Die Fans protestieren, Klubs und Liga sind genervt. Der DFL-Investorendeal ruft auch zwei Monate nach der Abstimmung noch Ärger hervor. Ende offen.
Am Mittwoch flogen sie wieder, die Tennisbälle. Anhänger von Union Berlin warfen sie Ende der ersten Hälfte beim Bundesliga-Nachholspiel gegen Mainz 05 zusammen mit anderen kleinen Gegenständen auf den Platz. Minutenlang waren die Ordner in der Mainzer Arena damit beschäftigt, den Rasen freizuräumen. Währenddessen riefen die Anhänger der Berliner „Scheiß DFL“ und „Ihr macht unseren Sport kaputt“ aus dem Gästeblock.
Ein Vorgang, der spätestens seit dem vergangenen Wochenende so ziemlich jedem Fußballfan in Deutschland bekannt vorkommen sollte. Auch in Freiburg und Hannover kam es zu Spielunterbrechungen. Beim Zweitliga-Topspiel zwischen Hertha BSC und dem Hamburger SV am Samstag schickte der Schiedsrichter die Spieler sogar in die Kabine, weil der Protest der Anhänger mit geworfenen Tennisbällen mehr als 20 Minuten lang andauerte.
Einen Tag später warfen Anhänger des 1. FC Kaiserslautern beim Spiel in Elversberg Zitronen auf den Rasen. „DFL-Investoren machen uns sauer“, stand dazu auf einem Banner im Fanblock geschrieben.
Die umstrittene Entscheidung des Martin Kind
Seit zwei Monaten protestieren die Fanszenen der meisten Klubs der 1. und 2. Bundesliga nun gegen den Investorendeal der DFL. Am 11. Dezember hatten 24 der 36 Profiklubs für die Aufnahme von Gesprächen mit möglichen Investoren gestimmt. Damit erreichten sie die nötige Zweidrittelmehrheit äußerst knapp. Ein erster Anlauf im Mai war noch gescheitert.
Darum geht es beim DFL-Investorendeal
Für eine prozentuale Beteiligung an den TV-Erlösen soll ein Finanzinvestor eine Milliarde Euro zahlen. Aktuell gibt es noch zwei Interessenten. Der Vertrag soll eine Maximallaufzeit von 20 Jahren haben und bis zum Beginn der Saison 2024/25 unterzeichnet sein. Die Liga will das Geld vornehmlich für den Ausbau ihrer Infrastruktur nutzen. Dazu zählen Digitalisierung und Internationalisierung sowie der Aufbau einer eigenen Streamingplattform. Kritiker fürchten, dass durch den Deal Spiele ins Ausland verlagert werden könnten, der Spieltag weiter aufgesplittet und der Fußball immer teurer werden könnte.
Die aktiven Fanszenen fast aller Klubs reagierten verärgert. Zum einen, weil sie gegen den Einstieg eines Investors waren. Zum anderen, weil ihnen der Prozess zu intransparent war. Die Abstimmung lief geheim und per Papier.
Laut der „Sportschau“ hatten einige Teilnehmer die Sorge geäußert, dass ihre Stimme nachverfolgt werden könnte. Besonders umstritten war die Wahl von Martin Kind, des Vertreters von Hannover 96. Der Geschäftsführer der ausgegliederten Profiabteilung des Klubs war vom Mutterverein damit beauftragt worden, mit „Nein“ zu stimmen. Da sich in den Folgetagen jedoch zehn Klubs, die mit „Nein“ gestimmt hatten, meldeten, war klar, dass sich Kind wohl für einen Einstieg ausgesprochen hatte.
All das rief bundesweite Proteste hervor. Zunächst schwiegen die meisten Fankurven zwölf Minuten lang. Zwölf, weil sie als „zwölfter Mann“, wie die Fans gerne genannt werden, übergangen wurden. In manchen Stadien blieb es sogar eine ganze Halbzeit stumm. Eine komische Stimmung, sowohl für Spieler als auch für Fans am Fernsehgerät.
„Man sollte es irgendwann aber mal beenden“
Wirklich aufgehört hat der Protest seitdem nie. An einzelnen Spieltagen war es ruhiger, doch zuletzt nahmen die Aktionen wieder Fahrt auf. Einige Vertreter von Vereinen reagierten genervt. Martin Kind sagte im Interview mit der „Hamburger Morgenpost“: „Ich glaube, man kann Probleme nicht lösen, wenn man Tennisbälle wirft. Das übersteigt meine Vorstellungskraft bei Weitem. Wenn man etwas möchte, dann muss man kritisieren, aber auch alternative Lösungsvorschläge unterbreiten.“
Der Mainzer Sportvorstand Christian Heidel äußerte sich nach dem Protest am vergangenen Mittwoch wie folgt: „Wir haben es verstanden, dass ein Teil der Fans eine andere Auffassung hat. Das haben wir zu akzeptieren. Man sollte es irgendwann aber mal beenden, sonst hat das mit Fußball nicht mehr viel zu tun.“
Unter den Fans sind die Stimmen unterschiedlich. Die einen sind genervt von den andauernden Unterbrechungen, fordern ein Ende der Tennisbälle. Die anderen zeigen Verständnis, sehen die nervenden Proteste als einzige Chance, um das Thema prominent auf die Agenda zu setzen.
Auch ein Spielabbruch ist denkbar
Die Fanszenen selbst sind sich der Wirkung ihrer Aktionen bewusst. Die „Harlekins Berlin“, die führende Ultra-Gruppierung von Hertha BSC, erklärte ihre erzwungene Unterbrechung einen Tag später ausführlich in einem Statement: „Genau aus diesen Gründen haben wir uns für die besonders lange, besonders bohrende und besonders anstrengende Protestform entschieden. An kurze Proteste und kurze Unterbrechungen hat man sich scheinbar schnell gewöhnt in Deutschland.“
Dabei machten die Ultras klar: „Wir bestimmen selber, wie lange ein Protest dauern darf und wir werden uns hierbei auch künftig nicht an die Vorstellungen von Redakteuren, Vereinsoffiziellen oder DFL-Vertretern gebunden fühlen.“ In einer Ansprache an die Spieler erklärte der Vorsänger der Hertha-Fankurve namens „Kreisel“ nach dem HSV-Spiel, dass man auch einen Spielabbruch in Kauf nehmen würde, um dem Thema die Aufmerksamkeit zu geben, die die Ultras für notwendig halten.