Hypnose soll eine Entbindung erträglicher machen. Wie das funktioniert, wie Frauen solche Geburten wahrnehmen und was eine Kuh damit zu tun hat, erklärt eine Expertin.
Bei der Entbindung können sich Frauen eine Kuh zum Vorbild nehmen. Was etwas befremdlich klingt, hat Kristin Graf gemacht. Die Mutter aus der Nähe von Berlin war nach zwei sehr schmerzhaften Geburten auf der Suche nach einer Methode, ihr drittes Kind möglichst entspannt und schmerzarm zu entbinden. Sie kam auf die Kuh, als ihr damaliger Partner ihr von der Zwillingsgeburt einer Kuh erzählte, bei der er als Jugendlicher dabei war.
„Die Kuh war wie in Trance, hat vor sich hingestarrt, einen Tunnelblick bekommen, hat tief geatmet und war ganz ruhig“, berichtet Kristin Graf. „Das erste Kälbchen kam zur Welt, sie hat es abgeschleckt, sich dann wieder umgedreht, konzentriert – und dann kam das zweite.“ Diese Erzählung hat sich bei Graf als Bild im Kopf gefestigt. „Ich habe gedacht: Alle Säugetiere können Geburt. Wenn ich auch wie eine Kuh bin, wenn ich einfach nach meinem Gefühl gehe und nichts Schlimmes erwarte, dann müsste ich das doch eigentlich auch schaffen.“
„Die Friedliche Geburt“: Gebären unter Hypnose
Daraufhin hat sich Graf mit Geburtshypnose beschäftigt. Sie entwickelte eine Methode zur mentalen Geburtsvorbereitung, durch die sie ihre Tochter 2011 nahezu schmerzfrei zur Welt brachte. „Ich war völlig von den Socken“, erinnert sie sich. „Da habe ich gesagt: Das muss ich anderen beibringen, das kann ich nicht für mich behalten.“
Kristin Graf beschäftigt sich seit ihrer Jugend mit Mentaltechniken und Hypnose. Ihr Spezialgebiet ist die geburtsvorbereitende Hypnose, die sie in ihrem Kurs „Die Friedliche Geburt“ lehrt; ein gleichnamiges Buch ist im Piper Verlag erschienen. Kristin Graf hat drei Kinder und lebt bei Berlin.
Seit 2016 zeigt sie nun werdenden Müttern ihre Weiterentwicklung des Hypnobirthing in Kursen, hat gerade ein Buch darüber veröffentlicht. Wobei sie die Bezeichnung Hypnobirthing gar nicht mag, da sie zu viele Methoden umfasse, anstatt sich auf eine zu konzentrieren und diese ausgiebig zu üben. Sie hat ihre stattdessen „Die Friedliche Geburt“ genannt: Denn bei ihrer eigenen Entbindung unter Hypnose verspürte sie ein Gefühl von Frieden – während sie die Geburt ihrer ersten beiden Kinder immer mit Krieg und Folter assoziiert hatte.
Vorbild für ihre Methode ist die Kuh, die ebenfalls in Trance zu sein schien. „Der hypnotische Trance-Zustand ist ein ganz natürlicher“, sagt die Expertin. „Wir kennen ihn alle: Das ist jener, wenn ich früher in der Schule tagträumend aus dem Fenster geblickt und die Lehrerin nicht mitbekommen habe. Oder wenn ein Hochleistungssportler so im Tunnel ist, dass er während des Marathonlaufs seine Knieprobleme gar nicht wahrnimmt.“
Man könne sich das vereinfacht so vorstellen: Normalerweise gehen im Gehirn immer tausende Lämpchen an und aus, Informationen werden verarbeitet, es flackert hier und da. Bei der hypnotischen Trance gehen bildlich gesprochen alle Lämpchen aus und nur ein einziges leuchtet noch. „Das ist dieser Tunnelblick, wir blenden sozusagen alles drumherum aus, auch das Schmerzempfinden wird weniger relevant. Der Schmerz kommt also noch im Gehirn an, aber er wird nicht mehr richtig verarbeitet.“
Selbsthypnose: Es bedarf etwas Übung
Nur wie bekommen Frauen das bei der Entbindung hin? In Grafs Kurs erlernen sie eine Technik, mit der sie sich selbst in einen hypnotischen Zustand versetzen können. Meist nutzen die Frauen dafür eine Audioaufnahme, die sie sich anhören. Das kann grundsätzlich jeder lernen – bei manchen klappe das etwas schneller, andere bräuchten länger.
Durch das Üben der Hypnose in der Schwangerschaft können die Frauen dann auch während der Entbindung einfach in die Hypnose hineingleiten. Für diese Situation bietet Graf ebenfalls entsprechende Aufnahmen, die sich die Frauen anhören können – jeweils auf die gewählte Geburtsart zugeschnitten.
Sie schließen spezielle Atemtechniken mit ein, die sich an die verschiedenen Phasen der Entbindung anpassen. „In der Eintrittsphase geht es eher darum, dass sich die Frauen entspannen, in der Austrittsphase soll die Atmung die Frauen eher pushen, weil sie mitschieben müssen.“