hat diesen Aufwand durch Aromen und Geschmacksverstärker ersetzt. Zusatzstoffe machen alles maschinengängig. Auch Frosta hat das 20 Jahre lang so praktiziert. Als ich ins Unternehmen kam, mochte kein Mitarbeiter die Gerichte selbst essen. Bei uns arbeiteten nur Lebensmittelchemiker, aber keine Köche. Das wollte ich grundlegend ändern. So habe ich auf unsere Produktion übertragen, was ich in der Restaurantküche gelernt hatte.
2003 haben Sie das „Reinheitsgebot“ eingeführt, was zunächst aber die Existenz des ganzen Unternehmens gefährdete.
Damals waren wir der Einsame Ritter, weil wir auf sämtliche Zusatzstoffe verzichteten. Allerdings hatten wir völlig falsch eingeschätzt, dass die Kunden dafür nicht mehr zahlen wollten.
Der Umsatz von Frosta brach um 40 Prozent ein, Sie mussten jeden zehnten Mitarbeiter entlassen.
Das struggle sehr schmerzlich. Es dauerte vier Jahre, bis die Verbraucher verstanden, was wir anders machen. Dann ging es bergauf. Nur Familienunternehmen können sich solch langen Atem erlauben, selbst wenn sie erstmal finanziell leiden.
Das Reinheitsgebot gilt auch für Ihre neuen veganen Gerichte wie Hühnerfrikassee oder Bami Goreng mit Fleischersatz aus Erbsen. Was stört Sie an Fleischersatz vieler Wettbewerber?
Die meisten enthalten extrem viel Chemie, um den Geschmack von Fleisch zu imitieren. Beim Burgerpattie von Beyond Meat erscheint auf Place fünf der Zutatenliste bereits Aroma. Wir haben mehr als ein Jahr erfolgreich an Fleischersatz ohne Zusatzstoffe getüftelt.
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Das gehypte US-Begin-up Past Meat, das Fleischersatzprodukte produziert, macht deutlich weniger Umsatz als Frosta. 2021 sollen es maximal 475 Millionen Greenback sein. Zugleich fährt Past Meat dreistellige Millionenverluste ein. Trotz Kursverlusten ist der Lebensmittelproduzent immer noch vier Milliarden Greenback an der Börse wert.
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Macht Sie das als solider Mittelständler nicht neidisch?
Man fragt sich wirklich, woher so eine hohe Bewertung kommt. Es muss sich zeigen, wie lange der Erfolg von Beyond Meat anhält. Ich jedenfalls würde nicht in solche Firmen investieren.
Sie haben vegane Fischstäbchen aus Blumenkohl und Schwarzwurzeln entwickelt. Allerdings kommen auch diese nicht ohne Stabilisator aus. Werden sie deshalb unter der Marke „Fisch vom Feld“ verkauft und nicht unter Frosta?
Genau, denn Zusatzstoffe passen nicht zum Reinheitsgebot von Frosta. Bei veganen Fischstäbchen können wir auf Methylcellulose als Stabilisator noch nicht verzichten. Aber wir arbeiten dran. „Fisch vom Feld“ läuft dort, wo er gelistet ist, und in unserem Onlineshop sehr intestine. Das Marktpotenzial für veganen Fisch ist aber nicht so groß wie für Fleischersatz. Denn anders als Fleisch wird Fisch als sehr gesundes Lebensmittel wahrgenommen. Veganen Fisch essen eher Verbraucher, die Fischfang kritisch sehen.
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Frosta ist nicht nur beim Reinheitsgebot und Verzicht auf Alu-Backschalen ein Vorreiter in der Branche. Für den ersten Tiefkühl-Papierbeutel ohne Plastikbeschichtung gab es 2020 den Deutschen Verpackungspreis in der Kategorie Nachhaltigkeit. Die Vorteile: Er besteht anders als Plastik aus nachwachsendem Rohstoff. Zudem ist die Recyclingquote von Papier deutlich höher als von Plastikmüll.
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Allerdings gab es Probleme mit dem neuen Papierbeutel. Sind die behoben?
Sojasauce, Rote Beete und sehr ölhaltige Stoffe können leider im Laufe der Monate durch den Beutel suppen. Unser Ziel bleibt es, 40 Millionen Plastikbeutel im Jahr durch kompostierbares Papier zu ersetzen. Vorbild ist der Zementsack. Langfaserige Papierstrukturen halten Feuchtigkeit ab. Vier von 45 Produkten im Plastikbeutel sind umgestellt. Wir testen gerade die nächsten zehn.
Frosta druckt die Herkunftsländer aller Zutaten auf die Packung. Viele davon stammen aus Übersee. Warum importieren Sie Brokkoli aus Ekuador? Andere setzen aus Umweltgründen bewusst auf Rohstoffe aus der Area.
Das Wichtigste: Bei uns steht das Herkunftsland clear auf jeder Verpackung, das ist bisher noch einmalig. Im Hochland von Ekuador gibt es drei Ernten im Jahr und es braucht kaum Pestizide. Trotz des weiten Transports hat Brokkoli von dort eine deutlich bessere C02-Bilanz als solcher aus kälteren Regionen.
Wenn Ihnen Umweltschutz so am Herzen liegt, warum bieten Sie kaum Bio-Gemüse an?
Wir stellen deshalb nicht komplett auf bio um, weil Zutaten wie Bio-Fleisch dreimal so teuer sind. Dann würde Frosta zur Nischenmarke werden.
Seit 2011 veröffentlicht Frosta den C02-Fußabdruck jedes Produkts auf der Homepage…
Wir hatten ihn sogar auf der Packung stehen. Aber solange wir praktisch die einzigen sind, können Verbraucher nicht vergleichen. Deshalb haben wir uns wie auch Nestlé im September der Initiative „Collectively for Carbon Labelling“ von Oatly angeschlossen. Allerdings ist eine einheitliche Vorgehensweise schwieriger als gedacht.
Wann werden Frosta-Produkte klimaneutral produziert?
Unser Gemüsewerk bei Meißen wollen wir als erstes klimaneutral machen. Das dauert noch in paar Jahre. Denn wir wollen Emissionen nicht kompensieren – etwa durch Bäumepflanzen –, sondern Klimaneutralität mit Wind-, Sonnenenergie und mit Biogasanlagen erlangen.
Welche Impulse erhoffen Sie sich von der neuen Bundesregierung und vom grünen Ernährungsminister Cem Özdemir?
Wir fordern mehr Transparenz und eine strengere Gesetzgebung. Lebensmittelhersteller brauchen klarere Vorgaben zur Deklaration. Auf einem aromatisierten Früchtetee etwa muss vorne auf der Packung „aromatisiert“ stehen. Das sollte endlich für alle Lebensmittel gelten – von Joghurts bis zu Fertiggerichten. Dafür scheinen mir die Grünen relativ offen.
Die Ampelkoalition will die Nährwertkennzeichnung Nutriscore EU-weit weiterentwickeln. Sie sind als vehementer Gegner von Nutriscore bekannt. Was müsste sich daran ändern?
Es fehlt die wichtige Komponente der Zusatzstoffe. Diese müssen neben Zucker, Salz, Fett, Ballaststoffen und Proteinen auch in die Bewertung einfließen. Dann würde Frosta beim Nutriscore sofort mitmachen.
Was sagen Sie zu den Plänen der neuen Regierung, dass die CO2-Abgabe steigen und die EEG-Umlage wegfallen soll?
Die Pläne begrüße ich. Fossile Energieträger werden dadurch unattraktiv. Und umweltfreundliche Initiativen wie unser Windrad in Bremerhaven rechnen sich besser. Wir als Unternehmerfamilie, die in Generationen denkt, müssen dazu beitragen, dass sich die Klimabilanz verbessert.
Die Frosta AG ist ein Familienunternehmen, aber trotzdem an der Börse notiert. Wo liegen die Vorteile?
Vor der Zeit als AG hatten wir bereits externe Investoren. An der Börse muss sich ein Unternehmen im Markt messen lassen, das ist intestine. Als Familienunternehmen sind wir jedoch nicht vom Börsenkurs getrieben. Der wesentliche Vorteil ist, dass wir so jeden bei Frosta unkompliziert am Unternehmen beteiligen können. Unsere Beschäftigten können einmal im Jahr Aktien besonders günstig kaufen. Inzwischen hält die Hälfte der Belegschaft Frosta-Aktien. Das stärkt das unternehmerische Denken spürbar.
Vielen Dank für das Interview, Herr Ahlers.